Saisonal und lecker4 Rezepte aus der Sterneküche, die jeder nachkochen kann

Lesezeit 11 Minuten
Neuer Inhalt

Jan Maier und Tobias Becker setzen kulinarisch auf das, was die Bauern der Region saisonal zu bieten haben.

  • Jan Maier und Tobias Becker betreiben das Kölner Sterne-Restaurant „Maibeck” in der Kölner Altstadt.
  • Für unsere Leserinnen und Leser haben die beiden Köche vier Rezepte mit saisonalen und regionalen Zutaten zusammengestellt, die jeder ganz einfach nachkochen kann.
  • Hier gibt es die vier Rezepte und Videos zur Zubereitung.

Die beiden wissen, was schmeckt! Die Sterne-Köche Jan Maier und Tobias Becker aus dem Restaurant "Maibeck" in der Kölner Altstadt haben für unsere Leserinnen und Leser  vier Rezepte mit saisonalen und regionalen Zutaten zusammengestellt, die jeder ganz einfach nachkochen kann: Gnocchi von der Stommelner Laura, Hühnerfrikasse mit Spargel aus Bornheim, Monschauer Senf-Vinaigrette und ein Topfenmousse mit Crumble. Wie man diese Gerichte zubereitet, zeigen Maier und Becker in kurzen Kochvideos, die die beiden extra für uns aufgenommen haben. Im Interview erzählen sie außerdem, welche Fehler Hobbyköche gerne machen, welches Gemüse völlig unterschätzt wird und welchen FC-Spieler sie gerne mal bekochen würden. 

Herr Maier, Herr Becker, wie geht es Ihnen psychisch und finanziell nach mehreren Wochen Lockdown?

Jan Maier: Uns geht es nicht schlecht. Wir gehören wahrscheinlich auch zu den wenigen Gastronomen, die die politischen Entscheidungen bezüglich der Gastronomie für uneingeschränkt richtig halten. Unser Interesse ist es, nachhaltig zu einem Essenserlebnis zurückzukehren und nicht mit einem Schnellschuss, wo wir desinfizierte Teller hinter Plexiglas-Scheiben werfen. Wir haben den Freiraum in den vergangenen Wochen dankbar angenommen und gesagt: Geil, jetzt können wir lauter Dinge ausprobieren, die wir noch nie gemacht haben. Essen ausliefern war für uns bislang ein No-Go, aber wir fanden es spannend, das mal zu wagen.

In der Gastronomie-Branche sind viele Klagen zu hören, dass die Corona-Krise für sie absolut existenzbedrohend ist. Wenn Sie sich unter Ihren Kollegen in Köln und Region umhören: Wie ist die Stimmung?

Tobias Becker: Ich glaube, wesentlich positiver als man das in der Presse liest. Viele haben sich mit der Situation arrangiert und intelligente, durchdachte Konzepte entwickelt. Wir schaffen das! Diese Stimmung überwiegt.

Die Rezepte zum Nachkochen

Rezepte Maibeck2

Hier können Sie die vier Rezepte herunterladen:

Rezepte: Maibecks Videokochschule

Sie haben sich mit Pastabar Caruso am Barbarossaplatz zusammengeschlossen und bieten unter dem Namen „Il Paniere“ Lebensmittelkörbe in unterschiedlichen Preisklassen an, die man abholen oder sich liefern lassen kann. Ist so ein Angebot finanziell betrachtet nicht trotzdem nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Maier: In der Tat ist es eine unternehmerische Herausforderung. Aber dank der politischen Hilfen von Kurzarbeiter-Geld bis Soforthilfen lässt sich so ein Angebot schon über einen begrenzten Zeitraum stricken, rechnen und kalkulieren. Von den Gästen erfahren wir sehr viel Solidarität, von dort wird Bereitschaft signalisiert, dass ihnen unser Angebot etwas wert ist und dass es auch nicht so günstig sein kann. Zwei Jahre lang möchte ich das allerdings auch nicht machen. Und jeder Betrieb ist natürlich anders. Die Diskussion um Wirtschaftlichkeit wird in meinen Augen aber vor allem von den Gastronomen mit großen Konzernstrukturen geführt.

Könnte es sein, dass ein nicht geringer Teil von Restaurants in Köln die Krise überleben wird?

Maier: Ich glaube, dass ein großer Teil überleben wird

Becker: Natürlich wird es aber auch welche geben, die schon vorher gerungen haben, wo es nicht glatt gelaufen ist.

