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Interview„Viktoria hat mich gerettet“

Lesezeit 7 Minuten

Heiner Lauterbach mit seiner Frau Viktoria

Herr Lauterbach, Sie waren früher bekannt als wilder Party-Gänger. Jetzt haben mit Ihrer Frau Viktoria ein Fitness- und Ernährungsbuch geschrieben. Glauben Sie, dass Ihr Vorleben eher ein Vor- oder ein Nachteil ist, um so ein Buch zu verkaufen?

Heiner Lauterbach Ich will ja niemanden bekehren. Aber wenn jemand vorhat, sein Leben zu verändern – unter Umständen sogar drastisch wie ich es getan habe – kann er da Anleitungen finden. Wenn ich das noch einmal machen würde, würde ich jemanden zurate ziehen, der eine richtige Kehrtwendung gemacht hat. Es ergibt wenig Sinn, wenn man einen Zehnkämpfer fragt, der sein ganzes Leben lang gesund gelebt hat. Das kann man als Normalsterblicher ja gar nicht mehr aufholen.

Was war bei Ihnen denn genau der Punkt, an dem Sie beschlossen haben, Ihr Leben zu ändern?

Heiner Lauterbach Das war ein schleichender Prozess. Meine Frau spielt dabei auch eine Rolle.

Im Buch wirkt es so, als wären Sie, Frau Lauterbach, der Engel, der gekommen ist, um Heiner Lauterbach zu retten. Das ist auch ein bisschen so gewollt, oder?

Viktoria Lauterbach Nee, überhaupt nicht. Ich bin tatsächlich so. Ich lebe und zelebriere das und versuche, dass es auf alle abfärbt. Ich habe immer schon ein gutes Gefühl gehabt, wenn ich einen Salat gegessen habe. Also habe ich mich gesund ernährt.

Viktoria und Heiner Lauterbach: „Forever Fit“, GU Verlag, 159 Seiten, 16,99 Euro

Das Wort „Helfersyndrom“ kommt im Buch mehrmals vor. Sie, Frau Lauterbach, wollten helfen, und Sie, Herr Lauterbach, wollten Hilfe. Ist das so?

Heiner Lauterbach Das Zusammentreffen mit Viktoria war eine sehr glückliche Fügung. Von allen hormonellen und seelischen Dingen mal abgesehen war das genau zur richtigen Zeit der richtige Mensch für mich, um mir in die Steigbügel zu helfen – und mehr noch. Es ist müßig, darüber nachzudenken, ob ich überhaupt noch wäre und wenn, wo ich wäre – vielleicht unter der Brücke – wenn Viktoria nicht da wäre.

Viktoria Lauterbach Ich bin niemand, der bis in der Früh ausgeht. Wenn du keinen Alkohol trinkst, bist du einfach irgendwann mal müde. Das hat schon mal geholfen. Am Anfang war es ein Kampf, ihn dazu zu bewegen, um eins mit nach Hause zu gehen. Manchmal hat er mich auch ausgetrickst. Da waren wir im Zimmer und er sagte: „Du, ich komm gleich wieder“ und ist dann gar nicht gekommen! Da hat der Til Schweiger oder irgendwer angerufen und er war plötzlich in einer Spielbank und kam nicht mehr.

Warum heißt ihr Buch eigentlich „Forever Fit“?

Viktoria Lauterbach Die meisten Menschen haben einen Denkfehler. Die sagen: „Ich habe fünf Kilo zu viel, jetzt mache ich eine Diät.“ Mit der Diät komme ich aber nicht weit. Man muss sein Verhalten von Grund auf ändern. Was wir mitteilen wollen ist: „Du kannst für immer fit sein, wenn du dich von Grund auf anders ernährst und dich mehr bewegst.“

Man kann also jederzeit starten?

Heiner Lauterbach Ja. Speziell auch, wenn man ein extrem ungesundes Leben führt. Das ist mir ja letztendlich passiert. Ich hatte oft Tage, an denen ich dachte, dass in meinem Leben nicht mehr viel passiert. Du gibst dir eigentlich nicht mehr viel Zeit. Wenn ich heute zum Arzt gehe, ist der jedes Mal aus dem Häuschen über meine Blutwerte. Es ist unglaublich, wie sich der Körper regeneriert. Wozu der bereit ist, die Augen noch mal zuzudrücken und die Kehrtwendung einzuläuten. So lange die Organe nicht ernsthaft angegriffen sind, ist alles machbar. Es ist nie zu spät. Und das ist glaube ich etwas, dass vielen Leuten nicht bewusst ist. Die meinen, sie sind schon über den Zenit hinaus und das bringt nichts mehr.

Enorm, dass Sie schon an das Ende Ihres Lebens gedacht haben.

Heiner Lauterbach Ja, das war in der Tat so. Das sage ich jetzt nicht nur, weil es sich gut anhört. Es ist wirklich unglaublich, wie der Körper den Schalter umlegen kann und sich selbst regeneriert.

Sie sagen in Ihrem Buch: „Gesund zu leben ist genauso einfach wie ungesund zu leben.“ Kann das Gefühl, klar im Kopf und leistungsfähig zu sein, ein Antrieb sein?

Heiner Lauterbach Ja. Und man sieht auch besser aus, vor allem die Haut. So ein klarer Kopf und schnelle Beine sind schon auch sehr angenehm. Es kommt ja nicht nur darauf an, wie alt man im Leben wird, sondern auch, wie.

