Symbol für BewegungsfreudeSchaukeln für große und kleine Menschen

Emily schaut auf die Besucher des Stammheimer Schlossparks herab.
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Köln – Als der blonde Hans die Leichtigkeit des Schaukelns besang, waren die Schwebebalken meist in Form von Schiffsschaukeln auf dem Rummelplatz zu finden. Diese Schaukelform ist heute so gut wie ausgestorben. Nur noch wenige Nostalgie-Schaustellbetriebe (siehe Seite 10) pflegen sie. Auf der Kirmes oder im Freizeitpark dominieren Hightech-Gerätschaften, auf denen sich die wagemutigen Fahrgäste ohne eigenes Zutun herumschleudern lassen.Auf Spielplätzen finden sich heutzutage Schaukeln in allen Formen und Farben. Nestschaukeln für mehrere Kinder oder Seilbahnen sind besonders beliebt. Im Kölner Mediapark gibt es eine Tandemschaukel, bei der sich zwei Schaukelnde gegenseitig Schwung geben. „Aber die Schaukel ist immer leer“, hat Klaus Breitung beobachtet. Der Physiotherapeut schaut von seiner Praxis genau auf die Schaukel. „Es ist wichtig für die körperliche Entwicklung, dass sich Kinder bewegen, gerade auch im Dreidimensionalen.“ Als Physiotherapeut sieht er genug Patienten, die auf Bewegungsmangel zurückzuführende Beschwerden haben.Tatsächlich trainiert das aktive Schaukeln nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn. „Schaukeln ist ein komplexer Bewegungsablauf“, sagt der Neurologe Volker Limmroth. Die oberen und unteren Extremitäten so zu koordinieren, dass die Schaukel hoch hinaufschwingt, sei gar nicht so einfach. Manche Kinder üben lange, bis sie es ohne elterliches Anschieben schaffen. Auch Nicolai Kuntz, Profi in Sachen Schaukeln, hat auf der Spielplatzschaukel angefangen. Der Artist vom Zirkus Flic Flac trainiert seit dem zwölften Lebensjahr am Schwungtrapez. Das schmale runde Stahlstück, das an langen Seilen aufgehängt ist, schwingt hoch oben unter dem Dach des Zirkuszelts. Das Größte für ihn ist immer noch der Moment kurz bevor es wieder nach unten geht. „Da ist man für den Bruchteil einer Sekunde schwerelos“, sagt er.
Was Kinder und Künstler begeistert
Das Schaukeln hat auch die Kölner Künstlerin Steff Adams inspiriert. Im Stammheimer Schlosspark hängt Emily. Ein etwas grobschlächtiges Mädchen aus Epoxidharz, das an die Damen erinnert, die der Bauer aus der Animations-Serie „Shaun das Schaf“ gerne umwirbt. Ihre Finger wirken arthritisch, ihre Beine überlang, die Füße klumpig. Wahrlich keine Bikini-Figur. Doch Emily schwebt hoch oben beschirmt von der Krone eines alten Baumes und schaut auf die Besucher herab, so als wolle sie sagen: Hier oben fühle ich mich leicht, hier darf ich’s sein….Vielleicht ist es das Schwerelose, das Entrückte, das nur auf das momentane Erleben gerichtete Tun, das Kinder und Künstler am Schaukeln begeistert. Etwas tun, um nichts anderes tun zu müssen? Wer schaukelt kann nicht aufs Handy schauen, Mails oder SMS checken. Die Hände greifen die Seile, werden gebraucht. Sabrina Esser (28) liebt das Schaukeln und pflegt es auf ganz eigene Weise: „Immer wenn ich auf einer Party bin, verschwinde ich zwischendurch und suche den nächstgelegenen Kinderspielplatz. Das Schaukeln entspannt mich, nach all dem Stimmengewirr und Gerede. Meistens gehe ich mit einer Freundin, die das Schaukeln genauso liebt wie ich.“ Dann sprechen sie über die Leute auf der Party und was sonst gerade so anliegt – entspannt und in Ruhe. Bei Daniela Donike hängt eine Schaukel am Arbeitsplatz: Die Diplomsportlehrerin führt den Pausenraum, ein Sportstudio im Agnesviertel. Ihr Freund schenkte ihr die Schaukel vor zwei Jahren zur Eröffnung.
„Für mich ist sie ein Symbol für die Bewegungsfreude, die in uns allen eigen ist und die manchmal nur wieder herausgekitzelt werden will.“ Tatsächlich hat sie schon oft erlebt, dass ihre Kunden vor oder nach den Kursen schaukeln. „Eine 81 Jahre alte Dame freute sich immer total darauf, nach dem Training zu schaukeln.“ Das Schaukeln lässt Kindheitserinnerungen aufleben, entspannt, lässt Gedanken fliegen. Die Seele baumeln lassen – vielleicht geht das am besten, wenn der Körper es auch tut. Gerne auch mal zu zweit, wie auch Hans Albers rät: „Mal rauf und mal runter, bisschen Schwindel mitunter, da ist es das Beste, ’s hält einer dich feste!“
Wir haben Menschen gefragt, warum sie gerne schaukeln und was sie dabei empfinden. Außerdem wissen wir, wo man schaukeln kann:
Sabrina Esser, 28
„Für mich bedeutet Schaukeln Freiheit und den Kopf frei kriegen“
Die Erzieherin stiehlt sich auf Partys gerne davon, um beim Schaukeln zu entspannen – vom Stimmengewirr und der Menschenmenge.
