Spurensuche in KölnEin altes Kölner Krankenhaus wie ein Schloss

Das Bürgerhospital mit der hauseigenen Kirche St. Cäcilien
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Köln – Erst 1965 wurden die letzten Mauerreste des kriegszerstörten Bürgerhospitals nahe des Neumarkts abgerissen. Für die Josef-Haubrich-Kunsthalle neben der neu errichteten Volkshochschule sollte Platz geschaffen werden.
Ältere Kölner werden sich noch an die Bauarbeiten erinnern. Wie im umfangreichen Band „Kölner Krankenhausgeschichten“ (herausgegeben von Monika Frank und Friedrich Moll) dargestellt ist, bedauern Historiker bis heute den Verlust des Krankenhaus-Gebäudes. Sein Raumkonzept galt als geradezu revolutionär und richtungsweisend für Krankenhausbauten. In seinen Mauern haben Patienten und Personal glanzvolle Zeiten des Behandlungsfortschritts erlebt – aber auch die bisher schlimmsten Kapitel der Medizingeschichte.
Als letzte Spur kann noch das Schnütgen-Museum in seiner baulichen Schönheit an der Cäcilienstraße prunken. Es ist die ehemalige, mittelalterliche Stiftskirche St. Cäcilien, die ab 1845 rund 100 Jahre als Krankenhaus-Kapelle ihren festen Platz in dem großen, innerstädtischen Gesundheitszentrum hatte.
Napoleon haben die Kölner – neben etlichen anderen Neuerungen – den entscheidenden Anstoß zur Modernisierung der Heilbehandlungen zu verdanken. Mit der französischen Besatzung im Jahre 1794 brachte das Heer zur Pflege seiner verwundeten Soldaten ein Lazarett-Konzept inklusive durchgeplanter medizinischer Versorgung mit. Damit die Truppen, aber auch die Zivilbevölkerung ärztlich optimal versorgt werden konnten, übergab Napoleon der Stadt 1804 per Dekret unter anderem die benachbarten säkularisierten Klosterbauten von St. Cäcilien und St. Peter.
Mit ihren Verwaltungsvorgaben brachten die Franzosen System in die Krankenversorgung; so entstand in den Klostermauern das Cäcilienhospital als erstes städtisches Krankenhaus.
Das größte Krankenhaus Preußens
Ein Ansturm von Cholera-Kranken machte den Kölnern 1830 klar, dass die Klosteranlagen nicht mehr ausreichten. Der damalige Stadtbaumeister Johann Peter Weyer wurde beauftragt, ein Bürgerhospital zu entwerfen. Weyer entwickelte das Krankenhaus in enger Zusammenarbeit mit Ärzten – schon damals eine weise Entscheidung.
Bis 1847 entstand so das mit mehr als 700 Betten größte Krankenhaus Preußens. Es wirkte mit seinen drei Geschossen wie eine barocke, dreiflügelige Schlossanlage, war jedoch äußerlich spartanisch gestaltet mit Backsteinfassaden und dekorativen Elementen aus Rotsandstein.
Gegenüber dem Haupthaus, an der damals noch durchgehenden Peterstraße, erhob sich St. Cäcilien, deren Eingang eine optisch passende Eingangsfassade erhielt. Der großzügige Innenhof war wie ein barocker Park angelegt, die Auffahrt zum Eingang des Hauptgebäudes an der Peterstraße von Beeten gesäumt. Weyer brachte mit dem Bau internationales Flair in die Stadt, Backsteinfassaden wurden fortan in Köln zur Mode.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Die dunkle Geschichte des Bürgerhospitals.
Im Inneren waren die Etagen erstmals in Korridor-Bauweise gestaltet: Alle Patientenzimmer mit ihren großen Fenstern waren nach Süden ausgerichtet – bis heute werden Krankenhäuser nach diesem Vorbild gebaut. Patienten wurden je nach Erkrankung auf unterschiedliche Stationen verteilt, die Ärzte verrichteten Dienste rund um die Uhr.
