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LebenskulturFranzosen in Köln

Lesezeit 10 Minuten

DIANE-SOPHIE DURIGON, 31

DIANE-SOPHIE DURIGON

Es hat einmal eine Kundin gegeben, die mir meinen Akzent einfach nicht abgenommen hat. Sie hielt das für einen lustigen Marketing-Trick. Eine Französin, die Dessous verkauft? Das war wohl zu viel Klischee, zu schön, um wahr zu sein. Ich muss natürlich zugeben, dass diese Kombination ziemlich hilfreich ist. Als Französin in Deutschland hat man es in der Tat leicht. Auch ohne Unterwäsche zu verkaufen. Warum? Ich weiß es nicht. Deutsche lieben Frankreich.

Diane-Sophie Durignon, Inhaberin der Dessous-Boutique „Le pop lingerie“

Ich liebe es, in Deutschland zu leben. Die Entscheidung habe ich nie bereut. Ich wollte keine Sekunde lang zurück nach Toulouse. Eigentlich war ich nur für zwei Auslandssemester in Köln. Das war vor elf Jahren. In Köln habe ich eine Zeit lang als Projektleiterin gearbeitet, unter anderem für viele Mode- und Lifestyle-Messen. Seit zwei Jahren habe ich meinen eigenen Laden und bin sehr happy.

Mein Publikum ist sehr weltoffen, sehr cool. Es sind keine verklemmten Deutschen, wie es die Klischees vorsehen. Alle Hemmungen fallen spätestens, wenn das Gespräch anfängt. Ich mag die lockere Stimmung in Köln. Das Grillen im Park, das To-Go-Bier, die Dörflichkeit. Hier kann man alles mit dem Fahrrad erreichen. Das ist die innere Schönheit einer Stadt, die für mich wichtig ist. Dass Köln oberflächlich hässlich ist – ganz egal.

Was ich aus Frankreich mitgebracht habe, ist die Art zu essen. Einfach Abendbrot? Geht gar nicht. Ich esse in mehreren Gängen, mit Zeit und Genuss. Was ich manchmal in Deutschland vermisse, ist das Licht des Südens. Diese besondere Helligkeit. Aber vor kurzem hatte ich in Köln einen sehr südfranzösischen Moment. Die Sonne schien und ich war auf dem Nippeser Wochenmarkt. So wie die Menschen dort kommunizierten, draußen saßen, aßen, tranken, laut mit einander redeten – das hätte auch in Frankreich sein können.

Inhaberin der Dessous-Boutique „Le pop lingerie“

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DOMINIQUE CHERPIN

Unternehmer und Mitbegründer der „Villafrance“ in Köln: Ich bin vor zwanzig Jahren als Praktikant nach Stuttgart gekommen. Für mich übrigens die deutscheste Stadt. Danach bin ich nach Köln gewechselt und habe hier im Karneval meine Frau kennengelernt.

DOMINIQUE CHERPIN, 43

Ich habe von Anfang an die Interessen französischer Unternehmen vertreten. Als ich merkte, dass sie verstärkt professionelle Beratung suchten, habe ich mich selbstständig gemacht. Die „Villlafrance“ ist eine Art Kompetenzzentrum für französische Unternehmen, das unterschiedlichste Dienstleistungen anbietet. Zum Beispiel Übersetzungen, Rechts- oder Steuerberatung.

Ich halte nicht viel von Klischees, aber im Alltag bestätigen sie sich doch. Deutsche bereiten sich auf Termine vor, während Franzosen erst danach anfangen zu arbeiten. Die Schnelligkeit der Entscheidung, die Wichtigkeit des Formellen – täglich begleiten wir die unterschiedliche Arbeitsweise. Es braucht Zeit, sich hier zu etablieren, weil Deutsche gründlich überzeugt werden wollen. Obwohl viele französische Firmen sich in Berlin niederlassen möchten, versuchen wir, sie in Köln abzufangen. Erstens sind von den 2500 französischen Firmen in Deutschland rund 800 in NRW. Zweitens befinden sich die meisten potenziellen Kunden hier, drittens sind wir dank der Thalys-Verbindung optimal mit Paris verbunden. Zudem ist Köln sehr offen. Viele Franzosen fühlen sich hier wohl und wollen nicht mehr weg. Ich glaube aber, dass die deutsch-französische Freundschaft neuen Schwung braucht. Ich habe mich deshalb persönlich für das „Institut français“ in Köln eingesetzt, das beinahe dem Sparzwang zum Opfer fiel. Dieser Ort lohnt immer einen Besuch!

Unternehmer und Mitbegründer der „Villafrance“ in Köln

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JEAN PLISSART

Ich komme aus Chantilly. Für meine Ausbildung zum Golflehrer habe ich eine Zeit lang in den USA gelebt. Dass ich in Deutschland gelandet bin, ja, das war wegen der Liebe. Ich habe also unterschiedliche Welten kennengelernt, würde mich aber heute als deutsch bezeichnen. Meine Freunde nennen mich manchmal Hans. Ich habe mich bemüht, schnell Deutsch zu lernen. Ansonsten wäre es vielleicht anders gelaufen. Ich habe auch keine negativen Erfahrungen gemacht was meine Hautfarbe betrifft. Die Rheinländer mögen die Franzosen einfach, manche wollen bei mir eher Französisch als golfen lernen.

