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WissenschaftWarum der Mond bis heute Rätsel aufgibt

Lesezeit 6 Minuten

Vollmond.

Der italienische Gelehrte Giovanni Battista Riccioli (1598-1671) war einer der ersten, die den Mond mit einem Teleskop beobachten und ihn so näher erforschen konnten. Bei der Kartierung entdeckte er dunklere Bereiche, von denen er annahm, es handele sich um Meere, folgerichtig gab er ihnen den Namen „Maria“ (Mehrzahl von lat. „mare“ für Meer), während er die helleren Regionen „Terrae“ (Mehrzahl von lat. „terra“ für Land) benannte.

Bis heute haben sich diese Bezeichnungen erhalten, obwohl die Astronomen inzwischen wissen, dass es sich bei den augenscheinlichen Meeren in Wahrheit um Tiefebenen handelt, die sich dunkel abzeichnen, und bei den helleren Bereichen um Hochebenen. So ließ sich auch gleich das Geheimnis des „Mannes im Mond“ beziehungsweise des „Mondgesichts“ lüften: Die menschliche Fantasie ist es, die Parallelen zwischen dem menschlichen Antlitz und den geografischen Gegebenheiten auf dem Mond sucht und findet – nicht mehr und nicht weniger.

In Westafrika erkennt man im Mond ein Krokodil

Diese Assoziationen sind übrigens kulturabhängig, denn längst nicht überall auf der Welt sieht man ein menschliches Gesicht in den Formationen. In China etwa ist es ein Hase und in Westafrika gar ein Krokodil, die Beobachter zu erkennen glauben. Damit ist das Geheimnis um den „Mann im Mond“ aber noch nicht vollständig gelüftet, denn warum gucken wir von der Erde aus eigentlich immer auf das gleiche „Mondgesicht“? Wenn sich der Mond dreht, dann müssten wir ihn doch eigentlich auch mal von der Seite anschauen können – oder dreht sich der Mond am Ende überhaupt nicht?

Natürlich dreht sich der Mond, ja er hat seine eigene Rotation sogar an die der Erde angepasst. Er dreht sich auf seiner Bahn um die Erde so schnell um sich selbst, dass wir immer nur die eine gleiche Mondseite zu sehen bekommen, quasi die Vorderseite – Astronomen sprechen hier im Hinblick auf die Drehung der Erde von einer sogenannten gebundenen Rotation. Klar, dass diese Erkenntnis gleich eine Reihe neuer Fragen aufwirft und reichlich Raum für Geheimnisse und Spekulationen bleibt. Wenn wir nur eine einzige Seite kennen, was ist denn dann wohl auf der anderen, uns abgewandten Seite des Mondes?

Märchen von grünen Männchen

Schnell hat man spekuliert, ob denn dort wohl kleine grüne Männchen leben könnten. Aufschluss brachten spätestens die Fotos, die die sowjetische Mondmission Lunik 3 im Jahr 1959 von der anderen Seite aufnahm: Kleine grüne Männchen waren darauf nicht zu sehen. Dennoch staunten die Astronomen beim Entwickeln der Fotos nicht schlecht.

Denn nun stellte sich eine neue andere Frage, es gab ein neues Geheimnis, das gelüftet werden wollte. Mit 31,2 Prozent befinden sich die meisten und größten dunklen Tiefebenen auf der Vorderseite des Mondes, auf der uns abgewandten Rückseite finden sie sich nur zu 2,6 Prozent. Aber warum ist das so? Heute gehen viele Astronomen davon aus, dass der Mond dort in einem frühen Entwicklungsstadium, als sein Mantel noch weitgehend flüssig war, von Meteoriten getroffen wurde, die die noch dünne Kruste durchschlugen und anschließend aufsteigende Gesteinsschmelze die Einschlagskrater flutete. Die geringere Krustendicke der Vorderseite war es demnach, die die Entstehung dieser Tiefebenen begünstigte. Dennoch: Ob es wirklich so war, weiß niemand, die Tiefebenen geben den Astronomen bis heute Rätsel auf.