Die vier Rezepte im Video:

Gnocchi von der Stommelner Laura:

Hühnerfrikasse mit Spargel aus Bornheim:

Monschauer Senf-Vinaigrette:

Topfenmousse mit Crumble:

Bei allem Optimismus gibt es sicher auch Dinge, die Ihnen Bauchschmerzen bereiten. Was ist mit der Miete?

Becker: In der Lage, in der sich unser Restaurant befindet, ist die Miete natürlich eine der großen Belastungen, ganz klar.

Maier: Für mich sind es gar nicht so sehr die monatlichen Kosten. Was mir Gedanken macht, ist die Perspektive, Absehbarkeiten, Terminierungen. Solche Dinge lassen einen phasenweise sehr unsicher werden.

Aufgrund der Abstands-Regeln können Sie viel weniger Gäste im Restaurant bewirten. Bedeutet das nicht automatisch Preiserhöhungen?

Maier: Dazu habe ich eine konsequente Einstellung: Nein, die Preise werden wir nicht erhöhen. Denn der Wert unseres Produktes ändert sich ja nicht. Es wäre der falsche Weg, die Gäste dafür zu bestrafen, dass sich die Umstände ändern. Da muss man wieder unternehmerisch denken, damit es trotzdem funktioniert. Wir genießen beide die Herausforderung, die das mit sich bringt. Man kann jetzt die Dinge auf den Kopf stellen, schütteln und neu zusammensetzen. Am Ende könnte es ein zusätzlicher Steh-Imbiss vor der Tür werden. Nur als Beispiel. Wir müssen am Ende eher aufpassen, dass wir nicht alles über den Haufen werfen und Menschen enttäuschen, die mit Maibeck-Erwartung zu uns kommen.

Können Sie gar nicht nachvollziehen, dass andere Gastronomen sich fragen, wie das alles funktionieren soll?

Becker: Es gibt so viele unterschiedliche Konstellationen, dass man da schwer pauschalisieren kann. Für uns ist das ein Anreiz, Neues auszuprobieren.

Sie haben schon immer stark auf Regionalität gesetzt. Die wird in der Corona-Krise jetzt beschworen. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Regionalität sich jetzt stärker durchsetzt?

Becker: Für uns war es schon immer selbstverständlich, da einzukaufen, wo wir wissen, wo es herkommt, wo wir die Menschen kennen, die die Lebensmittel produzieren. In der Krise, und das ist etwas Gutes, haben die Menschen mehr Zeit, um in die Region zu fahren, auf Wochenmärkte zu gehen. Ich kann das nur empfehlen.

Maier: Zufällig ist gerade auch die perfekte Jahreszeit dafür.

Das Restaurant Maibeck

Auch nach der schrittweisen Wiedereröffnung des Restaurants ab Freitag, 15. Mai, bieten die Maibeck-Chefs zusammen mit der Pastabar Caruso vom Barbarossaplatz ein gastronomisches Rezept namens „Il Paniere” an. Das ist italienisch und bezeichnet den Korb, der an einem Seil vom Balkon heruntergelassen wird, um Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen, die ihre Wohnungen nicht verlassen können. Die „Körbe” werden unterschiedlich und jede Woche anders befüllt. Zu dem Angebot geht es auf eine eigens eingerichtete Website.  

Weitere Informationen über das Maibeck gibt es auf der Internetseite des Restaurants.

Ihr Restaurant liegt mitten in der Altstadt, umringt von Touristen-Lokalen, obwohl man Sie mit Ihrem kulinarischen Ansatz eher in der Südstadt oder im Belgischen vermuten würde. Was sind die Vor- und Nachteile der Altstadt?

Maier: Ich wohne zumindest im Belgischen Viertel und entspreche total dem Klischee (lacht). Die Altstadt fühlt sich gerade wie ein Museum an. Oder wie eine einsame Insel. Es hat ja wirklich alles zu. Ich finde auch überraschend, wie wenig Leute am Rheinufer unterwegs sind. Die Besonderheit an der Altstadt ist, dass sie eigentlich gar nicht zu Köln gehört, obwohl sie schon von ihrer Geschichte her das kölscheste ist, was man sich vorstellen kann.