JEAN PLISSART, 61

Was mir anfangs imponiert hat, waren die Ordnung und die Freundlichkeit. In Frankreich kommt es vor, dass auf dem Golfplatz der Greenkeeper nicht da ist, dass irgendwas mit der Buchung schief läuft oder so etwas. Das passiert hier nicht. Köln ist natürlich eine Besonderheit, die Stadt ist wohl die mediterranste in Deutschland. Ich war auch mal in Hannover, möchte aber nie wieder dorthin.

Was mir noch auffällt: Der beste Spiegel einer Gesellschaft ist die Mittelschicht. Die ist in Deutschland die beste. Hier geht es den Leuten noch ganz gut. Man kann hier gut leben. Selbst wenn das Sozialleben nicht so ausgeprägt ist wie in Frankreich. Ich merke aber, dass mich die ersten Jahre in Frankreich geprägt haben, was das Essen betrifft. In Frankreich ist das ein Ritual, hier eher eine Notwendigkeit. Wer in Köln gut französisch essen will, dem empfehle ich „l’Imprimerie“ in der Südstadt. Der Service ist nicht mehr so überheblich, wie man es manchmal in französischen Restaurants erlebt. Die Einrichtung ist wunderschön chaotisch und zeigt: Uns ist wichtig, was auf den Teller kommt.

Golflehrer in Widdersdorf

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ELISABETH SIEGEL

Ich hatte als Kind schon eine deutsche Brieffreundin in Bonn und verbrachte dort hin und wieder meine Ferien. Ich selbst komme aus dem Südwesten Frankreichs. Meinen deutschen Mann habe ich im Spanienurlaub kennengelernt. Ich zog mit ihm nach Siegburg. Ich sprach damals bereits ganz gut Deutsch, das ich erst in der Schule und dann im Studium in Toulouse gelernt hatte.

ELISABETH SIEGEL, 66

Ich vermisste aber meine Familie, die Sprache – und das Essen. Ich habe damals Lebensmittel mitgebracht. Auch meine Eltern packten ihr Auto voll, wenn sie mich besuchten. Einmal wurden sie am Zoll gefragt, wofür sie denn 15 Kilogramm Linsen bräuchten! Ich habe mich sehr gut eingelebt. Die Rheinländer sind einfach frankophil. Was ich besonders schätze: Anders als Frankreich hat nicht nur die Hauptstadt Hochkultur zu bieten. Wie sehr habe ich mich gewundert, dass man etwa in Wuppertal ein so hochklassiges Ballett vorfindet. Irgendwann habe ich eine Frau der „Amixie des françaises“ in Düsseldorf kennengelernt. Ein Verein, der sich seit Anfang der 1980er um die Belange der hier lebenden Franzosen kümmert. Wir hatten die Idee, eine Dépendance für Köln und Bonn zu gründen. Seit 1993 arbeite ich ehrenamtlich für unseren Verein „Accueil des Françaises“. Ich bekomme vor allem viele telefonische Anfragen. Etwa: „Kann ich es meiner Frau antun, nach Deutschland zu ziehen?“ Ich kann nur sagen: Ja! Das ist nicht Sibirien! Wer aber auf keinen Fall auf Croissants verzichten mag, den schicke ich zur Bäckerei „Merlê“.

Präsidentin des Vereins „Accueil des Françaises“ in Köln

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MAGALI HAMON

Es war nie ein Traum, in Deutschland zu leben. Jetzt möchte ich nicht mehr weg. Ich stamme aus Paris und hatte einen guten Job als Journalistin. Als mein Mann anfing, in Köln zu arbeiten, sind wir gependelt. Vor fünf Jahren haben wir beschlossen, hierherzuziehen. Das war hart. Ich musste erstmal Deutsch lernen. Jetzt arbeite ich wieder in französischer Sprache. Ich hatte das Glück, ein Online-Magazin in Köln und Nordrhein-Westfalen aufzubauen. „Le petit journal“ gibt es seit vielen Jahren, es erscheint in 43 Städten auf der ganzen Welt. Es ist in erster Linie für Franzosen im Ausland konzipiert, aber wir haben auch deutsche Leser. Ich schreibe viel über die Kultur. Ich liebe das Angebot hier, vor allem die Lit.Cologne und das Afrika-Filmfest.

