„100 Ideen für Köln“ heißt eine Serie im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sozialpfarrer Franz Meurer schlägt ein finnisches Konzept gegen Obdachlosigkeit vor.
100 Ideen für KölnPfarrer Franz Meurer will mit Housing First die Obdachlosigkeit beenden

Ein Obdachloser wärmt sich auf dem Roncalliplatz vor dem Dom sitzend in der Sonne (Archivbild)
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Was ist meine Idee für Köln?
Ich schlage ein Housing-First-Konzept nach finnischem Modell vor, um die Obdachlosigkeit in Köln zu beenden, so wie es die EU bis 2030 will. Die Hilfe in Finnland beruht auf zwei Säulen: Stiftungen oder Mäzene bauen oder kaufen Wohnungen und stellen sie zur Verfügung. Die Obdachlosen sind Mieter, die Miete zahlt der Staat. Dazu werden Sozialleistungen wie medizinische und psychologische Betreuung und Unterstützung bei Behördengängen angeboten. Auch der Europäische Strukturfonds beteiligt sich an den Kosten. Die Finnen bekämpfen die Obdachlosigkeit so seit Jahrzehnten beharrlich – und sehr erfolgreich.

Pfarrer Franz Meurer
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In Köln gibt es schon viele Initiativen: Der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) hat Wohnungen für Menschen ohne Obdach gebaut. Die Bethe-Stiftung hat zu diesem Zweck Häuser gekauft. Die Initiative „Kunst hilft Geben“ sammelt seit Jahren mit gestifteter Kunst Geld zum Kauf von Häusern. Der Vrings-Treff kauft Wohnungen für Obdachlose. Es gibt Modelle, die Arbeit und Wohnen verbinden, wie Emmaus oder die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM). Trotzdem nimmt die Zahl obdachloser Menschen zu. Offensichtlich reichen die Bemühungen nicht aus. Das Konzept aus Finnland könnte das ändern.
Warum wäre das gut für die Stadt?
Köln gilt als soziale Stadt, aber das Problem von Wohnungsnot und Verwahrlosung nimmt zu. Darunter leidet das Image von Köln – ein Leuchtturmprojekt gegen Obdachlosigkeit würde dagegen steuern und sehr vielen Menschen helfen. Jeder weiß: Erst, wenn ein Mensch ohne Obdach ein Zuhause hat, hat er den Kopf frei für all die anderen Dinge, die ihm aus der Malaise helfen.

Die Streetworkerin Linda Rennings (r.), selbst ehemals ohne Wohnung, kümmert sich in Köln um obdachlose Frauen.
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Es gibt in Köln viele Initiativen, die Unterstützung bieten. Suppenküchen sorgen für Essen. Die Malteser-Medizin und die Ambulanz CAYA versorgen medizinisch. Es gibt den Treffpunkt Oase und im Winter den Wärmebus. Die Ex-Obdachlose Linda Rennings kümmert sich besonders um obdachlose Frauen. Andere bemühen sich um Jugendliche auf der Straße. Seit drei Jahren gibt es in Mülheim die Arche für Obdachlose mit einem täglichen Angebot von Beratung, Verpflegung, Duschen, Waschmaschinen.
Viele machen vieles – aber es bewirkt nicht den sprichwörtlichen „Rumms“. Der findet sich in Finnland. Dort wurde das Konzept Housing First in großem Stil umgesetzt
Viele machen vieles – aber es bewirkt nicht den sprichwörtlichen „Rumms“. Der findet sich in Finnland. Dort wurde das Konzept Housing First in großem Stil umgesetzt. Es bedeutet: Vor allen anderen Angeboten der Unterstützung wie Essen, Medizin, Entschuldung, Drogenentzug oder Arbeit kommt das Angebot einer eigenen ganz kleinen Wohnung, in Kölle gern „Wohnklo“ genannt. Danach kann die weitere Unterstützung funktionieren. Alle Studien bestätigen, dass eine Wohnung die Voraussetzung ist, um wieder Fuß zu fassen in der Gesellschaft. Wenn aber wie in Köln immer mehr Menschen wohnungslos sind, kann das nicht gelingen.
Wie könnte die Umsetzung gelingen?
Nur wenn die oder der neue OB das im Herbst persönlich als sein Ding möchte und ganz oben auf seine Agenda setzt. Dass es funktionieren kann, zeigt schon ein Blick in die Geschichte. Früher als in anderen Großstädten wurde in Köln die GAG gegründet, die gemeinnützige AG für Wohnungsbau. In den 1920er Jahren war Köln an der Spitze: Es wurde viermal so viel gebaut wie im Durchschnitt des Reiches. Davon gemeinnützig zwischen 91 Prozent im Jahr 1921 und 62 im Jahr 1928, sagte mir Michael Schleicher, ehemaliger Leiter des Wohnungsamtes. Lange wurde so gewährleistet, dass alle Menschen eine Wohnung bekommen. Heute gibt es viel zu wenige Sozialwohnungen. Der Staat allein kann das Problem nicht mehr stemmen.
Was braucht es dafür?
Mäzene und Stiftungen wie die Bethe-Stiftung, die sich bereits engagiert und Housing First großzügig unterstützen würde. Prominente, die dafür werben. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass Kölner Bürgerinnen ihre Schatulle öffnen, wenn sie ein Konzept sehen, das Obdachlosigkeit effektiv und nachhaltig bekämpft.
Was mich besonders bewegt bei den Berichten aus Finnland: Die Menschen haben die Wahl zwischen einer Mini-Wohnung mitten in einem normalen Wohngebiet und einem Appartement in einem Hochhaus. Die meisten möchten ins Hochhaus. Denn dort gibt es unten Gemeinschaftsräume. Auch günstiges Mittagessen. Beratung. Ab und zu Friseur. Lebenserfahrene Sozialarbeiterinnen, Arbeitsangebote. Wenn der oder die neue OB das wirklich will, kann das finnische Konzept auch in Köln umgesetzt werden. Als Leuchtturm. Davon bin ich überzeugt.