TiefseebergbauBrauchen wir die Metalle aus dem Meer?

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Eine Mitarbeiterin hält am Donnerstag in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover eine Manganknolle in der Hand. Der rote Punkt markiert die Oberseite der Knolle. Die in den Manganknollen der Tiefsee ebenfalls angereicherten Metalle Kupfer, Kobalt und Nickel sowie seltenere Spurenmetalle wie Molybdän werden zur Herstellung vieler Produkte der Elektro- und Computerindustrie benötigt. (Archivbild)

Eine Manganknolle: Die in den Manganknollen der Tiefsee angereicherten Metalle Kupfer, Kobalt und Nickel sowie seltenere Spurenmetalle wie Molybdän werden zur Herstellung vieler Produkte der Elektro- und Computerindustrie benötigt. (Archivbild)

Am Meeresboden lagern wichtige Rohstoffe wie seltene Erden, Mineralien und Metalle. Diesen Schatz will Norwegen bergen und Tiefseebergbau betreiben. Doch wofür braucht es die Rohstoffe? Und wie könnten sie abgebaut werden? Fragen und Antworten zum Tiefseebergbau.

Norwegen will den Meeresboden umgraben: Es ist eines der ersten Länder weltweit, das den kommerziellen Abbau von Bodenschätzen in der Tiefsee vorantreibt. Eine Mehrheit im Parlament in Oslo hatte Anfang des Jahres grünes Licht dafür gegeben, ein arktisches Gebiet auf dem norwegischen Kontinentalsockel für die Exploration und Gewinnung von Mineralien auf dem Meeresgrund freizugeben. Das Gebiet ist rund 281.000 Quadratkilometer groß. Kritisiert wird dieses Vorhaben nicht nur von Umweltverbänden, sondern auch vom EU-Parlament.

Auch die The Metals Company plant Tiefseebergbauarbeiten. Einen Sponsor hat die kanadische Firma schon: Der pazifische Inselstaat Nauru hatte Ende Juni 2021 angekündigt, einen entsprechenden Antrag auf Tiefseebergbau zu stellen.

Warum soll in der Tiefsee Bergbau betrieben werden?

Der Tiefseebergbau verfolgt nur ein Ziel: wertvolle Mineralien und seltene Erden gewinnen. Diese braucht es etwa für Windkrafträder oder Batterien für Elektroautos. Zurzeit werden die Bodenschätze ausschließlich an Land abgebaut, jedoch sind die Mengen begrenzt und werden zunehmend geringer. Das Meer stellt eine weitere Rohstoffquelle dar.

Welche Rohstoffe lassen sich im Meer abbauen?

Im Meer finden sich unter anderem Kobalt, Kupfer, Nickel, Eisen und Mangan. Sie liegen in der Tiefsee in unterschiedlicher Form vor, zum Beispiel als Manganknollen, Kobaltkrusten und Massivsulfide.

Was sind Manganknollen?

Manganknollen sehen aus wie schwarze Kartoffeln oder Gesteinsklumpen, die auf dem Meeresboden verteilt liegen. Sie bilden laut Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) in Kiel „die wichtigste potenzielle marine Rohstoffquelle“. In ihnen enthalten sind neben Mangan noch Eisen, Nickel, Kupfer, Titan und Kobalt.

Der norwegische Parlamentsabgeordnete Arild Hermstad (V.l.n.r.), die französischen Klimaaktivistinnen Camille Etienne und Anne-Sophie Roux sowie der französische Schauspieler Lucas Bravo nehmen an einer Demonstration gegen den Meeresbodenabbau vor dem norwegischen Parlamentsgebäude teil. (Archivbild)

Der norwegische Parlamentsabgeordnete Arild Hermstad (V.l.n.r.), die französischen Klimaaktivistinnen Camille Etienne und Anne-Sophie Roux sowie der französische Schauspieler Lucas Bravo nehmen an einer Demonstration gegen den Meeresbodenabbau vor dem norwegischen Parlamentsgebäude teil. (Archivbild)

Manganknollen entstehen, indem sich im Meerwasser gelöste Metallverbindungen nach und nach an einer Art Keim am Meeresboden ablagern. Der Keim kann alles Mögliche sein – ein Haifischzahn zum Beispiel oder Muschelsplitter. Das Wachstum von Manganknollen ist extrem langsam: Pro Million Jahre wachsen sie nur um wenige Millimeter.

Es gibt vier Meeresregionen, in denen Manganknollen vermehrt vorkommen. Die Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik ist das weltweit größte Manganknollengebiet. Dann gibt es noch Vorkommen im Peru-Becken, im Penrhyn-Becken und im Indischen Ozean.

Was sind Kobaltkrusten?

Kobaltkrusten sind „steinharte, metallhaltige Beläge“, erklärt der „World Ocean Review“ (WOR). Sie bilden sich auf Felshängen von Unterwasservulkanen, sogenannten Seebergen. Wie ihr Name verrät, enthalten sie große Mengen an Kobalt, aber auch Mangan, Eisen und Tellur.

Schätzungen gehen davon aus, dass es mindestens 33.000 Seeberge weltweit gibt. Die meisten und ältesten finden sich im Pazifik. Der Ozean sei damit „die wichtigste Kobaltkrustenregion der Welt“, heißt es im „WOR“.

Kobaltkrusten entstehen ähnlich wie Manganknollen, indem sich innerhalb von Jahrmillionen Jahren Metallverbindungen im Wasser auf dem Gestein ablagern. Da die Krusten jedoch fest mit ihrem Untergrund verwachsen sind, lassen sie sich nicht so einfach abbauen wie Manganknollen. „Vielmehr müsste man sie aufwendig vom Untergrund abtrennen“, erklärt das Geomar.

Was sind Massivsulfide?