MAGALI HAMON, 37

Ich erzähle natürlich auch die Geschichten der hier lebenden Franzosen. Dabei fällt auf, dass meistens die Frauen ihren Männern hierher gefolgt sind. Das ist einfach so. Die meisten finden, dass Köln ein schönes Stück Deutschland ist und wollen nicht mehr zurück. Die Lebensqualität ist hoch. Es ist hier vergleichsweise grün, zumindest wenn man aus Paris kommt. Dann die vielen Radwege. Und wer gerne wandert, ist auch gut bedient. Hier die Eifel, dort das Bergische Land. Was ich für mich persönlich entdeckt habe, sind die Thermen. Das gibt es in Frankreich so nicht.Was mir aber immer noch schwer fällt: Ich bin selten pünktlich, was in Frankreich niemals auffallen würde. Und zweitens weiß ich nicht, wie man so früh am Abend essen kann. Ansonsten denke ich nicht mehr über Unterschiede nach. Natürlich fällt mir auf, wenn etwas typisch französisch ist. Ich mag etwa das Bistro „L’Apparte“ in der Südstadt. Dort habe ich anfangs jeden Tag zu Mittag gegessen. Wer es gemütlich und französisch mag, der sollte die „Dröppelminna“ in Bergisch Gladbach besuchen.

Journalistin und Chefredakteurin des Kölner Online-Magazins für Franzosen im Ausland

lepetitjournal.com

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DAVID BOUCHERIE

Ich stamme aus Verneuil s/ Aver. Das ist ein kleiner Ort in der Normandie. Nach dem Abi bin ich nach Bonn gegangen, als Au-Pair. Ich hatte damals eine deutsche Freundin, die ich im Urlaub in Kroatien kennengelernt hatte. Dann habe ich Afrikanistik und Geografie studiert, habe aber immer eher gejobbt und andere Sachen gemacht. Deshalb habe ich auch in Deutschland studiert, damals hatte man als Student ja noch Zeit, in Frankreich ist das Studium viel straffer. Aber ich habe abgebrochen, als Fotograf gearbeitet und 2007 meinen Laden aufgemacht.

David Boucherie, Besitzer des Epicerie Boucherie

Als Franzose habe ich in Deutschland einen Bonus, denn alle Deutschen lieben Frankreich, fahren dorthin in Urlaub, lieben das Essen. Ich persönlich finde, dass die Franzosen fast zu sehr auf das Essen fixiert sind. Beim Mittagessen diskutieren sie schon, was es am Abend gibt. Da sind die Deutschen eher das Gegenteil. Alles möglichst billig beim Discounter zu kaufen, ist typisch deutsch. Für mich als Gastronom, aber auch als Privatperson ist wichtig, dass ich weiß, woher meine Produkte kommen und dass sie unter ökologisch einwandfreien Bedingungen hergestellt wurden. Ich versuche inzwischen, nicht nur beim Essen auf Nachhaltigkeit zu achten. Dazu will ich meinen Teil beitragen. Deshalb bin ich gerade nach Overath gezogen, in ein Fachwerkhaus. Ich liebe Köln, ich bin Kölner, ich kenne jeden in der Südstadt. Aber ich bin jetzt 45 Jahre alt, ich brauche die Stadt nicht mehr, ich habe Sehnsucht nach dem Grünen, davon gibt es in Köln doch nicht so viel. Ich habe jetzt meinen eigenen Gemüsegarten. Nach Frankreich fahre ich zwei bis drei Mal im Jahr, meistens in den Süden. Heimweh habe ich eigentlich nie. Den Rathenauplatz mag ich sehr, der erinnert mich an Plätze in Paris, wegen der schönen Altbauten drum herum. Ansonsten finde ich das Lebensgefühl in der Südstadt sehr französisch. Hier fehlt eigentlich nur das Mittelmeer.

Inhaber der „Epicerie Boucherie“ in der Elsaßstraße

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DER EUROPA-AKTIVIST

Michel Marlière, französischer Manager, seit 28 Jahren in Deutschland, lebt in der Kölner Südstadt, doch sein Herz schlägt für Europa: „Europa ist der einzige Ort auf der Welt, wo humanistische Werte vehement vertreten werden. Von Menschenrechten bis zur sozialen Marktwirtschaft. Das macht keiner außer der EU, die USA nicht, Russland nicht, keiner.

Michel Marlière, Europäer in Köln

Leider interessieren sich gerade junge Menschen heute nicht mehr für die europäische Idee. Für sie ist Europa ein Supermarkt, aus dem sie sich auswählen, was sie gerade brauchen. Sie studieren im Ausland, reisen, das ist alles selbstverständlich. Wie in einer Beziehung ist Selbstverständlichkeit aber auch gefährlich. Deshalb habe ich eine Stiftung gegründet. Ich habe 25 Studenten der französischen Elite-Uni Sciences Po in Paris und der FU Berlin zusammengebracht, die gemeinsam eine Studie gemacht haben. Sie haben eine Umfrage unter 2000 Jugendlichen gemacht und sie gefragt: Was ist Europa für euch? Außerdem wurden in kleineren Gruppen konkrete Maßnahmen entwickelt. Die Ergebnisse haben wir gerade Anfang Mai im Kanzleramt und in der französischen Botschaft abgegeben. Konkret geht es um ein besseres Ausbildungssystem für Jugendliche in ganz Europa, eine EU-weite bessere Vernetzung auf dem Arbeitsmarkt und ein bürgernäheres und umweltfreundlicheres Europa.“www.terra-europa.eu

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