Max Wagner, 22
„Man kann die Schaukel auch für Übungen nutzen, zum Beispiel für Liegestütze. Aber eigentlich ist sie eher für die Pause zwischendurch“
Der Sportstudent arbeitet im Sportstudio Pausenraum am Neusser Platz und schaukelt gerne, wenn er auf seine Kursteilnehmer wartet.
Tilda, 48
Tilda verbrachte ihre ersten acht Lebensjahre in einem Amsterdamer Varieté. Später lebte sie in einem Schweizer Zoo, dann in Krefeld. Sie ist sechsfache Mutter und genießt ihr Rentnerdasein seit dem Jahr 2008 im Kölner Zoo – oft schaukelnd.
Klaus Breitung, 60
Dürfen Erwachsene auf den Spielplatz?
„Spielplätze dienen dazu, Kindern und Jugendlichen die für sie so wichtigen Entfaltungsmöglichkeiten zum Spielen zu geben.“ So heißt es in der Kölner Spielplatzsatzung. Erwachsene dürfen aber auch rein, „sofern ihr Verhalten nicht dem Zweck dieser Satzung zuwider läuft“. Heißt im Klartext: Den Kindern nicht die Schaukel wegnehmen. Gabriele Menke vom Amt für Kinderinteressen kennt Schaukelorte für Erwachsene: Mediapark, Rheinpark und Vingster Berg. Sie selbst hat Verständnis für schaukelnde Große: „Wenn ich einen Termin habe auf einem Spielplatz, warte ich immer auf der Schaukel, nicht auf der Bank. Schaukeln macht einfach Spaß.“
Nicolai Kuntz, 22
„Im Stehen bekommt man leichter Schwung. Das Geheimnis ist: Man darf keine Angst haben“
Der Artist vom Zirkus Flicflac hat mit 12 begonnen, am Trapez zu trainieren. Bei seinen Saltos ist er mit einem Seil gesichert. „Schwung zu bekommen ist im Stehen einfacher. Wenn ich hinten bin, gehe ich in die Kniebeuge, in der Mitte drücke ich die Beine mit voller Kraft in die Stange, gleichzeitig strecke ich den Körper ganz durch. Beim Rückschwung gehe ich wieder leicht in die Hocke und am höchsten Punkt etwasin die Knie. Am schönsten ist der Moment bevor es wieder herunter geht. Da bin ich für den Bruchteil einer Sekunde schwerelos. Timing ist bei meinen Saltos das wichtigste.“
Leonel und Freddy, 5
„Das kitzelt so schön im Bauch, und man kann Kunststücke üben. Und manchmal ist es auch gemütlich, wenn man zu zweit schaukelt“ Leo
„Es macht Spaß, wenn man so hoch fliegt, dann sieht man alles. Und wenn es runter geht, saust man so schön schnell“ Fred
Meistens flitzen die beiden Freunde hinter einem Ball her. Doch zwischendurch tanken sie auch gerne mal Energie in der Hängeschaukel auf Leonels Terrasse.
Nela, 2 Monate
Nela schaukelt zum ersten Mal in der geliehenen Babyhängematte. Es scheint ihr zu gefallen. Sicher wird sie in ihrem Kinderleben noch einige Modelle mehr kennenlernen.
Wo man Schaukeln kann und wo es noch einen richtigen Adrenalinkick bedeutet, finden Sie hier:
Hier kann man schwingen:
Hollywood-Schaukeln am Aachener Weiher, Köln-City
Nest-Schaukel auf dem Hochwaldplatz in Köln-Sülz
Schiffsschaukeln: Freizeitpark Bügler’s, derzeit Grüngürtel, zwischen Neusser und Niehler StraßeGertrudenhof, Lortzingstraße, 50354 Hürth
Schaukel an der Nato-Rampe am Sürther Rheinufer, Köln-SürthSchaukel auf dem Spielplatz im Blücher-Park, zwischen Köln-Nippes und Neuehrenfeld. Tandem-Schaukel im Mediapark Erwachsenen-Schaukel am Vingster Berg, Köln-Ostheim Diverse Schaukeln auf dem Spielplatz im Kölner Zoo, Köln-Riehl
Schaukel mit Kick an der Casa del Arbol: Baños, Ecuador
Haben Sie auch eine Lieblingsschaukel? Dann spielen Sie bei unserem Gewinnspiel mit!
Gewinnspiel:
Spielplatz, Park, Schrebergarten, Kirschbaum – schicken Sie uns bis zum 10. August ein Foto von Ihrer Lieblingsschaukel und erzählen Sie uns, warum Sie dort so gerne schaukeln oder geschaukelt haben. Unter allen Einsendern verlosen wir einen Hängestuhl Fiesta Caribeña (siehe Seite 10). Die schönsten Geschichten werden im Magazin veröffentlicht.
Per Post: Kölner Stadt-Anzeiger Magazin, Stichwort Schaukel, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln
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