Massivsulfide haben eine ähnliche Entstehungsweise wie Kobaltkrusten: Schwefelverbindungen, sogenannte Sulfide, lagern sich am Meeresboden ab. Sie entstehen an Hydrothermalquellen – auch „Schwarze Raucher“ genannt –, die an vulkanisch aktiven Zonen der Tiefsee zu finden sind. Dort strömt mit Sulfiden angereichertes Wasser aus dem Untergrund ins Meer.

Laut „WOR“ sind rund 300 Massivsulfidvorkommen in den Weltmeeren bekannt. Die Ablagerungen enthalten unter anderem Eisensulfid, Kupfersulfid, Zinksulfid und Sulfide anderer Metalle wie Gold und Silber. „Doch die Größe und der Metallgehalt von Massivsulfiden sind schwer messbar.“ Nach heutigen Kenntnissen sind nur wenige der bekannten Massivsulfidvorkommen ausreichend groß und verfügen über entsprechende Metallgehalte, um wirtschaftlich abbauwürdig zu sein.

Wie sollen diese Rohstoffe abgebaut werden?

Die Technik für den Tiefseebergbau ist noch in der Entwicklungsphase.

Bei Manganknollen könnten zum Beispiel Maschinen zum Einsatz kommen, die wie ein Staubsauger die Klumpen vom Meeresboden aufsaugen und zur Oberfläche transportieren. Untersuchungen des europäischen Forschungsprojekts Mining Impact über die Bergbautests von The Metals Company und des belgischen Unternehmens GSR am Meeresboden in der Clarion-Clipperton-Zone zeigten jedoch: Die Panzer-ähnlichen „Kollektoren“ saugen nicht nur die Manganknollen auf, sondern auch andere Organismen, die auf ihnen sowie in und auf dem Sediment leben. Zudem richte die entstehende Sedimentwolke großflächige Schäden an.

Kobaltreiche Eisen-Mangan-Krusten abzubauen ist noch schwieriger. „Denn oft bilden die Krusten die Oberflächengestalt des Untergrundgesteins nach“, heißt es im „WOR“. „Befinden sich zum Beispiel Gerölle, abgerundete Blöcke und Gesteinsplatten oder die Fließstrukturen ehemaliger Lava unter den Krusten, so formen diese genau jene Strukturen nach.“ Für die Abbaufahrzeuge könnte das bedeuten, dass sie auf dem unebenen Untergrund schnell stecken bleiben.

In einer Studie aus dem Jahr 2022 berichteten chinesische Forschende, erfolgreich einen Prototypen für den Kobaltkrusten-Abbau im Südchinesischen Meer getestet zu haben. Das Gerät konnte sich nachweislich auf dem Meeresboden bewegen und Kobaltkrusten schneiden und zerkleinern.

Auch für den Abbau von Massivsulfiden braucht es Maschinen, die die Ablagerungen herausschneiden und zerkleinern. Geforscht wird zum Beispiel an einem „Vertical Approach“: Dabei soll eine in Stahl eingekleidete Schlitzwandfräse – wie sie auch bei Kanalbauarbeiten verwendet wird – zum Meeresboden hinabgelassen werden. Die Fräsräder an der Unterseite schneiden und zerkleinern dann die Massivsulfide. So soll weniger Sediment aufgewirbelt werden.

Wie stark schädigt der Tiefseebergbau die Unterwasserwelt?

Die Folgen des Tiefseebergbaus für das marine Ökosystem sind noch nicht genau verstanden. Auch deshalb sprechen sich Meeresforschende und Umweltverbände gegen diese Arbeiten aus. „Es ist wichtig, nicht zu voreilig zu handeln, denn es kann sein, dass wir tatsächlich große Flächen der Tiefsee für immer zerstören“, warnte Pedro Martínez Arbizu, Direktor des Instituts Senckenberg am Meer, im RND-Interview.

Allein der Abbau von Manganknollen könnte weitreichende Folgen haben. Die Knollen sind zum Beispiel wichtige Lebensräume für Tiere wie Schwämme und Korallen. Werden sie vom Meeresboden abgebaut, wirkt sich das auf die Biodiversität aus. „Das ist wie an Land: Wenn man die erste Schicht einer Wiese abträgt, hinterlässt man ein Sediment, das schlecht für die Wiederbesiedlung von Organismen ist, weil es weniger Sauerstoff hat“, erklärte Arzibu. Bis dort wieder Leben zurückkehrt, könne es mindestens 100, wenn nicht sogar 200 Jahre dauern.

Brauchen wir die Metalle aus dem Meer überhaupt?

Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt. Aus Sicht der Industrie braucht es in Zukunft weiterhin seltene Erden, Mineralien und Metalle, um die Technologien der Zukunft zu entwickeln. Da die Ressourcen an Land nicht endlos vorhanden sind, könnten die Metalle am Meeresboden eine wichtige Rohstoffquelle sein.

Das Öko-Institut sieht das anders: Die Forschungseinrichtung kommt zu dem Schluss, dass der Tiefseebergbau für die Energie- und Verkehrswende nicht unbedingt nötig ist. Bei Rohstoffen wie Lithium oder Graphit, die für Batterien benötigt werden, könne er keine Abhilfe schaffen.

„Die in den Tiefseevorkommen enthaltenen Metalle Kobalt und Nickel gelten zwar auch als versorgungskritisch für Lithium-Ionen-Batterien, hier ist aber eine Entwicklung hin zu anderen Materialien und Rohstoffen zu erkennen“, erklärt das Öko-Institut. So werden inzwischen Batterien hergestellt, die ohne Kobalt und Nickel auskommen. „Dieser Trend wird sich angesichts der schnell fortschreitenden Batterieforschung in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich fortsetzen.“

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