Gegen Dreck und VerwahrlosungLastenräder, Superblock, „Walby“-App – Diese Projekte machen Köln lebenswerter

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Blühstreifen aus verschiedenen Blumen am Theodor-Heuss-Ring.

Blumenmeer statt Rasen: Gut für die Umwelt, schön für das Auge

Es hagelt Kritik über den Zustand der Stadt. An Ideen für eine schöneres Köln mangelt es jedenfalls nicht. Wir stellen einige vor.

Köln verwahrlost. Derzeit wird die Debatte über die mangelnde Sauberkeit rund um den Dom scharf geführt. Daneben gibt es unzählige Bürgerinnen und Bürger, die sich in Vereinen oder Nachbarschaftsinitiativen zusammentun, um ihr Zuhause nicht nur schöner, sondern auch lebenswerter zu machen. Frei nach dem Motto: Liebe deine Stadt, in guten wie in schlechten Zeiten. Einige davon stellen wir hier vor. Als Inspiration, zum Nachmachen und Mitmachen.

Gegen den Müll in der Stadt: Krake – „Die Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit“

Christian Stock von dem Verein Krake sammelt Müll am Rheinufer in einem orangen Müllbeute.

Christian Stock sammelt den Müll am Rhein schon lange nicht mehr allein.

In der derzeitigen Debatte über das marode Kölner Stadtbild bekommt ein Thema besondere Aufmerksamkeit: Vermüllung. Einen „Masterplan Sauberkeit“ hat die Stadt formuliert, die AWB spricht von „fehlendem Respekt vor dem öffentlichen Raum“. Es ist acht Jahre her, dass der Schauspieler Christian Stock seinen eigenen Müll-Masterplan fasste, beim Grillen am Rhein. So viel Plastikmüll, dachte Stock. Er kam mit Handschuhen und einem Müllsack zurück. Bald begleiteten ihn Kumpels beim Müllsammeln. Seit 2020 ist daraus ein Verein mit dem vielsagenden Titel „Krake“ entstanden, kurz für „Die Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit“. Mit vielen Armen gegen die Umweltverschmutzung also. „Inzwischen werde ich angeschrieben, wenn Menschen irgendwo in Köln illegalen Müll finden“, sagt Stock. Zu den regelmäßigen Müllsammelaktionen kommen nicht mehr nur seine Kumpels, sondern hunderte Kölnerinnen und Kölner, vor allem bei dem jährlichen „Rhine Cleanup Day“, den die „Krake“ in Köln koordiniert. Der nächste Termin ist am 9. September. Das bislang aufwändigste Projekt ist die „Rheinkrake“, bestehend aus zwei schwimmenden Fangkörben nördlich der Zoobrücke, die Müll aus dem Rhein fischt. „Viele denken ja gar nicht darüber nach, dass es nicht nur um Köln und das Stadtbild geht, sondern dass so achtlos weggeworfene Abfälle in die Weltmeere gelangen und die Ozeane dauerhaft vermüllen“, sagt Stock.

Im Netz: https://krake.koeln/

Stadtwiesen statt Rasen: Pionierarbeit für alles, was blüht, brummt und summt

Eine blühende Wiese, im Hintergrund Spaziergänger.

Stadtwiesen brauchen Pflege, häufig in Handarbeit

Das Ergebnis kann sich nach wie vor sehen lassen: Im Frühjahr und im Sommer sprießt an der Ecke Aachener Straße/Innere Kanalstraße ein leuchtend-buntes Blumenmeer. Als Volker Unterladstetter zusammen mit dem Nabu-Stadtverband Köln vor rund acht Jahren die Idee verkündete, die ehemalige Rasenfläche in eine Wildblumenwiese umzuwandeln, ernteten sie vor allem Skepsis, seitens der Bürger genauso wie seitens der Stadt. Ist das nicht unordentlich? So lautete eine typische Reaktion. „Das zeigt, wie sehr sich der Blick auf Naturschutz und Artenvielfalt verändert hat“, sagt Unterladstetter, der inzwischen nicht nur ehrenamtlich für den Stadtverband, sondern auch hauptamtlich für die Nabu-Naturschutzstation Leverkusen-Köln arbeitet. Denn es dauerte nicht lange, bis das Grünflächenamt die Stadtwiesen zu ihrer Sache erklärte, in fast allen Bezirken gebe es in Parks und Grünanlagen nun genau solche Blühwiesen, erzählt Unterladstetter. Und das entsprechende Wissen, wie die Flächen gepflegt werden müssen, nämlich regelmäßig, behutsam und häufig in Handarbeit. Das Ergebnis ist nicht nur schön fürs Auge – sondern hilft auch Schmetterlinge, Bienen, Hummeln und Vögeln.