Becker: Die Lage ist zentral, wir haben kein Gebäude mehr zwischen uns und dem Rhein. Für uns ist das einfach ein wunderschöner Platz, der in den letzten Jahren stiefmütterlich behandelt worden ist. Wir sehen uns als erste Anlaufstation vom Rhein in die Altstadt. Am Anfang haben wir gedacht: Jetzt gucken wir erstmal, dass die Touristen kommen und dann die Kölner. Jetzt kommen eigentlich alle.

Maier: Man darf nicht vergessen, dass wir auch alle häufiger Touristen sind. Ich freue mich, wenn ich in einer fremden Stadt ein tolles Lokal finde, ohne dass ich mich total gut auskennen muss. Es gibt ja nicht nur chinesische Touristengruppen, sondern auch coole Leute, die Köln entdecken wollen.

Was sagen die Kölner Gäste zu der Lage?

Maier: Die sagen oft: Boah, hier war ich seit zehn Jahren nicht. Dabei ist das die Waterfront von Köln. In Sidney und Barcelona sind solche Plätze absolute Premium-Plätze, die auch von den Menschen, die dort leben, geliebt werden. Die Altstadt hat eine Aura. Das ist ein geschichtlich aufgeladener, guter Ort, von dem wir froh sind, dass wir ihn entdeckt haben.

Was mögen Sie an Köln – und was nervt?

Maier: Der FC nervt.

Becker: Das teile ich überhaupt nicht.

Maier: Der nervt mich deshalb, weil er mich emotional so im Griff hat.. Und ich habe ausgerechnet eine Verbindung zum FC, was der stressigste Fußballclub ist, den man sich vorstellen kann. Manchmal glaube ich, es würde mir besser gehen, wenn ich in einer Stadt mit einem entspannteren Fußballverein leben würde. In Freiburg zum Beispiel.

Welche FC-Spieler würden Sie gerne mal bekochen?

Maier: Thomas Kessler, den jetzt noch zweiten Torwart. Weil das vermutlich einer der wenigen aus dem Team ist, mit dem man sich gut über Köln und Fußball unterhalten könnte. Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu gemein für die anderen Spieler. Grundsätzlich ist es allerdings schwierig, für Fußballer zu kochen, das ist kein Traumjob.

Inwiefern?

Maier: In Frankfurt habe ich jeden Mittag für Mo Idrissou gekocht. Der hat immer Pasta mit Bolognese gegessen und obendrauf durchgebratene Rinderfiletstreifen. Das Verständnis für Essen ist bei Fußballern nicht besonders groß. Das ist kein Vorwurf: Wenn du ab 14 in einem Sportinternat bist, hast du keinen Kontext, der mit Gemüseanbau oder Garten zu tun hat. Übrigens ist Fußball eine der wenigen Sportarten, wo das Thema Ernährung eine sehr kleine Rolle spielt, was ich erstaunlich finde.

Im Moment kochen und backen die Menschen viel mehr. Welchen Fehler machen viele Hobbyköche?

Maier: Da halte ich es mit Tim Mälzer: Immer doppelt so viel Butter, Zwiebeln und Alkohol beim Kochen nehmen, dann schmeckt es schon fast so wie im Restaurant

In jedes Gericht Zitrone und ein wenig Zucker rein, ist das immer gut?

Maier: Nein. Süße und Säure sind zwar wichtig, aber Zucker ist eine Zutat, die man extrem wenig braucht. Lieber mit Obst oder Fruchtsäften arbeiten. Und mit Essig. Und dann Senf als Brücke dazu.

060520kochen-magazin0617

Wer auf Regionalität setzt wie das Maibeck, kocht mit den Jahreszeiten.

Basilikum, Schnittlauch und Petersilie sind Klassiker auf dem Balkon oder im Garten. Was muss unbedingt noch dazu?

Becker: Bei mir explodiert gerade der Sellerie und der Liebstöckel, das sind zwei Kräuter, die ganz wunderbar problemlos anzubauen sind. Mit Kerbel zum Beispiel wäre ich vorsichtig, der ist ein Magnet für Ungeziefer.

Maier: Ich bin bei Balkon- und Gartenkräutern der falsche Ansprechpartner. Ich habe einen braunen Daumen, bei mir geht alles kaputt. Aber ich empfehle rauszugehen und sich vorher schlau zu machen was man so pflücken und essen kann, ob das Löwenzahn, Bärlauch oder Waldmeister ist. Das macht total Spaß. Selbst gemachte Waldmeisterlimo zuhause auf den Tisch zu stellen, das ist schon ein bisschen geil.