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Ganz im Gegensatz zu den Mythen, die sich um die „dunkle Seite des Mondes“ ranken. Die gibt es nämlich gar nicht. Da sich der Mond dreht, wird er auch auf seiner „Rückseite“ von der Sonne beschienen – nur bekommen wir das hier auf der Erde leider nicht mit, eben weil er sich uns aufgrund seiner Eigenrotation immer nur von einer einzigen Seite zeigt. Aber nicht nur das Leben auf dem Mond gibt der Wissenschaft Rätsel auf, interessant und noch längst nicht abschließend erforscht ist auch der Einfluss des Mondes auf die Erde.

Die Gezeiten werden vom Mond beeinflusst, darin stimmen Wissenschaftler überein. Aber was sonst noch? Beeinflusst der Mond unseren Alltag, unser Wohlbefinden? Lohnt es sich nach dem Mond zu gärtnern, wie es einige Ratgeber vorschlagen, ja sollte man gar den Friseurbesuch nach den Mondphasen ausrichten? Stimmt das, was man sich vom legendären „Mondholz“ erzählt, dass es schädlingsresistent ist und nicht einmal brennt? Esoteriker sind sich sicher, ebenso wie viele Wissenschaftler – nur halt mit umgekehrtem Vorzeichen.

Der österreichische Mediziner Michael Schardtmüller und der deutsche Sozialwissenschaftler Edgar Wunder kommen in einer Untersuchung über den Einfluss des Mondes auf Operationskomplikationen zu dem Fazit: „Es gibt gegenwärtig keine empirischen Belege, die die Auffassung stützten, die Mondphase oder die Stellung des Mondes in den Tierkreiszeichen korreliere mit wie auch immer gearteten Komplikationen bei Operationen.“ Mit anderen Einflussfaktoren des Mondes sieht es nicht viel besser aus. So endet eine Studie der Universität Halle-Wittenberg, die von 1966 bis 2003 mehr als vier Millionen Geburten untersuchte, mit dem Ergebnis, dass der Mond auch hier keinerlei Einfluss hat. „Einen Mondzyklus konnte ich bei der Analyse der Daten nicht feststellen“, resümiert Untersuchungsleiter Oliver Kuß.

Kein Einfluss auf die Selbstmordrate

In einer anderen Studie untersuchten G. Maldonado und J.F. Kraus von der Universität Minnesota potenzielle Einflüsse des Mondes auf die Selbstmordrate. Insgesamt studierten sie 4190 Selbstmorde aus den Jahren 1925 bis 1983. Auch hier ließen sich keinerlei Zusammenhänge nachweisen, wie die Autoren betonen: „Im Gegensatz zu einem allgemeinen Irrglauben ist es so, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Mondphasen und der Selbstmordhäufigkeit gibt.“ Mathematiker der Universität Saskatchewan in Kanada untersuchten in ihrer Studie Verkehrsunfälle aus neun Jahren. Und wieder schließen die Autoren mit den Worten: „Es ließ sich kein Zusammenhang mit einzelnen Mondphasen beziehungsweise dem Vollmond finden.“

Das sagenumwobene Mondholz, das sich zum Bauen so gut eignen soll und für das manche Häuslebauer heute gutes Geld bezahlen, entzauberte Henri Louis Duhamel du Monceau schon Anfang der 1730er Jahre. Heutige Forstwissenschaftler und Holzfachleute stimmen ihm zu: Zwar gibt es Faktoren, die die Eigenschaften des Holzes beeinflussen, wie der Zeitpunkt des Fällens, der Zeitraum des Lagerns und Entastens das Holzes, die Lagerbedingungen selbst und anderes mehr, der Mond aber gehört nicht dazu.

Diese Liste ließe sich nun endlos fortführen, das Ergebnis, zu dem die Wissenschaftler kommen, ist immer das gleiche. Dennoch: Wer bei Vollmond schlecht geschlafen hat oder auch seine alte Narbe wieder spürt, ist überzeugt davon, dass der Mond eben doch einen spürbaren Einfluss auf unser Leben hat. Aber gerade das ist es ja, was gute Rätsel ausmacht: Sie sind sind halt rätselhaft.