Interview mit Lea Schmitz vom Tierschutzbund„Wildlebende Katzen leiden“

Die wohl berühmteste Katze des Internets ist Grumpy Cat.
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Frau Schmitz, in einigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen gibt es bereits eine Kastrationspflicht für Hauskatzen mit Freigang. Nach Wunsch von Umweltminister Johannes Remmel (Die Grünen) sollen es noch mehr werden. Ist das Problem der freilebenden Katzen in NRW wirklich so groß?
Nicht größer als in den anderen Bundesländern auch. Vielmehr stellt sich das Land dem Problem. Wie auch schon andere Bundesländer hat NRW seinen Kommunen die Möglichkeit gegeben, Kastrations-Verordnungen zu erlassen. Als erstes Bundesland gibt es ihnen aber auch wirklich etwas an die Hand, um die auch durchzusetzen.
Lea Schmitz ist Pressereferentin beim Deutschen Tierschutzbund in Bonn.
Für dieses Vorhaben hat es aber auch viel Kritik gehagelt. Die Kommunen sollen zunächst freilebende Katzen zählen und kastrieren – das kostet viel Zeit und Geld. Was rechtfertigt diesen Einsatz?
Freilebende Katzen leiden. Auch wenn sie schon seit mehreren Generationen frei leben, sind es trotzdem noch domestizierte Tiere, die alleine nicht gut zurechtkommen. Viele sind unterernährt und haben Krankheiten, die sich auf Hauskatzen übertragen können. Das Gesetz sieht vor, dass zunächst die Population der freilebenden Katzen erfasst werden muss, bevor man eine Verordnung zur Kastrationspflicht erlassen kann. Insofern ist es legitim, mit einer Bestandsaufnahme zu starten.
Und wie soll die Aktion den wildlebenden Katzen helfen?
Wenn es irgendwo vermehrt freilebende Tiere gibt, die unternährt oder krank sind, können die Kommunen eine Kastrationspflicht einführen für Hauskatzen mit Freigang. Unkastrierte Hauskatzen tragen sonst dazu bei, dass sich die Population der freilebenden Tiere weiter aufrechterhält, indem sie sich mit ihnen paaren.
Woher wissen die Tierschützer, dass es tatsächlich wildlebende Katzen sind, die ihnen da ins Netz gehen, und nicht etwa unkastrierte Freigänger?
Freilebende Tiere sind viel scheuer als Hauskatzen, die den Kontakt zum Menschen gewöhnt sind. Im Idealfall sind Hauskatzen natürlich auch registriert und gechipt. Wilde Katzen sind weniger gut genährt, struppiger oder zeigen Anzeichen von Krankheiten. Wenn man ein Auge dafür hat, erkennt man den Unterschied ganz gut.
In den Kommunen, in denen es die Kastrationspflicht für Hauskatzen mit Freigang bereits gibt: Haben sich da Erfolge gezeigt?
Ja. Bei uns in Bonn gibt es zum Beispiel die Kastrationspflicht. Das Tierheim hat uns bestätigt, dass die Population von freilebenden Tieren seither eindeutig zurückgegangen ist. Aber konkrete Zahlen gibt es bislang nicht.
Wie kontrollieren die Städte, ob sich die Katzenbesitzer auch an die Pflicht halten?
Das ist schwierig, weil man es den weiblichen Katzen nicht ansieht. Den Katern schon eher. Man hofft, dass es durch das Gesetz in die Öffentlichkeit und ins Bewusstsein der Leute rückt. Eine Möglichkeit, das zu kontrollieren, wäre der EU-Heimtierausweis. Wenn der Besitzer das Tier zum Tierarzt bringt, kann der anhand dieses Ausweises kontrollieren, ob es gechipt, registriert und kastriert ist. Wenn jemand mit seiner Katze nie zum Tierarzt geht, lässt sich das aber praktisch nicht kontrollieren.
Die Bundesregierung empfiehlt in ihrem aktuellen Tierschutzbericht ebenfalls eine Kastrationspflicht. Wäre es nicht sinnvoller, man würde flächendeckend ein entsprechendes Gesetz erlassen, statt die Entscheidung den Kommunen zu überlassen?
Auf jeden Fall. Momentan haben wir eher eine Art Flickenteppich.
Ihr Appell an Katzenbesitzer?
Die Tiere immer kastrieren lassen! Bei weiblichen Katzen machen es die Leute oft schon von sich aus, weil sie nicht wollen, dass sie irgendwann Nachwuchs im Haus haben. Bei Katern ist es schwieriger. Wenn der Kater irgendwelche freilebenden Katzen deckt, hat man als Halter ja nicht direkt etwas damit zu tun. Da ist es schon enorm viel leichter, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Man muss sich aber bewusst machen, dass man mit diesem Verhalten die freilebenden Populationen immer weiter aufrechterhält. Und das ist mit Leiden für die Tiere verbunden.
Sicher scheuen viele Besitzer auch aus Liebe zum Tier vor einer Kastration zurück. Es ist immerhin ein chirurgischer Eingriff.
Aber ein Routine-Eingriff. Er ist nicht teuer, einmalig, und man schränkt sein Tier dadurch auch nicht ein. Es hat sogar den Vorteil, dass man Katern Stress erspart, weil etwa Revierkämpfe ausbleiben. Und die Katze wird nicht mehr ständig rollig.
Ist es eine Alternative, die Katzen einfach in der Wohnung zu halten?
Nein. Zum einen kann auch eine Katze, die nur im Haus ist, mal entwischen und sollte daher ebenfalls kastriert werden. Zum anderen ist die Wohnungshaltung auch nicht ideal für Katzen.
Es gab erst vor einigen Monaten, ebenfalls auf Veranlassung von Johannes Remmel, die Änderung im nordrhein-westfälischen Jagdgesetz, dass Katzen nicht mehr abgeschossen werden dürfen. Zuvor wurden immerhin 7500 Katzen pro Jahr von Jägern getötet. Verstärkt sich das Problem durch diese Gesetzesänderung nicht noch?
Aus Tierschutzsicht ist dieses Verbot ein großer Erfolg. Der Abschuss wird ja von den Jägern unter anderem damit begründet, dass Katzen Jagd auf Singvögel und Bodenbrüter machen. Wie groß der Einfluss ist, den Katzen tatsächlich auf deren Population haben – dazu gibt es zwar Studien, aber die sind nicht wirklich aussagekräftig. Der Mensch selbst trägt viel stärker zur Dezimierung dieser Tiere bei, indem er ihre Lebensräume zerstört. Wenn ich eine Kastrationspflicht habe, habe ich ja ein ähnliches Ziel wie bei der Jagd – nämlich ein verstärktes Wachstum der Population frei lebender Katzen zu verhindern – nur ist die Kastration natürlich viel tierfreundlicher.
Das Gespräch führte Jasmin Krsteski