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Landschaftsarchitekt im 18. JahrhundertEngland feiert 300. Geburtstag

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Kirkhale – Noch sieht alles neu aus. Der See, die Wiesen, die jungen Eichen. Mit großen Schritten führt Kitty Anderson über das Gelände. „Von da oben hat man einen guten Ausblick“, sagt sie und führt eine kleine Anhöhe hinauf. Hier steht eine Bank, hier öffnet sich der Blick über die Wiesen und einen See. Erst 2010 wurde er aus dem morastigen Land ausgebaggert. „Er ist kleiner als geplant, denn am hinteren Ende ist die Landstraße im Weg.“ Eine Landstraße, die nach Edinburgh führt, und die es noch nicht gab, als im 18. Jahrhundert die Idee zu diesem See entstanden ist.

Denn die Pläne für die Landschaft rings um das Herrenhaus hier in Kirkharle, etwa eine Stunde nordwestlich von Newcastle in Northumberland, stammen von Lancelot Brown – besser bekannt als Capability Brown, einem der bedeutendsten Landschaftsarchitekten des 18. Jahrhunderts. Hier in Kirkharle wurde er im Sommer vor 300 Jahren geboren – das genaue Datum ist nicht bekannt, wohl aber, dass er am 30. August in der kleinen St. Wilfrid’s Church, ganz in der Nähe des Anwesens getauft wurde. Browns Vater war Landwirt in Kirkharle, er selber lernte das Gärtnerhandwerk, ehe es ihn nach Südengland zog.

Ruf als Promi-Gartengestalter

Dort begann seine Karriere. Schon mit 25 Jahren arbeitete er als Gärtner in Stowe, einem Garten, der von William Kent und Charles Bridgeman angelegt wurde. Brown gestaltete Teile von Stowe um und legte das Grecian Valley an. Er gewann an Einfluss, machte sich einen Namen und siedelte zehn Jahre später nach London um, von wo er als freier Landschaftsgestalter Aufträge in ganz England erhielt. Ab und an war er auch als Architekt tätig. 1764 holte ihn King George III als Hauptgärtner nach Hampton Court.

Brown arbeitete unermüdlich, gestaltete landauf, landab unzählige Gärten – oder eher Parklandschaften. Seine Spezialität war es, das Herrenhaus in Szene zu setzen. Er staute Flüsse zu Seen, in denen sich der Himmel spiegelte. Er versetzte Hügel, pflanzte Baumgruppen, Wäldchen und Solitäre, er erschuf Aussichten. Wo er gerufen wurde, inspizierte er das Land und erkannte stets viel Potenzial für Verbesserung. Diese „capabilities“ brachten ihm seinen Spitznamen ein.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie viele Gärten von Brown gestaltet wurden und was die Kritiker gegen seine Landschaften sagen.

Mehr als 150 Landschaftsgärten gestaltet

Die lieblichen Landschaften, die in mühevoller Handarbeit angelegt wurden, mehrten seinen Ruf als Promi-Gartengestalter seiner Zeit. Wer etwas auf sich hielt, beauftragte Capability Brown. Doch waren es eher die fortschrittlicher denkenden Menschen, denn Brown war jemand, der aufräumte mit den Traditionen: mit den streng gestalteten formalen Gärten rings ums Haus. Stattdessen erschuf er offene Landschaften, die von Gemälden inspiriert waren, etwa denen Poussins. Ideallandschaften, die beim Durchwandern immer neue Ausblicke eröffneten.

Schon zu Lebzeiten hatte er viele Anhänger, aber nicht nur Freunde. Umstritten war sein Ansatz, zu modern, zu lässig. Und auch heute noch gibt es Kritiker. Zu radikal sein Vernichten des Vorhandenen, zu schematisch die Versatzstücke, die er auf den Ländereien verteilte. Unstrittig ist allerdings seine Bedeutung: Mehr als 150 Landschaftsgärten hat er gestaltet, nach manchen Schätzungen sogar mehr als 250, und um ein Vielfaches höher ist die Zahl derer, die sich auf seinen Einfluss berufen. Sein Name steht für den Englischen Landschaftsgarten. Viele seiner Anlagen sind noch erhalten, andere werden rechtzeitig zum Jubiläum wieder in Form gebracht.

In Kirkharle liegt der Fall ein bisschen anders. Hier versuchen Kitty und ihr Mann John, einen Originalplan Browns erstmals umzusetzen. In einer Schublade hat Kitty in den 1970er Jahren die Zeichnung gefunden, die aus der Feder des ehemaligen Gärtnerjungen stammen soll. Er habe in späteren Jahren seinen Geburtsort besucht und die capabilities, die er in der Landschaft sah, auf Papier gebannt, vermuten die Andersons.

Unzählige Festivitäten und Theateraufführungen geplant

Verwirklicht wurden die Pläne nie, auch das Herrenhaus, auf das sich die Sichtachsen bezogen, existiert nicht mehr. Das Ehepaar passte die Fluchtlinien an das übrig gebliebene Haus, einen Nebentrakt, an. Sie ließen den See ausbaggern, 2000 Bäume pflanzen – einzeln und in Gruppen, wie es die Zeichnung vorsah.

Noch sind sie klein und geben einen Eindruck, wie die ganz jungen Landschaftsgärten im 18.Jahrhundert ausgesehen haben mögen. „Wir machen noch Ufer schön. Denn Brown hätte es nicht gewollt, dass Pflanzen in das Wasser hängen, er mochte es ordentlich“, sagt Kitty. Vielleicht schaffen sie es auch, den See noch zu erweitern, damit er dem Namen Serpentine Lake mehr Ehre macht. Auf Besucher zum Jubiläumsjahr sind die Andersons jedenfalls eingestellt. Eine kleine Ausstellung zeigt Stationen in Browns Leben, es gibt ein Café und mehrere Ateliers und Geschäfte in den ehemaligen Farmgebäuden. Unzählige Festivitäten sind geplant, Theateraufführungen und Vorträge, und wer Lust hat, kann sogar auf dem ehemaligen Schulweg Browns wandeln.