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Interview mit Wolfgang HeinenPassiv trainieren mit der Thai-Massage

Lesezeit 4 Minuten

Gründete 1993 die Stadtwaldpraxis in Köln-Braunsfeld: Wolfgang Heinen.

Herr Heinen, es heißt, viele Chiropraktiker und Osteopathen nutzen die Thai-Massage, um sich die bei ihrer Arbeit verlorengegangene „Energie“ zurückzuholen. Wie ist das zu verstehen?

Ich bin ursprünglich Heilpraktiker und habe mich von der energetischen Schiene immer ferngehalten, weil ich dazu wenig Zugang habe. Aber auf der biomechanischen und medizinischen Ebene kann ich sagen: Die Thai-Massage macht sehr viel mit dem Körper und dem Nervensystem, da passiert einiges.

Inwiefern?

Wolfgang Heinen lehrte zwölf Jahre Chiropraktik und Osteopathie an der Schule des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker. 1993 gründete er die Stadtwaldpraxis in Köln-Braunsfeld.

Die Masseure berühren mit ihrer Behandlung Gelenke, Muskeln und gelenkumgebende Strukturen, so dass nach einer guten Massage Verspannungen und Blockaden gelöst sind und die Beweglichkeit erhöht ist. Sie wenden auch Faszientechniken an.

Können Sie diese Techniken genauer erklären?

Es sind Behandlungstechniken, die erst in den vergangenen 15 bis 20 Jahren entwickelt wurden. Mittlerweile sind sie aber verbreitet und werden bei ganz unterschiedlichen Symptomen angewendet. Es handelt sich um eine Bindegewebsbehandlung mit Verbesserung der Gleitfähigkeit von Gewebeschichten. Das Ziel ist, dass die Behandelten schmerzfreier werden und bleiben. Man muss sich die Faszien als umhüllende Häute vorstellen, die die Muskulatur umgeben, dann als Band ein Gelenk stabilisieren und wieder als Gleithülle ein Organ umschließen. Sie verlaufen durch den ganzen Körper und haben eine sehr flexible Struktur, können Spannungen übertragen und ausgleichen und erfüllen im Körper eine wichtige Funktion. In der Thai-Massage werden Techniken angewendet, die die Gleitfähigkeit verschiedener Gewebeschichten verbessern.

Das lässt sich doch mit Yoga-Übungen auch erreichen.…………

Ja, das hat eine ähnliche Qualität, nur dass man Yoga aktiv macht. Thai-Massage nicht, man begibt sich in fremde Hände.

Fernöstliche Entspannungstechniken boomen, wie erklären Sie sich das?

Ein Vorteil der Thai-Massage ist, dass sie sehr vielfältig ist. Der Unterschied zur Behandlung mit Chiropraktik ist, dass es sich um eine allgemeine Therapie handelt, die zwar nicht auf ein individuelles Problem eines bestimmten Menschen eingeht. Aber sie berührt Problembereiche des Körpers, die beinahe jeder Mensch hat – durch unsere Haltung, durch Arbeits- oder Freizeitbelastungen, innere Spannungen, durch Stress und Traumen. Also durch alles, was unseren Körper im Lauf des Lebens fester und unbeweglicher macht.

Der Druck, den die Masseure ausüben, was passiert da genau?

Am Muskel gibt es Dehnungsrezeptoren, besonders am Anfang und am Ende – an den Sehnenübergängen. Die Rezeptoren melden gewöhnlich, wenn ein Muskel zu viel Spannung hat. Wenn das aber dauerhaft passiert, verliert sich dieses Signal. Wenn man hier hohen Druck ausübt und die Fasern dehnt, werden diese Rezeptoren wieder angesprochen.

Was passiert noch?

Die Durchblutung wird angeregt, der Lymph- wie auch der venöse Abfluss wird gefördert. Beweglichkeiten werden passiv trainiert.

Wem raten Sie ab von Thai-Massagen?

Patienten mit schwereren Venenleiden – wegen des Thromboserisikos. Auch wer an Melanomen oder anderen Hauterkrankungen leidet, sollte vorsichtig sein. Bei fortgeschrittenem Gelenkverschleiß (Arthrose) können die doch recht intensiven Beuge- und Dehnbewegungen die Gelenkstrukturen reizen. Auch bei Schwangeren muss man einige Regeln berücksichtigen.

Woran merkt man, ob eine Thai-Massage richtig gemacht wurde?

Es ist keine Wellness-Einheit. Danach fühlt man sich erst mal behandelt, auch weil es viele intensive Dehnungen gibt, die sind immer belastend für das betroffene Gewebe. Aber im Nachhinein sollte man sich leichter und besser fühlen.

Ist ein Gefühl wie Muskelkater normal?

Das kann vorkommen, wenn stark gedehnt oder stark in die Muskulatur hineingearbeitet wurde, mit den Ellenbogen oder Knien. So können kleine Mikrofaserrisse entstehen, die man durchaus wie Muskelkater empfinden kann. Die Kunst ist, das richtig zu dosieren.

Woran erkenne ich einen guten Masseur?

An seinem Feingefühl, ob er den Druck und die Kraft richtig dosiert, das ist das A und O. Und ob die Techniken gut ausgeführt werden – Ob sie nur oberflächlich erledigt werden oder bis zum letzten Druckpunkt konzentriert gearbeitet wird. Schließlich an der Wirkung – Geht es mir nach einer ersten Phase der Nachwirkungen besser? Grundsätzlich gilt: Die Techniken sind im Allgemeinen gut und ausgereift, die Umsetzung ist eigentlich das Problem. Gewisse Standards in der Ausbildung zu setzen, finde ich sehr sinnvoll. Dazu gehören neben einem guten Repertoire an Techniken vor allem das Wissen um Gegenanzeigen und die Sprachkompetenz.