Im Netz: www.nabu-koeln.de/projekte/wiesenprojekt/

Superblock statt Betonwüste: Weniger Autos und mehr Grün im selbsternannten „Winzerveedel“

Grafische Visualisierung der Umgestaltung im Winzerveedel.

So grün könnte es zukünftig vor der Grundschule Pfälzerstraße aussehen.

Lange Zeit hatte das Veedel zwischen Kwartier Latäng und der Südstadt gar keinen Namen. „Wir waren dieses vergessene Viertel im Schatten des Barbarossaplatzes“, erinnert sich Clara Walther von der Interessensgemeinschaft Winzerveedel. Inzwischen hat das Viertel nicht nur eine inoffizielle Bezeichnung, angelehnt an Straßennamen wie Burgunderstraße oder Pfälzer Straße, die allesamt an Weingebiete erinnern. Das Winzerveedel hat auch einen ambitionierten Plan. Es möchte Kölns erstes „Superveedel“ werden, wie die „Superblocks“ in Barcelona. Das Konzept gilt derweil als wegweisend für eine lebenswerte und klimafreundliche Stadtplanung. Innerstädtische Areale werden zu Blocks zusammengefasst und für den Verkehr entweder ganz gesperrt oder durch Einbahnstraßenführungen und Schritttempo verkehrsberuhigt. Plätze und Kreuzungen werde begrünt und mit Sitzgelegenheiten versehen. Fußgänger und Fahrradfahrer haben den Vorrang. „Bei uns im Viertel gibt es bisher kaum Grün, sehr viel versiegelte Asphaltflächen und viel Durchgangsverkehr, vor allem rund um die Grundschule“, sagt Walther. Sie war dabei, also die Superblock-Idee bei einem Chorausflug der Grundschule Pfälzerstraße entstand. Circa 20 Anwohnerinnen und Anwohner zählen inzwischen zum Kernteam der Interessensgemeinschaft. Es gibt eine Webseite, einen Instagram-Kanal und einen 18-seitigen Bürgerantrag bei der Stadt Köln, das Winzerveedel zu einem Superblock umzugestalten. Der wird derzeit geprüft, erzählt Walther. Am 23.9. wird es einen Aktionstag geben, auf dem die Interessensgemeinschaft ihre Idee präsentieren möchte.

Im Netz: https://www.superblock-winzerveedel.de/

Engagement digital sichtbar machen: Die App „Walby“ will Bürger-Initiativen in Köln vernetzen

SWcreenshots der App Walby, bereitgestellt von Silker KAchtik für einen Artikel über Engagement in Köln.

Die App „Walby“: Auf die Beta-Version folgt im Herbst das Update

Die Stadt Köln mag Mängel haben. Aber woran es ihr mit Sicherheit nicht mangelt, sind kreative Ideen, diese Mängel zu beheben. „Unsere neue App Walby will genau dieses soziale, ökologische und kulturelle Engagement in der Stadt sichtbar machen“, sagt Silke Kachtik, CPO der „Drop2Space GmbH“, die die App entwickelt. Auf einer interaktiven Karte kann zukünftig jede und jeder sein persönliches Engagement für eine lebenswertere Stadt eintragen, als Inspiration und auch um Aktionen gezielt voranzutreiben. Das kann etwas Kleines sein, wie ein Urban-Garding-Projekt oder eine Aufräumaktion im Veedel. Oder in naher Zukunft auch eine eigens erstellte Route, zum Beispiel entlang aller Food-Sharing-Stationen der Stadt, die man mit anderen teilt. „Und die Nutzerinnen und Nutzer sollen auch die Möglichkeit bekommen, Verbesserungsvorschläge für Missstände zu markieren, ein nice to have für Köln“, sagt Kachtik. Aktuell steht eine Beta-Version im App-Store, im September wird dann ein verbessertes Update veröffentlicht, zum „Rhine Cleanup Day“. Walby steht für „World a little better by you“, noch treffender wäre: Köln a little better by you.

Im Netz: https://www.walbyapp.com/

Leben und leben lassen: Die „KG Ponyhof“ feiert für den guten Zweck

Ein Weinfest mit vielen Gästen im Hof der Kartäuserkirche.

