Junger FamilienbetriebSo hat es Carsten Henn im Restaurant „LM1921“ in Bergisch Gladbach geschmeckt

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Vera und Dominik Eßer in ihrem Restaurant.

Vera und Dominik Eßer in ihrem Restaurant.

Im April hat der Koch Dominik Eßer das Restaurant mit seiner Frau eröffnet. Gastrokritiker Carsten Henn hat es getestet.

Auf der Top Ten der missverständlichsten Restaurantnamen landet dieser mit Sicherheit weit vorn. Oder sind Sie nicht auch davon ausgegangen, dass 1921 eine Jahreszahl darstellt? Das Gründungsjahr des Restaurants vielleicht? Die wahre Bedeutung ist allerdings viel rührender: Der Name steht für die Anfangsbuchstaben und Geburtsjahre der beiden Söhne von Dominik und Vera Eßer, die 2019 und 2021 geboren wurden – und deren Füße es vermutlich waren, die ich bei der Vorspeise kurz in der Etage über mir freudig rennen hörte. Beim LM1921 handelt es sich also um eine Familienangelegenheit, eine junge noch dazu. Erst im April hat man eröffnet, vorher kochte Eßer, Anfang 30, im Gasthaus Schwäke.

Carsten Henn

Carsten Henn

Carsten Henn, geboren 1973 in Köln, besitzt einen Weinberg an der Terrassen-Mosel, hält Hühner und Bienen und teilt sein Leben mit Katzen. Er arbeitete nach seinem Studium (unter anderem Weinbau) als ...

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Zurzeit ist das Fachwerkhaus im Inneren weihnachtlich geschmückt, zwei Räume gibt es, die Decken sind niedrig, man sitzt in Ledersesseln oder gemütlich und warm auf Bänken (die WCs sind dagegen leider ziemlich kalt). Die Speisekarte überrascht mit ihrem Umfang: abends werden gleich drei Menüs angeboten – das moderne, das grüne, die österreichische Sehnsucht – dazu mehrere Speisen à la Carte. Man kann sich aber auch sein eigenes Menü zusammenstellen, wobei die Portionen so groß sind, dass drei Gänge auch nach einem langen Winterspaziergang ausreichen. Pfiffig: unter jedem Gericht steht eine Weinempfehlung. Die kleine Weinkarte – gut 50 Positionen – bietet vor allem Flüssiges aus Deutschland und Österreich, auch von Spitzenbetrieben wie Sattlerhof, Jurtschitsch, Fritz Haag und Künstler, jeweils mit Infos versehen.

Blick in den Gastraum des Restaurants LM1921 mit weihnachtlicher Dekoration.

Blick in den Gastraum des Restaurants LM1921 mit weihnachtlicher Dekoration.

Es ist also richtig viel los auf dem Teller, hier will jemand kulinarisch beeindrucken.
Carsten Henn

Nach einem heißen Lauchsüppchen als Gruß, und hausgemachtem Brot, geht es los. Seeteufelfilet, hart am Salz gewürzt, dazu eine gut gearbeitete Kalbsjus, Spitzpaprika, und Dreierlei vom Sellerie (Salat/aus dem Ofen/Püree, dem Geschmack nach leider mit Trüffelöl versehen). Einen Klecks Kaviar gibt es obenauf sowie Staudensellerie-Würfel, die in ihrer gelee-artigen Konsistenz ein wenig irritieren. Es ist also richtig viel los auf dem Teller, hier will jemand kulinarisch beeindrucken.

Auch dem Glen-Douglas-Lachsfilet wird viel zur Seite gestellt, soviel sogar, dass der Fisch ein wenig untergeht: grünlicher Limettenblätter-Schaum, Hokkaido-Kürbis, Wilder Broccoli in Kokos-Nuss-Panade, Ras-el-hanout-Risotto, Popcorn, Dill, dunkler und heller Sesam. Zwar alles sorgsam zubereitet, aber mit weniger, dafür aber genau den richtigen Elementen, würde das Gericht schlüssiger wirken. So wie die hausgemachten Agnolotti mit Steinpilz-Ricotta-Füllung, Bergkäse-Schaum, Spinat und Waldpilzen. Ein klassisch-schlotziger Wohlfühlgang, bei dem nur die Pasta einen Hauch dünner sein dürfte.

Man spürt stets die Freude am Kochen, die Lust auf Kreatives.
Carsten Henn

Klassisch ist auch der Ausflug nach Österreich, bei dem ein kleines, gut souffliertes Wiener Schnitzel auf Tafelspitz in Kürbiskernpanade trifft – ein kreativer Dreh, der nicht aufgeht, denn das Fleisch gerät trocken und fest. Nichts auszusetzen gibt es dagegen an Kartoffel-Gurken-Salat und Preiselbeeren.

Fachwerkhaus mit schneebedecktem Dach.

Das LM1921 ist in einem klassischen Fachwerkhaus untergebracht.

Aber selbst Fehler oder fehlendes Fine Tuning verderben einem nicht den Spaß an den Gerichten, denn man spürt stets die Freude am Kochen, die Lust auf Kreatives.

Beim Kotelett vom Duke of Berkshire-Schwein „Stroganoff“, das sich schon vom Knochen gelöst auf dem Teller findet, kommen Rote Bete, Gurke, Pastinake und Kräuterseitling alle zu ihrem Recht. Die Polenta-Chips und frittierten Flower Sprouts hätte es nicht gebraucht, aber sie lenken auch nicht vom Hauptdarsteller ab.

„Die Kalorien sind bei der Zubereitung alle geplatzt“, sagt die ebenso nette wie humorvolle Bedienung, als sie schließlich das Dessert serviert – bei dem Dominik Eßers Elan ebenfalls zu spüren ist. Nougat-Orangen-Mousse mit Orangen-Chili-Espuma, Haselnuss-Ganache sowie Portweingel – und das sind nicht mal alle Elemente des Gerichts. Die Buchteln geraten zu trocken, aber die Süße ist gut austariert. Ein überzeugender Abschluss.

Fazit: Selten hatte ich so viele Elemente auf den Tellern. Hier sprüht die Kreativität – und obwohl nicht alles passt, überträgt sich dieser Elan auf den Gast. | Bewertung: 4 von 6 Punkten

LM1921, Dellbrücker Str. 295, 51469 Bergisch Gladbachl, Tel. 02202-44803 | Mo – Sa 12 - 14.30 & 17.30 - 22 Uhr | www.restaurant-lm1921.de

Henns Auswahl:

Teller mit Kolelett, Sauce und verschiedenen Gemüsen.

Üppig angerichtet sind die Gerichte im LM1921, hier das Kotelett „Stroganoff“.

  • Seeteufelfilet 15,50 €
  • Glen-Douglas-Lachsfilet 16 €
  • Hausgemachte Angelotti mit Steinpilz-Ricotta-Füllung 15,50 €
  • Kotelett vom Duke of Berkshire-Schwein „Stroganoff“ 35,50 €
  • Wiener Schnitzel trifft knusprigen Tafelspitz 26 €
  • Nougat-Orangen-Mousse 10,50 €
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