Könnte das Älterwerden auch der Grund für die Kehrtwende sein?

Heiner Lauterbach Die ewige Jugend zurückkaufen kann man sich nicht. Aber man wird erfahrener. Alles zu seiner Zeit im Leben. Ich bereue eigentlich gar nichts. Ich würde nur sagen, dass die wilde Zeit etwas kürzer hätte ausfallen können. Dass man sie erlebt, finde ich wunderbar, aber man muss sie jetzt nicht 40 Jahre lang erleben, 20, 25 Jahre hätten es vielleicht auch getan. Ich finde, man kann alles machen, wenn man rechtzeitig damit aufhört. Wobei man definitiv nicht alles machen muss. Rauchen zum Beispiel ist eine verhältnismäßig dumme Angewohnheit, die sehr schwer wieder los zu werden ist.

Könnte Sport für Sie zur neuen Sucht, zum neuen Exzess werden?

Heiner Lauterbach Eher weniger. Bei den Süchten ist es ja so, dass sie ja doch irgendwie Spaß machen, zumindest am Anfang. Diese große Euphorie beim Sportmachen stellt sich ja nicht wirklich ein. Es sei denn, man macht beim Golfspielen einen besonders tollen Schlag. Aber bei den Ausdauersportarten warte ich noch auf die Ausschüttung der Endorphine.

Sympathisch, dass Sie sich zum Sport aufraffen müssen. Das bewahrt Sie vor dem Missionieren.

Heiner Lauterbach Missionarisch zu sein liegt mir sehr fern. Es ist mitnichten so, dass ich jedem sage: „Leb’ doch bitte gesund.“ Das ist mir eigentlich wurscht.

Das Programm in Ihrem Buch ist extrem durchgetaktet. Kann das nicht manche abschrecken?

Heiner Lauterbach Man muss sich ja nicht exakt daran halten, es ist nur eine Hilfestellung. Jeder Liegestütz, jede Kniebeuge und jeder Klimmzug, den man macht, ist gut. Auch, wenn man mal drei Tage nichts gemacht hat, ist das kein Grund aufzuhören. Eine Pause zu machen heißt nicht: „Jetzt kann ich auch ganz aufhören.“

Genau das bringt aber viele Leute bei einer Diät zum Aufgeben.

Heiner Lauterbach Das ist das gleiche, wenn Sie aufhören zu rauchen und dann doch an einem Abend mal eine Zigarette in der Hand haben. Das ist kein Grund, jetzt weiter zu rauchen.

Der Wandel dauert also seine Zeit. Die Entscheidung dazu sollte man aber ganz rabiat treffen, schreiben Sie in Ihrem Buch.

Heiner Lauterbach Die Entscheidung ja. Wenn man aber kleine Scheiterpunkte drin hat, ist das nur menschlich.

Wie diszipliniert sind Sie denn selbst mit Ihren Übungen?

Heiner Lauterbach Maximal fünfmal die Woche mache ich Sport. Kommt darauf an, wo ich bin, wie die Möglichkeiten sind. Unsere Übungen sind auch gut für unterwegs geeignet, weil man das auf kleinstem Raum und ohne Geräte machen kann.

In Ihrem Buch spielen Smoothies auch eine große Rolle. Warum?

Heiner Lauterbach Im Smoothie sind die Fasern sehr gut zerkleinert. So gut kann man einen Salat oder Gemüse nicht kauen.

Viktoria Lauterbach Es schmeckt gut, sättigt und macht sehr leistungsfähig. Wenn sich alle Leute im Büro einmal am Tag einen Smoothie machen würden, statt Kaffee zu trinken, wären wir viel fitter.

Herr Lauterbach: Heute Smoothies, früher Wodka: Vermissen Sie irgendetwas an den alten Zeiten?

Heiner Lauterbach Nein. Einerseits weil ich sie erlebt habe, worüber ich froh bin, andererseits, weil ich jetzt nicht das Gefühl bekomme, etwas verpasst zu haben. Ich kann jetzt ruhigen Gewissens sagen: „Du hast nichts versäumt.“

Wo sind Sie denn damals in Köln gerne ausgegangen?

Heiner Lauterbach In Köln kenne ich jede Kneipe. Als es auf der linken Rheinseite kaum noch ein Lokal gab, wo wir noch keinen Deckel hatten, sind wir auf die rechte Seite ausgewichen.

Und Ihre Lieblingsläden?

Heiner Lauterbach Viele. Ich war ja 30 Jahre lang hier unterwegs. Das „Exil“ zum Beispiel, „Die kleine Glocke“, „Schmidtchen“, „Hatsch“, „Roxy“ und natürlich der „Lovers Club“. Da bin ich 1971 hingegangen.

Das war bestimmt super, 1971 im „Lovers Club“.

Heiner Lauterbach Das war die beste Disco der Welt! Da waren total ausgeflippte Typen, ähnlich wie im Studio 54 in New York. Ganz buntes Volk, vom Fußballprofi bis zum Dealer, Leute mit Grubenlampen und total kostümiert, auf verschiedenen Ebenen. Und alle auf LSD.

Viktoria Lauterbach Wenn ich sowas höre, werde ich immer neidisch. Nur auf das LSD hätte ich verzichtet.