Ob Explosion, Giftwolke oder illegales Drogenlabor: Die ATF Köln soll innerhalb von zwei Stunden herausfinden, welche Gefahr droht.
Analytische Taskforce KölnSpezialteam der Feuerwehr spürt gefährliche Stoffe auf

Spezialisten der Analytischen Taskforce entnehmen zu Übungszwecken eine Probe vom Wasser im Fühlinger See.
Copyright: Arton Krasniqi
Umherstehende Fässer mit Flüssigkeiten, palettenweise Gasflaschen, Pulverreste auf dem Boden, Kessel, in denen im Halbdunkeln irgendwelche Substanzen köcheln – wenn die Polizei ein illegales Drogenlabor aushebt, wie kürzlich in der Nähe von Köln, herrscht oft höchste Alarmstufe. Niemand weiß, welche Stoffe dort lagern und wie gefährlich sie sind. Für die Ermittler gilt der erste Anruf dann häufig der „Analytischen Taskforce“, kurz ATF, eine spezielle Einheit der Feuerwehr Köln.
Egal, ob der unbekannte Stoff fest, flüssig oder gasförmig ist, ob er im Boden, im Wasser oder in der Luft gemessen wird: „Unser Ziel ist es, innerhalb von zwei Stunden zu wissen, womit wir es zu tun haben“, sagt Stefan Beßlich, operativer Leiter der ATF und seit Gründung der Kölner Einheit vor 16 Jahren dabei.
Köln: 30 bis 35 Einsätze für die ATF jedes Jahr
30 bis 35 Einsätze pro Jahr absolviert die ATF in Köln und Umland. Zuletzt etwas weniger, weil viele örtliche Feuerwehren und auch die Polizei sich zunehmend selbst mit zumindest einfacheren Messgeräten ausstatten. Doch niemand verfügt über dieselbe Expertise wie die Task Force in der Hauptwache an der Scheibenstraße in Weidenpesch.
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Stefan Beßlich ist der operative Leiter der ATF Köln.
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Ob eine Explosion in einer Müll-Verbrennungsanlage wie 2021 bei Currenta in Leverkusen, der Zusammenstoß zweier Kesselwaggons mit hochentzündlichem Ethylenoxid im Chempark Dormagen 2020 oder Droh- und Erpresserbriefe mit unbekanntem Pulver – die ATF rückt aus, wenn Feuerwehrleute bei einem Einsatz zusätzlich Alarm wegen biologischer, chemischer oder atomarer und terroristischer Gefahren auslösen.
An einem Montag im Dezember sitzt Stefan Beßlich vor einem Laptop in der Konferenzzone der Hauptfeuerwache. Ein Beamer wirft Statistiken, Organigramme und Fotos von Einsätzen der ATF an die Wand. Eine Leistungsschau als Powerpoint-Präsentation. Beßlich erzählt, wie Polizei und Feuerwehr vor Jahren überraschend ein vollständig ausgerüstetes Bio-Labor in einem Mehrfamilienhaus in Köln-Niehl aushoben, gegen einen Bewohner wurden Ermittlungen eingeleitet.

Mitglieder der Analytischen Taskforce Köln bei einer Übung am Fühlinger See.
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Aktuell beschäftigen die ATF-Einheit vor allem illegale Drogenproduktionsstätten in Kellern oder Hinterhöfen und so genannte Geruchslagen – beißender oder fauliger Gestank etwa, der sich über Wohngebieten breit macht. „Unsere Aufgabe ist es dann herauszufinden, was in der Wolke drin ist und wohin sie zieht“, sagt Stefan Beßlich. Im Zweifel müssen die Bevölkerung gewarnt und im äußersten Fall Häuser evakuiert werden.
Die ATF arbeitet nicht nur mit modernsten Messgeräten und Fahrzeugen, sondern bedient sich dazu der Expertise eines breiten Netzwerks aus Fachleuten, darunter Nuklearchemiker, Mikrobiologen und Kernphysiker. „Eine sehr kleine, eingeschworene Truppe“, sagt Beßlich, der Chemieingenieurswesen studiert hat. Alle diese Experten arbeiten bei der Feuerwehr, fast alle als Ehrenamtler bei Freiwilligen Wehren. „Ohne das Ehrenamt würde das gar nicht funktionieren“, sagt Beßlich. Aber der Bedarf ist groß, die Stadt Köln sucht händeringend Naturwissenschaftler, die auch im Hauptberuf bei der Feuerwehr arbeiten wollen.
Sprecher Ulrich Laschet rührt die Werbetrommel: „Das Arbeitsfeld hier ist riesig und extrem vielfältig, viel breiter als in einem Beruf mit rein naturwissenschaftlichem Kontext.“ Von der Ausbildung über die Einsatzplanung bis zur Tätigkeit als Einsatzleiter mit Spezialisierung etwa auf die ATF biete die Feuerwehr ein großes Spektrum an Einsatzmöglichkeiten.
Gegründet wurden die Analytischen Task Forces unter dem Eindruck des Terroranschlags 2001 in den USA und der Zuganschläge in Madrid 2004. Die Initiative ging vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe aus, nachdem Bund und Länder sich 2002 auf eine „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ verständigt hatten. Bundesweit gibt es derzeit acht Standorte der ATF, drei davon in NRW: in Köln, Dortmund und Essen. Innerhalb eines Einsatzradius von circa 250 km um den jeweiligen Standort soll die ATF innerhalb von etwa drei Stunden nach Alarmierung Hilfe leisten können.