Trinken für den guten Zweck im Weingarten im Hof der Kartäuserkirche

Zu einem lebenswerten Leben in der Stadt gehört nicht nur schattiges Grün und ansprechende Plätze ohne Müll – sondern auch das Gemeinschaftsleben. Und das ist die Spezialität der „KG Ponyhof“ aus der Südstadt. Ein etwas anderer Karnevalsverein, der neben seiner Karnevalsaktivitäten gleichzeitig Treffpunkte schafft, wie den kleinsten Weihnachtsmarkt der Stadt, den Weingarten im Hof der Kartäuserkirche oder das Sommerfest am Baui in der Südstadt. Was diese Events gemein haben: Alles wird ehrenamtlich organisiert und die Gewinne werden komplett gespendet. Für Projekte, über die die KG intern abstimmt. „Es wird oft vergessen, wie wichtig dieses Zusammensein für ein gutes Stadtklima ist“, sagt Joline Schmitz von der „KG Ponyhof“, „dazu zählen Feste, aber auch Orte wie Spielplätze, die Außengastronomie oder Angebote für die Nachbarschaft.“ Begegnungen, meint Schmitz, bei denen sich Menschen direkt miteinander austauschen könnten, anstatt Scheuklappen-Diskussionen in Sozialen Medien zu führen.

Im Netz: https://kg-ponyhof.koeln/

Die „Agora“: Dreh- und Angelpunkt für Engagement in Köln

Menschen sitzen in Ehrenfeld in Sesseln auf der Straße.

Der Tag des guten Lebens: die Straße als Treffpunkt statt Autoverkehr

Mit einem „Tag des guten Lebens“ in Ehrenfeld hat vor zehn Jahren alles angefangen – ein autofreier Sonntag, an dem Anwohner, Initiativen und Gäste ihre Ideen über eine vielfältigere Stadtgesellschaft austauschen und ausprobieren können. Seither findet der Tag immer in einem anderen Viertel statt - nach einer Corona-Pause in diesem Jahr am 17.9. in Nippes. Darüber hinaus hat die „Agora“ mit dem Projekt „Das gute Leben in den Veedeln“ Menschen und Initiative in allen Vierteln der Stadt bei der Verwirklichung ihrer Projekte betreut. Mit Workshops, Podcasts und dem „Werkzeugkoffer“, einem Guide für Aktionen, die das Stadtleben schöner machen. In einem Online-Wiki kann sich jede Nachbarschafts-Initiative hier Inspiration für Engagement holen, von der Erwirkung politischer Beschlüsse über Workshops im öffentlichen Raum bis hin zu sogenannten „Parklets“. Ein solches Stadtmöbel zum Verweilen hat zum Beispiel die Initiative „Wir am Klettenplätzchen“ auf dem gleichnamigen Platz in Klettenberg errichtet. Die „Agora“ ist damit auch ein zentraler Knotenpunkt, an dem gesellschaftliches Engagement in Köln zusammenläuft. 160 Organisationen sind Mitglied, die im regelmäßigen Austausch stehen. „Im Kern geht es darum, Initiativen zu bündeln und Veränderung in einer Stadt zu erzeugen, die über das übliche Klein-Klein hinausgeht“, sagt Martin Herrndorf, der für die „Agora“ Projekte mitentwickelt und betreut.

Im Netz: https://www.agorakoeln.de/

Weniger Verkehr, weniger Lärm: „Wielebenwir“ verleiht gratis Lastenräder

Foto der Kasimir-Lastenradflotte am Rhein.

Kasimir-Lastenräder können gratis ausgeliehen werden

Als Florian Egermann und sein Team 2013 die Idee für das Projekt „Kasimir – Dein Lastenrad“ hatten, war der Verleih von Lastenrädern als Transportalternative zum Auto noch kein großes Thema. Dass sich das inzwischen geändert hat, hat mit der Pionierarbeit der Initiative aus Köln zu tun. Angefangen hat es mit einem einzigen Lastenrad, das über die eigens erstellte Buchungssoftware ausgeliehen werden konnte, heute sind es 15. Ihre Erfahrungen mit dem Projekt haben die Macherinnen und Macher von „wielebenwir e.V.“ vielfach weitergegeben. Das ursprüngliche Ziel ist geblieben: Weniger Autos in der Stadt bedeutet mehr Platz für gesellschaftliches Leben. Und weniger Lärm. „Städte sind ja gar nicht laut“, sagt Egermann, „Autos sind laut.“

Im Netz: www.kasimir-lastenrad.de und www.wielebenwir.de

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