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Uhrendesign von Michael PaulDer Mann fürs Graue

3 min

Michael Paul gestaltet seit zehn Jahren Zifferblätter für Nomos.

Die Menschen in Treuenbrietzen kamen aus dem Staunen nicht heraus, als Michael Paul ihr Dorf in Brandenburg besuchte. „Ich hatte die Aufgabe, den spezifischen Grauton von Treuenbrietzen und 19 weiteren Orten in der ostdeutschen Provinz für die Zifferblattgestaltung einer Uhrenkollektion herauszufinden“, klärt Michael Paul auf. Die Dienstreise führte ihn nach Bautzen, Dessau, Eisenhüttenstadt, Glashütte, Grimmen, Herrnhut, Hildburghausen, Lichtenstein, Ludwigslust, Lützen, Pasewalk, Schildau, Schmalkalden, Schwarzenberg, Stendal, Templin, Treuenbrietzen, Weimar, Weißwasser und Wurzen. Immer mit der „Lizenz“, die Grauwerte zu messen. „Von einigen Städten hörte ich das erste Mal, gab die Namen in mein Navi ein und ließ mich von den Orten überraschen“, erinnert sich Paul.

Der Berliner Designer saß mit seinem Chef Roland Schwertner, Inhaber der Glashütter Uhrenmanufaktur Nomos, bei einem gemütlichen Abendessen zusammen, als die Idee zu dieser ungewöhnlichen Aktion geboren wurde. Der Uhrenfabrikant schickte seinen Zifferblattgestalter umgehend auf diese besondere Mission.

„Ich habe immer Grau im Kopf“

Ziel war es, das viel zitierte „Grau des Ostens“ vor der Wende, fein ironisierend und mit einem Augenzwinkern, Grauwerten zuzuordnen und die Zifferblätter der Uhren in dem jeweiligen Grauton zu färben. „Ich habe immer Grau im Kopf. Ich frage mich immer wieder: Ist es noch Grau an diesem Punkt, kann es unter diesem Thema noch als Grau laufen oder ist es bereits Beige oder Grün“, erläutert Paul seine akribische Grausuche für die Zeitmesser. „Es ist spannend, ein sehr begrenztes Thema auf einem derart abgezirkelten Feld bis in die Tiefe auszuloten.“

Seine Ortsbesichtigungen brachten ihm Erkenntnisse: Viele rote Autos auf den Straßen brachte Schmalkalden in Thüringen ein pointiertes, farbiges Grau an der Schwelle zu Rosa ein. Eisenhüttenstadt schaffte es mit seinem silber-bläulich strahlenden März-Himmel in eine andere Graustufe. Schwarzenbergs Grau stufte Paul in ein Dunkellila ein. Blumenkästen mit lilafarbenen Geranien auf einem Balkon in dem sächsischen Ort gaben für diesen Grauwert den Ausschlag. Für das perfekte Grau stehen Paul über 200 Nuancen von Grautönen zur Auswahl.

„Wo Grau anfängt und wo Grau aufhört“

Die gestalterische Quintessenz seiner Reise: 20 Zifferblätter in 20 unterschiedlichen Grautönen, benannt nach den jeweiligen Städten. „Grau ist meine Lieblingsfarbe, weil sie so vielschichtig ist. Keine andere Farbe ist so breit in den Nuancen. Über Grau kann man streiten, wo Grau anfängt und wo Grau aufhört. Wann beispielsweise hört Beige auf und wann fängt man an zu sagen, es ist ein warmes Grau. Es ist der ganz minimalistische und feine Umgang mit der Farbe, der mich fasziniert. Sich in diesen Nuancen zu verständigen, damit zu spielen und zu gestalten, ist eine sehr spannende Aufgabe“, erzählt Paul. Die gräulich schimmernden Zifferblätter stellen eine beinahe philosophische Analogie zum Fluss der Zeit her. Der Verwandlungskünstler Grau, eleganter als Weiß und aufregender als Schwarz, wird 2015 nach Blau der dominierende Farbton in der Uhrenindustrie.