Von Capri bis DolomitiEis - So schmeckt die Kindheit

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Runtergelutschtes Twister

Runtergelutschtes Twister

Die größten Entdeckungen sind Zufall. Kolumbus stolperte über Amerika, Fleming fand im Schimmelpilz das lebensrettende Penicillin, US-Konzern Pfizer wollte ein Mittel fürs Herz – erfand aber Viagra.

Frank Epperson soll elf Jahre alt gewesen sein, als er ein Glas mit Limonade über Nacht auf der Veranda vergaß. Weil die Temperaturen unter Null fielen, war die Limonade am nächsten Morgen an einem Rührstab gefroren. Das Eis am Stiel war geboren. Doch Epperson war noch zu jung, um die Ausmaße seiner Entdeckung zu begreifen. Erst 1923, 18 Jahre später, besorgte er sich auch das Patent für den US-Markt.

Zweifelhafter Gründungsmythos

Ob dieser Gründungsmythos am Stiel wahr ist, lassen Temperaturaufzeichnungen heute bezweifeln. In Eppersons Heimat San Francisco war es zu der Zeit wohl auch nachts nur selten kalt genug, um Wasser gefrieren zu lassen. Dennoch hält die Eisindustrie an der Geschichte fest. Sie verkauft sich gut, sie leuchtet ein – und stellt das Eis eben in eine Reihe mit Amerika, Penicillin und Viagra.

Und es gibt sie, diese Namen, die den Geschmack von Sommer und die Erinnerung an Kindheit in uns wecken, wie kaum ein anderer Klang: Bum Bum, Capri, Solero, Calippo, Brauner Bär, Flutschfinger, Ed von Schleck. Die Eisindustrie hat einen anderen Namen für sie: Impulseis. Was bedeutet: Wir brauchen es nicht – wir wussten nicht einmal, dass wir es wollten. Wenn wir in der Warteschlange des Baumarkts oder im Kiosk die Eistruhe passieren, greifen wir dennoch zu. In jedem Jahr buhlen die Eisproduzenten mit neuen Sorten um unsere Aufmerksamkeit. Wir stellen die jüngsten Versuchungen am Büdchen vor.

Frozen Yogurt

Es ist ein paar Sommer her, da schien die Monopolstellung von Eis am Stiel ernsthaft in Gefahr. Plötzlich gab es Konkurrenz, und die war jung, hip und gerüchteweise sogar ein wenig gesünder: der Frozen Yogurt. In Großstädten poppten Läden aus dem Boden, die sich nur der Köstlichkeit verschrieben, die Deutschland erst lange nach Großbritannien und den USA entdeckte. Frozen Yogurt aus der Eistruhe ist eigentlich ein unmögliches Unterfangen. Denn Joghurt enthält Wasser, und je mehr Wasser im Eis, desto härter gefriert es. Weich, cremig, in der Konsistenz wie Softeis – all die Komponenten, die Frozen Yogurt eigentlich auszeichnen, sind dann kaum noch umzusetzen. Dennoch sieht man sie in diesem Jahr in allen Eistruhen, auch in Büdchen-Mini-Portion zum Löffeln aus dem Becher. Um der fluffigen Original-Konsistenz möglichst nahe zu kommen, empfiehlt Schöller zum Beispiel, die kleinen Eisbecher fünf Minuten auftauen zu lassen. Denn meist sind die Frozen Yogurts aus der Truhe „Eis auf Joghurtbasis“, wobei der Joghurtanteil variieren kann. Obwohl sie sogar den säuerlichen Joghurtgeschmack gut treffen, gesünder sind sie deswegen nicht. Mit den schweren Zutaten zum Drüberstreuen, den sogenannten Toppings – wie karamellisierten Walnüssen oder Mandeln –, fällt die Kalorien-Bilanz in der Regel ernüchternd aus.