Empfehlen Sie, so viele Kräuter wie möglich ins Essen reinzupacken?

Maier: Das habe ich immer gedacht, bis ich mal eine Carbonara mit zu viel Salbei gekocht habe. Es gibt natürlich eine Obergrenze. Es stimmt aber, dass Profiköche sehr viel mehr Kräuter als Hobbyköche verwenden, genauso wie Salz übrigens auch. Man darf also mutig sein, muss sich aber an die Obergrenze rankochen.

Wer auf Regionalität setzt wie das Maibeck, kocht mit den Jahreszeiten: Spargel essen die meisten mit Kartoffeln und Sauce Hollandaise. Wie kann man den mal anders zubereiten?

Becker: Wir bereiten ihn gerne roh zu, dünn aufgeschnitten als Salat und dann mit einer Vinagrette angemacht. Diese rohe Variante lässt ihn in einem ganz anderen Licht erscheinen, als frisches Gemüse eben. In den letzten Jahren wird Spargel auch viel gegrillt, was nochmal ganz andere Aromatiken reinbringt. Auch gut.

Rezepte Maibeck3

Gnocchi mit Tomate, Basilikum und Ricotta. Jan Maier und Tobias Becker verwenden die mehlig kochende Laura von Bauer Henseler aus Stommeln.

Rhabarber isst man meist als Grütze oder verarbeitet ihn in Kuchen. Wie verwenden Sie das Gemüse noch?

Maier: Aus der Not, weil wir keine Lust mehr hatten, Würfel zu schneiden, haben wir geschälte Stangen in Gläsern eingeweckt als Pickles in einem süß-sauren Sud. Das hält sich sehr lange und schmeckt toll, wenn man es zu einem herzhaften Gericht gibt.

Welchem unbekannten regionalen Gemüse sollte man dringend eine Chance geben?

Maier: Ganz klar dem Maiwirsing, das ist quasi unser Vogel des Jahres. Wirsing gibt es ja zweimal im Jahr und dieser frühe Wirsing, der so ganz lose blättrig wächst wie eine Riesenblüte, ist unfassbar vielfältig. Man kann alle Strünke mitessen. Das ist eine ganz andere Welt als der dichte Herbstwirsing, für den brechen wir supergerne eine Lanze. Als Frühlingsgemüse ist das überragend. Einfach mal bei Marktständen nachfragen.

Auf dem Grill sind vegane Fleischersatzprodukte ein großer Trend. Wie bewerten Sie die veganen Buletten, die es jetzt überall zu kaufen gibt?

Becker: Für uns zeigt das vor allem, wie festgefahren Menschen in ihrem Denken sind. Wenn ich kein Fleisch esse, möchte ich trotzdem beim Grillen dabei sein und unbedingt ein Ersatzprodukt haben. Meistens ist das aber aus Soja gemacht, das in den USA angebaut wird und hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Die meisten Produkte haben außerdem unglaublich viel Fett. Das spricht für mich alles dagegen. Ich plädiere dafür, kreativ zu sein. Schmeiß mal eine Stange Lauch auf den Grill oder einen Maiwirsing und guck mal, was passiert. Das sind unfassbare Geschmackserlebnisse.

Maier: Das hat viel mit Mut und Komfortzone zu tun. Die Lebensmittelindustrie holt uns gut ab, man muss sich nichts Neues überlegen, wenn man einen veganen Burger kauft. Mein bester vegetarischer Burger in Köln bestand aus einem großen gegrillten Portobello-Pilz. Das war toll. Nicht imitieren wie Beyond Meat – sondern kreieren.

Was würden Sie neben dem Pilz denn noch empfehlen, wenn ich nun mal gerne einen fleischlosen Burger auf dem Grill haben will?

Becker: Für mich ist Grünkern das Non-Plus-Ultra, wenn ich etwas mit Kraft und Geschmack machen und kein Fleisch verwenden soll.

Maier: Auf jeden Fall. Der hat eine schöne Struktur und Räucher-Aromen. Und das sage ich, obwohl ich ein bisschen grünkern-traumatisiert bin. Als es früher noch diese ganzen Biorestaurants gab, die aussahen wie Kantinen, gab es ja überall Grünkern-Bratlinge. Und das kann auch böse in die Hose gehen.

Das Gespräch führte Sarah Brasack

KStA abonnieren