Der größte Fortschritt: Auf allen Ebenen gab es fließendes heißes und kaltes Wasser, Duschen, Badewannen und Heizungen. Jeder Patient hatte ein eigenes Bett, was bis dahin alles andere als selbstverständlich war. Auch eine Apotheke und Küchen waren im Haus untergebracht. Die Baukosten wurden weit überschritten.
Von 1870 bis zum Ersten Weltkrieg stand das Bürgerhospital für medizinischen Fortschritt im Kaiserreich. Einen besonderen Ruf genoss dabei der Geheime Sanitätsrat Professor Bernhard Bardenheuer, der ab 1873 als Oberarzt tätig war. Der Chirurg entfernte Tumore und heilte Gelenkschäden durch Operationen. Siebenmal entfernte er Nieren, alle Patienten überlebten den Eingriff.
Als Bardenheuer 1913 hochgelobt seine Tätigkeit beendete, war die Krätze eine der Volkskrankheiten: Gut ein Fünftel aller Patienten ließ sich ihretwegen behandeln.
Unrechtsmedizin im NS-Regime
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann der Untergang des Bürgerhospitals, der sein Ende in der Zerstörung bei einem Bombenangriff 1945 fand.
Unter Gesundheitsdezernent Carl Coerper wurde die „völkische Rassepolitik“ Leitlinie. Mit welcher erschreckenden Konsequenz sich das Bürgerhospital zum Initiator und Vollstrecker der Unrechtsmedizin wandelte, hat die Historikerin Nicola Wenge in einem Aufsatz beschrieben. Die neu eingerichtete Abteilung hieß „Rassen- und Konstitutionspflege“. Ärzte und Pflegepersonal sollten Patienten nicht mehr unabhängig von Herkunft und Schaffenskraft behandeln.
Schwer Pflegebedürftige, chronisch Kranke, Alte und Behinderte galten plötzlich als „lebensunwert“. Die Ärzte trieben die Zwangssterilisation von mehr als 4000 Menschen voran, psychisch Kranke schickten sie bewusst in den Tod. Das Bürgerhospital war auch Vorreiter in Sachen „Säuberung“, also der Entlassung von jüdischem Personal.
Das Bürgerhospital konnte nie auf Ordensschwestern als Pflegepersonal verzichten. Trotz Säkularisation waren die französischen Besatzer auf ihren Einsatz angewiesen. Es kam zur Gründung der Genossenschaft der Cellitinnen – oder Augustinerinnen, wie die Kölner sie nannten.
Die Stadt als weltlicher Träger der Krankenhäuser warb geradezu um sie, weil das städtische Personal oft unzuverlässig war. Sogar die kirchenfeindlichen Nationalsozialisten kamen nicht um sie herum, denn die Zahl der im Bürgerhospital ausgebildeten, regimetreuen „braunen Schwestern“ reichte nie aus zur Krankenpflege. (kb)
Nach dem Krieg plante die Stadt auf dem Areal zunächst ein neues, noch größeres Gesundheitszentrum. Davon wurde allerdings nur ein kleiner Teil verwirklicht: das Agrippabad. Zum einen waren in den vergangenen Jahrzehnten bereits etliche spezialisierte Kliniken im Stadtgebiet entstanden, zum anderen konnten Kasernenbauten auf dem Fliegerhorst-Gelände in Merheim in die benötigten kommunale Krankenbetriebe umgerüstet werden. Dort haben die Kliniken Köln bis heute einen festen Standort.
Eine Gedenktafel am Gesundheitsamt am Neumarkt erinnert heute an die Opfer der Zwangssterilisationen. Wenige Meter entfernt, auf dem Areal an der Fleischmengergasse, Ecke Cäcilienstraße, haben sich erneut Ärzte niedergelassen: Seit mehr als 25 Jahren besteht dort die Praxisklinik im Haubrichforum.