Prominent verteidigtWarum die Kardashians keine geschmacklosen Witzfiguren sind

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Kim Kardashian und Rapper Kanye West sind für viele Schlagzeilen und Geschmacklosigkeiten gut.

Kim Kardashian und Rapper Kanye West sind für viele Schlagzeilen und Geschmacklosigkeiten gut.

  • In seiner Kolumne „Prominent verteidigt“ widmet sich Christian Bos mit Vorliebe Promis, die aus ganz unterschiedlichen Gründen in Verruf geraten sind.
  • In dieser Folge schreibt er über die Kardashians, die das Ende ihrer Reality-Show angekündigt haben.
  • Höchste Zeit aufzuhören, sie als geschmacklose mediale Witzfiguren abzutun.
  • Lesen Sie hier auch weitere Folgen.

Tatos Kardashian emigrierte aus Armenien in die USA und brachte es im Müllabfuhrgeschäft zu einigem Wohlstand. Sein Enkel Robert ging mit der Ex-Frau von Elvis Presley aus. Geld stinkt nicht und der amerikanische Traum ist wirklich wahr. Wer mit diesen zwei Grundüberzeugungen aufwächst, muss es wohl zwangsläufig zu jener Art Ruhm bringen, der selbst die offensichtlichste Vulgarität überstrahlt.

Vor 15 Jahren konnte man Roberts Tochter Kim Kardashian aus exakt drei Gründen kennen: Ihr Vater war der beste Freund von O.J. Simpson und hatte diesen nach dem Doppelmord an dessen Ex-Frau und deren Liebhaber verteidigt. Sie galt als „Stylistin“ der Hotelerbin und Trash-Berühmtheit Paris Hilton. Wie diese hatte sie die Veröffentlichung eines pornografischen Sex-Tapes entweder selbst lanciert oder zumindest als lukrativen Weg zum Ruhm gebilligt.

Doch dann kam die Reality-Serie „Keeping Up With the Kardashians“, die bald zur erfolgreichsten ihrer Art werden sollte und aus Kim und dem Rest des Clans (Klans?) — Kris, Kourtney, Kylie, Kendall, Khloé — Multimillionäre machte. Mehr als das: Lästerten Kritiker anfangs noch, dass diese dysfunktionalen Luxus-Prolls doch einzig dafür berühmt seien, berühmt zu sein, so muss man heute, nach 19 Staffeln, neidlos zugeben: Diese Welt ist eine Kardashian-Welt und wir leben nur in ihr.

Sie haben den provokant ausgestellten Po zum Statussymbol erhoben. Von ihnen stammt die Idee, dass man von einem sorgfältig kuratierten Instagram-Account aus ein Geschäftsimperium gründen kann. Dank ihnen gilt der von der „New York Times“ so genannte „Social Media Fembot“ als neues Schönheitsideal: Die Kardashian-Frauen und ihre Ärzte- und Kosmetologen-Teams arbeiteten hart daran, auch im richtigen Leben, falls das noch irgendwo stattfinden sollte, so auszusehen, als wären sie von den jeweils neuesten digitalen Filterprogrammen verbessert worden. Ebenso verdanken wir ihnen die Einsicht, dass auch die Realität einem Drehbuch folgt, zumindest, wenn man sein Leben im Griff hat.

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Das muss einem nun überhaupt nicht gefallen. Aber jetzt, wo Kimberly Noel Kardashian West gerade ihren 40. Geburtstag gefeiert hat und die Kardashians das bevorstehende Ende ihrer Show verkündet haben (sie sind schlicht zu groß für schnödes Fernsehen geworden), sollte man aufhören, sie als geschmacklose mediale Witzfiguren abzutun. Auch wenn es schwer fällt. Letztlich sind sie die Royal Family, die wir verdient haben.

Den passendsten Geburtstagsgruß erhielt Kim übrigens von ihrem Mann, dem talentierten und noch viel größenwahnsinnigeren Rapper Kanye West. Er ließ Kims 2003 verstorbenen Vater, den erwähnten Robert Kardashian, für viel Geld als Hologramm wiederauferstehen. Ein Geist aus der Maschine, der seiner Tochter erzählt, dass er ein stolzer armenischer Vater sei, und dass er über sie und ihre Kinder wache. Stolz sei er auch darauf, dass sie den „most, most, most, most, most genius man in the whole world“ geheiratet habe. Wer würde sich denn nicht diebisch freuen, seinem toten Schwiegervater solche Worte in den Mund legen zu können?

Nicht wenig unheimlich sieht diese algorithmisch animierte Erscheinung aus dem Jenseits aus, wie der Geist von Hamlets Vater auf den Burgzinnen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, Kanye West hätte einfach noch ein paar große Scheine dazugelegt und David Schwimmer („Ross“ aus „Friends“) engagiert, der Robert Kardashian so überzeugend menschelnd in dem Fernsehmehrteiler „American Crime Story: The People v. O. J. Simpson“ gespielt hatte.

Andererseits passt die allzu glatte Oberfläche sehr schön zur Kardashian-Ästhetik, und überhaupt befindet sich die Hologramm-Technik noch in ihren Kinderschuhen. Wenn Kim Kardashian diese erst einmal gemeistert hat, dann bleiben sie und ihre Verwandtschaft uns wahrscheinlich auf ewig erhalten.

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