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Interview„Das Hausfrau-Sein wird zelebriert“

2 min

Dr. Claudia Groß ist Assistenz-Professorin am Institut für Managementforschung an der Universität Nijmegen.

Frau Dr. Groß, sind die totgesagten Tupperpartys tatsächlich wieder in Mode?

Claudia Gross: Zumindest bieten immer mehr Unternehmen diesen Vertriebsweg an. Der Direktvertrieb boomt vor allem dann, wenn viele Leute auf Jobsuche sind, denn die Unternehmen werben damit, dass man bei ihnen gut Geld verdienen kann.

Und, stimmt das?

Gross: Es gibt Menschen, die exzellent verkaufen können und damit bei Tupper und Co. sehr gut verdienen. Andere kommen mitunter nur auf einen Stundenlohn von fünf Euro und weniger.

Mit welchen Tricks und Strategien arbeiten die Verkäufer?

Gross: Allein die Bezeichnung Party statt Verkaufsveranstaltung suggeriert ein privates Treffen. Die Gastgeschenke wirken wie eine soziale Verpflichtung. Auch als Gastgeberin fühlt man sich verpflichtet, dass auf der eigenen Party Umsatz generiert wird. Durch die Tatsache, dass die potenziellen Käuferinnen aus dem Bekannten-, Freundes- und Familienkreis kommen, wird für alle Beteiligten ein gewisser sozialer Druck aufgebaut. Das ist anders als im Supermarkt, wo ich mir anonym Waren in den Wagen lege. Aus diesem Grund wird dieser Vertriebszweig ja auch Empfehlungsmarketing genannt. Die sozialen Strukturen der Partyteilnehmer werden für den Verkauf genutzt.

Welche Rolle spielt die Gastgeberin am Verkaufsabend?

Gross: Sie hat die meiste Arbeit: Sie muss für das Buffet einkaufen, Essen vorbereiten, das Wohnzimmer herrichten – und später alles aufräumen. Das ist von den Unternehmen clever gelöst, denn so lagern sie große Teile der Verkaufsarbeit aus. Die Gastgeberin bekommt für ihren Einsatz natürlich Prämien – die wiederum meist abhängig vom Abend-Umsatz sind.

Prämien müssen nicht unbedingt schlecht.

Gross: Nein, Homeshopping-Partys überhaupt sind für viele ein sozialer Gewinn. Eine Bindung unter den Teilnehmern wird geschaffen, man hat ein gemeinsames Erlebnis mit den Freundinnen. Auch ich erzähle immer noch gerne die Anekdoten meiner eigenen Tupperpartys. Solche Abende haben oft einen hohen sozialen Wert. Sie sind einer der seltenen Orte, wo das Hausfrau-Sein zelebriert wird. Die Frauen kaufen ja nicht nur, sie erzählen und tauschen sich aus.

Eine Branche mit Zukunft?

Gross: Was auffällt, ist die fehlende Transparenz. Es gibt kein Kontrollgremium, keine Beschwerdestelle, kein Verband, dem alle Direktvertriebsunternehmen angehören. Die Verkäufer arbeiten selbstständig, demzufolge gibt es auch keine Gewerkschaft. Die Frage ist, wie langanhaltend die Handelsvertreter-Jobs sind. Sehr viele hören im ersten Jahr ihrer Tätigkeit wieder auf.

Das Gespräch führte Christina Rinkl