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InterviewGlanz für Gebrauchtes

Lesezeit 3 Minuten

Anke Landsberg arbeitet als Innenarchitektin.

Frau Landsberg, woher rührt dieser massive Wunsch, sich mit alten Möbeln zu umgeben?

Anke Landsberg: Viele Menschen haben alte Möbel geerbt. Die haben natürlich Geschichte und verbinden mich vielleicht mit positiven Erinnerungen. Das muss heute nicht immer der zerlegbare Nussbaumschrank der Jahrhundertwende sein, sondern manchmal ist es auch das 70er-Jahre-Esszimmer der Eltern. Oder man sucht etwas Gebrauchtes, was an ein nicht mehr verfügbares Möbel erinnert.

Pure Nostalgie?

Landsberg: Es ist heute ein Wunsch besonders jüngerer Leute, sich der Wegwerfgesellschaft zu verweigern und sich ein Wohnumfeld zu schaffen, das nicht wie aus dem Katalog wirkt. Mit altmodischen Möbeln oder dem Shabby Chic verbinden viele Leute emotionale Wärme und Individualität. Widersinnig ist es da natürlich, wenn besonders preiswerte Möbeldiscounter diesen Trend mit scheinbar gebrauchten Möbeln aufgreifen. Aber der nur modisch orientierte Kunde schluckt es ja.

Welchen Einfluss hat die große Nachfrage nach Vintage auf den Möbelmarkt?

Landsberg: Die Preise für Klassiker sind enorm gestiegen. Man kann auf Kalaydo oder bei Kleinanzeigen-Anbietern im Netz immer noch Schnäppchen machen, aber dafür muss man viel Zeit investieren, sich auskennen, wenn es etwas Wertstabiles sein soll, oder einfach den eigenen Vorlieben folgen. In größeren Städten gibt es gut sortierte Vintage-Anbieter. Aber weil die sich auskennen, sind die Preise auch hoch. Wer Zeit hat, der sollte beim Entrümpler vorbeischauen. Der Online-Markt ist zudem riesig. Bei Ebay sind viele Läden auch vertreten. Da sollte man nach einem Klassiker suchen und dann das Gesamtsortiment des Anbieters durchforsten, um eine günstigere Alternative zu finden.

Welche Klassiker sind nach wie vor gefragt?

Landsberg: In der breiten Masse sind das vor allem Klassiker der Moderne: Sachen von Ray und Charles Eames, Mies van der Rohe, Le Corbusier, Alvar Alto und anderen aus diesem Umfeld. Die Entwürfe dieser Architekten und Designer werden zum Teil von den Originalfirmen, zum Teil in neuen Lizenzen immer noch hergestellt und seit fast 20 Jahren auch verstärkt beworben. Erst vor kurzem hat Fritz Hansen den wunderbaren Stuhl Drop von Arne Jacobsen wieder aufgelegt, der 1958 nur für das SAS Hotel hergestellt wurde.

Wie schwierig ist es, Kopien zu erkennen?

Landsberg: Bei neu produzierten Klassikern ist das gar nicht schwierig. Wenn man es sich leisten kann, sollte man auf die Firmen zurückgreifen, die Originallizenzen haben. Der Qualitätsunterschied zu den Kopien ist meist groß. Außerdem ist die Wertstabilität viel höher. Die meisten Hersteller von Originalen haben heute eine nicht entfernbare Markierung. Das ist bei alten Stücken eher nicht der Fall. Abbildungen aus der jeweiligen Zeit können helfen, auf Details genau zu achten. Also ruhig mal ein Buch zu dem Thema kaufen.

Welche Fehler werden bei der Kombination von Alt und Neu gemacht?

Landsberg: Zu viele Stile auf zu engem Raum sind fast immer problematisch. Oft wird auch der Charakter der Räume ignoriert, das finde ich als studierte Architektin besonders schade. Empfehlenswert ist es dagegen, Gegensätze in Szene zu setzen. Etwa eine schlichte Grundmöblierung in ähnlichen Materialien und ein auffälliger Hingucker. Oder ein einfacher Tisch mit besonderen, verschiedenen Stühlen. Auch Farbe verbindet: Eine kräftige Wandfarbe gibt einem alten Stück eine Bühne und Gebrauchsspuren Glanz. Oder platzieren Sie einfach mal Accessoires in der gleichen Farbe auf der alten Kommode und dem modernen Sofa.

Das Gespräch führte Ina Henrichs