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LieblingsortDas Kölner „Il piacere“ ist der Heilige Gral des Kölner Mittagstischs

Lesezeit 4 Minuten
12.05.2025, Köln: Köchin und Inhaberin Carina zeigt uns Pasta mit Ricotta und Kirchtomaten im Restaurant „Il piacere“ an der Lindenstraße. Foto: Arton Krasniqi

Köchin und Inhaberin Carmen Tackenberg serviert hier Pasta mit Ricotta und Kirschtomaten.  

Wer häufiger zu Gast ist im familiären Taubenschlag „Il piacere“, der wird gern mit einem „Wie immer?“ begrüßt. Und wer einmal kommt, wird eh Stammgast.

Was ich am Lieblingsort, also dieser Kolumne, besonders mag, ist der Definitions-Freiraum. Eine klassische Restaurant-Kritik bezieht sich meistens auf den Abendservice einer Gastronomie mit Menüfolge, üppiger Weinkarte und Tischreservierung. Gastronomie ist aber noch so viel mehr und jede Form erfüllt ein anderes Bedürfnis. Der Lieblingsort ermöglicht mir, die beste Eisdiele Kölns zu empfehlen (looking at you Gelateria Cafeteria Süd) oder das beste Banh Mi (immer Café 1980). Vom libanesischen Imbiss in der Altstadt, über den Reibekuchenstand im Stadtwald bis hin zur Viennoiserie im Agnesviertel - alles Lieblingsorte, alles Gastronomien, die außergewöhnlich gut abliefern.

Das „Il piacere“ in der Lindenstraße ist auch so ein Ort. Für Menschen, die in der Nähe wohnen oder arbeiten, ist der kleine Laden so etwas wie der Heilige Gral des Mittagstischs. Viele kennen diesen nervigen vormittäglichen Eiertanz: Gleich ist Mittagspause, ich habe nichts vorbereitet, Hunger bis unter beide Arme und nur wenig Zeit daran etwas zu ändern. Und dann geht die Matrix los: Laufweite plus Kaloriendichte geteilt durch Preis mal Unterzuckerung. Das Ergebnis ist meistens eine Katastrophe. Entweder die Wahl fällt auf Fast Food, was einen erst ins Koma fallen lässt und gegen Nachmittag dazu führt, dass wir völlig unkontrolliert Süßkram in uns stopfen oder man entscheidet sich für die gesunde Salat-Bowl-Variante, die in der Regel nach gar nichts schmeckt und man belohnt sich direkt im Anschluss mit dem Schokoriegel, um überhaupt noch irgendetwas zu spüren.

Mittagstisch ist für viele Lokale die Höchststrafe

Mittagstisch ist für viele Gastronom*innen die Höchstrafe. Alle Gäste kommen auf einmal, alle haben es wahnsinnig eilig und kosten darf es am besten auch nichts. Das „Il piacere“ ist in diesem Zusammenhang die Insel der Glückseligen. Zwischen 11.30 und kurz vor 3 verwandelt sich der kleine Laden in einen Taubenschlag, einen sehr familiären Taubenschlag. Nahezu jeder Gast wird mit Namen begrüßt. (Halb-)Sätze wie „Wie immer?“, „Ich hab dich letzte Woche vermisst“ und „Bis morgen.“ fallen quasi ständig. Carmen Tackenberg und ihre Söhne Ludovico und Alex sind die Mittagstischfamilie. So fühlt sich der kurze Besuch bei ihnen zumindest an.

12.05.2025, Köln: Pasta mit Ricotta und Kirchtomaten im Restaurant „Il piacere“ an der Lindenstraße. Foto: Arton Krasniqi

Alles im „Il piacere“ ist schlicht, kompakt und auf den Punkt.

Vor knapp neun Jahren suchte Mama Carmen einen geeigneten Raum zum Kochen für Caterings und übernahm das Lokal in der Lindenstraße. Das Konzept ist simpel und genial. Es gibt jeden Mittag (von Montag bis Freitag) genau ein Tagesgericht. Einmal mit Fleisch, einmal ohne. Das Gericht kostet immer unter 10 Euro und wird frisch gekocht. Hier kommt nichts aus dem Eimer, der Fokus liegt auf saisonalem Gemüse. Das schmeckt man und das spürt man vor allem. Dazu gibt es eine wechselnde Salatauswahl: weiße Bohnen mit Rosmarin, Linsen mit Orange, grüner Spargel mit Erbsen - und zwei bis drei duftende, frisch gebackene Kuchen stehen auch noch auf dem Tresen.

Küchenrichtung: Simple Spezialität aus Neapel

Das tagesaktuelle Angebot wird auf Instagram angekündigt. Hier liest man auch den Hinweis: „Simple Spezialitäten aus Neapel.“ Damit wäre die grundsätzliche Küchenrichtung auch geklärt. Obacht, ab 14 Uhr ist auch mal etwas ausverkauft. Allerdings hat Carmen immer irgendetwas Köstliches in der Rückhand und dann schallt ihre Stimme aus der Küche: „Ich kann grünen Spargel braten! Mit Parmesan! Dazu hab’ ich noch Nudelsalat mit Pesto!“

Das „Il piacere“ ist kein romantisches italienisches Restaurant mit karierten Tischdecken und Weinbegleitung, sondern ein ausdrücklicher Segen für Mittagstischler. Alles ist schlicht, kompakt und auf den Punkt. Das Team kennt seine Kundschaft und weiß ganz genau, dass die meisten es sehr eilig haben. Entweder steht die To-Go-Box schon bereit oder es wird in wenigen Minuten am Tisch serviert.

Man verlässt den Laden immer mit einem Lächeln und dem guten Gefühl, den Rest des Tages gestärkt überstehen zu können. Kartenzahlung wäre die Kirsche auf der Sahnetorte.


Il piacere, Lindenstraße 60, 50674 Köln, Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-18 Uhr, Telefon: 0172/2161478, Instagram: @cafeilpiacere

Meine Auswahl:

Tagesgericht: Hähnchenfilet mit Bärlauch-Sauce dazu Möhrenpüree und grüner Salat // 9,80 Euro

Spargel-Feta-Quiche mit Kichererbsen aus der Pfanne und Salat // 8 Euro

Wechselnde Salate aus der Vitrine // Preis je nach Tellergröße: Spargelsalat, Erbsensalat, Rote Bete-Salat mit Apfel

Erdbeere-Mascarpone-Kuchen // 3 Euro