Cocktail am Stiel

Erwachsene lieben Eis ebenso sehr wie Kinder – beide essen im Schnitt acht Liter pro Jahr. Die süße Sünde mit Alkohol zu kombinieren ist da naheliegend. Doch Omas „Eierlikör über Vanilleeis“ war gestern. Alkohol am Stiel gibt es schon lange direkt aus der Truhe. In diesem Jahr kombiniert Langnese gleich in mehreren Sorten Eis mit Alkohol: zum Beispiel Wassereis mit Minze und Rum oder Vanilleeis mit Marc de Champagne. Langnese versichert, dass Eltern nicht in Panik geraten müssen, sollte ihr Nachwuchs sich im Büdchen mal vergriffen haben. Der Alkoholgehalt sei mit 0,3 Volumenprozent „verschwindend gering“ und entspreche dem einer reifen Banane oder eines alkoholfreien Bieres. Wegen des Geschmacks empfehle man es nicht für ein jüngeres Publikum. „Aufgrund der geringen Alkohol-Mengen stellt es aber keinerlei Gesundheitsrisiken für Kinder dar“, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage.

Warme Sorten

Warmes Eis? Der absurde Begriff beschreibt unter Eisproduzenten süße Sorten wie Schokolade, Vanille und Nuss. „Die Sorten hinterlassen einen warmen Geschmack im Mund“, erklärt Barbara Groll von Schöller. „Kalte Sorten“ sind hingegen Erdbeere, Himbeere, Zitrone – alles mit Frucht. „Die warmen Sorten sind deutlich gefragter“, sagt Groll. Und so stehen auf den Eistafeln auch in diesem Jahr wieder einige neue süße Eise. Mövenpick mixt Schokolade und Karamell, Cornetto packt mit „Caffé Latte“ Röstaromen in die Waffel. Ein Highlight des Eis-Sommers 2014 ist außerdem Cornettos „Cheesecake Glory“ – das Waffeleis erinnert in seiner Konsistenz tatsächlich an Kuchen in der Tüte.

Fürst Pückler

Die dreifarbige Eisbombe, die ein Konditor im 19. Jahrhundert zu Ehren des

berühmten Gartenbauarchitekten kreierte, bestand ursprünglich aus Maraschino, Makronen und Schlagsahne.

Birne Helene

"Poire belle Hélène" ist ein Dessert der klassischen französischen Küche - und ist die Grundlage dieser Kombination. Im Originalrezept wird die Birne in Läuterzucker gedünstet.

Sacher Torte

Der Schoko-Traum mit Kern aus Aprikosenkonfitüre wurde zum Wiener Kongress (1814/15) kreiert und wird maximal mit ungesüßter Sahne serviert - Stracciatella passt als Sahneeis

Bayrisch Creme

Sie hat als viel variierte "Crème bavaroise" auch international Dessert-Karriere gemacht. Als Basis dient stets

eine feine Vanille-Creme. Orangenfilets und Pistazien passen hervorragend.

Erdbeer-Charlotte

"Charlotte" heißt eine berühmte Süßspeise, die aus einer zylindrischen Form gestürzt wird. Diese wird ausgelegt mit Biskuit und gefüllt mit Konditorencreme und Fruchtmark.

Die Nostalgie-Strategie mit Dolomiti

Erst Zitrone, dann Himbeere und am Ende eine Schicht Waldmeister – das war Dolomiti. Mit der Optik eines Bergmassivs und einem kultigen Werbespot schaffte es das Wassereis in den 70er Jahren zum Verkaufsschlager. Doch Langnese nahm es 1987 aus dem Sortiment. Seither flattern laut Langnese Fan-Briefe ins Haus, die Dolomiti zurückfordern. Den ersten Comeback-Versuch startete der Konzern schon Mitte der 90er. Weil er aber das Rezept veränderte und Himbeer-Waldmeister durch Erd- und Stachelbeere ersetzte, erntete er miserable Verkaufszahlen. Die Neuauflage verschwand schneller wieder von der Tafel, als sie schmelzen konnte. In diesem Sommer wagt Langnese das zweite Comeback. Das neue Dolomiti ist das alte, verspricht Langneses Eiskrem-Managerin Susanne Biljes. „Mit dem unvergleichlichen Original-Waldmeistergeschmack.“ Wir haben getestet und können bestätigen: Die Basis des Bergs hält, was sie mit ihrem Giftgrün verspricht. Übrigens: Die Nostalgie-Strategie verfolgte Nestlé Schöller schon etwas früher mit Himbi. Das Vanilleeis mit Himbeerüberzug war 1962 eingeführt, 1992 abgeschafft und vor fünf Jahren wieder eingeführt worden. „Retroklassiker wecken positive Erinnerungen“, sagt Schöller-Sprecherin Barbara Groll. „Es ist der Geschmack der Kindheit, den jeder mag.“

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