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Olympia-FahnenträgerinAnna-Maria Wagner in Köln: „Ich möchte in der normalen Welt ankommen“

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Anna-Maria Wagner und Lorraine Hoffmann bei der WM in Abu Dhabi, wo sie den Titel zum zweiten Mal in der Gewichtsklasse 70 bis 78 Kilo holte. Sie gewann im Finale gegen die Italienerin Alice Bellandi im Golden Score.

Anna-Maria Wagner und Lorraine Hoffmann bei der WM in Abu Dhabi, wo sie den Titel zum zweiten Mal in der Gewichtsklasse 70 bis 78 Kilo holte. Sie gewann im Finale gegen die Italienerin Alice Bellandi im Golden Score. 

Judoka und zweifache Weltemeisterin Anna-Maria Wagner hat zusammen mit der Kölner Fotografin Lorraine Hoffman ein Bildband über ihre Karriere veröffentlicht.

Das Glück wiegt manchmal so viel wie eine Medaille. Wer es im Profisport bis zu den Olympischen Spielen gebracht hat und dort gewinnt, der hat es geschafft. Fans und Zuschauerinnen haben möglicherweise eine Ahnung davon, dass dahinter auch anstrengende Jahre der Arbeit, des harten Trainings, des Drucks stecken. Höhenflüge wie zweimal Bronze in Tokio und Rückschläge wie der 5. Platz in Paris wechseln sich ab. Doch egal wie es ausgeht, für Judoka Anna Maria-Wagner stand immer fest: Am Ende zahlt sich alles aus. Mit diesem Motto sei die zweifache Weltmeisterin und kürzlich gekürte Militär-Weltmeisterin im Halbschwergewicht, Trainingsstützpunkt Köln, gut gefahren. 

„Egal wie blöd alles scheint, wie verzweifelt man ist, es lohnt sich weiterzumachen. Ich hoffe, dass ich dem Nachwuchsbereich diese positive Message mitgeben kann“, sagt die 29-Jährige dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ein gerade erschienenes Fotobuch mit Texten, das das Motto im Titel trägt, dokumentiert zwei Jahre ihrer Karriere bis zu Olympia in Paris, wo Wagner neben dem Basketballer Dennis Schröder Fahnenträgerin war. Zweifelsohne ein Highlight für die Profisportlerin. Sowie für die Kölner Fotografin Lorraine Hoffmann, die Wagner an insgesamt 250 Reisetagen, bei 19 Trainingslagern und 15 Wettkämpfen mit ihrer Kamera begleitet hat.

Lorraine Hoffmann (l.)  begleitete Anna-Maria Wagner auch bei der WM 2024 in Abu Dhabi.

Lorraine Hoffmann (l.)  begleitete Anna-Maria Wagner auch bei der WM 2024 in Abu Dhabi. In Paris 2024 wurde sie 5. In Tokyo gewann sie zwei Mal Bronze.

Anna-Maria Wagner und Lorraine Hoffmann: Aus sechs Wochen wurden zwei Jahre

Dass es dazu kam, war kein Zufall. Hoffmann hat Wagner ganz gezielt angesprochen. „Ich habe bereits kurz vor Corona im Rahmen eines Auslandssemesters eine Weltreise gemacht und Frauen im Kampfsport fotografisch begleitet und interviewt. Als ich Anna-Maria 2021 im Fernsehen bei den Olympischen Spielen gesehen habe, dachte ich schon, dass es spannend wäre, sie zu begleiten“, sagt Hoffmann, die Sportmanagement an der Spoho studierte und selbst jahrelang Kampfsport wie Karate ausübte. „Ich habe ihr ganz frech eine Mail geschickt, meine Arbeit gezeigt und ihr vorgeschlagen, sie zunächst sechs Wochen bis zur Weltmeisterschaft 2022 zu begleiten. Sie hat noch am selben Tag geantwortet.“

Die Zusammenarbeit habe so gut funktioniert, dass aus anfänglich vereinbarten sechs Wochen zwei Jahre wurden. Hoffmann wusste, sobald Wagner beim Training und bei Wettkämpfen, auf volle Konzentration schaltet, muss sie so weit außen vor sein, wie es geht. „Sie hat in all den Jahren eine sehr gute Arbeit gemacht, indem sie unsichtbar war, und auch wusste, wo mein Space ist. Sie wusste, dass sie Abstand halten muss, sobald ich trainiere“, sagt Wagner.

Auszug aus dem Bildband „Am Ende zahlt sich alles aus“ von Lorraine Hoffmann und Anna-Maria Wagner.

Auszug aus dem Bildband „Am Ende zahlt sich alles aus“ von Lorraine Hoffmann und Anna-Maria Wagner.

Die Intuition, wo sie wann zu sein hat, wie sie Nähe und Distanz ausbalanciert, liegt an der eigenen Erfahrung mit Kampfsport. „Viele Dinge sind mir da einfach vertraut. Mir war klar: Ich folge ihr wie ein Schatten und bin wie eine Fliege an der Wand, die alles beobachtet“, so Hoffmann. Für sie sei es eine durchweg positive Erfahrung gewesen. „Zwischen uns gab es nicht viele Herausforderungen“, sagt Hoffmann.  Doch man wisse nicht, wie ein Wettkampf ausgeht. Ob Verletzungen ein vorzeitiges Aus bedeuten können. Der Medienrummel um die interne Konkurrenz um die Olympia-Qualifikation sei schon herausfordernd gewesen.

„Da muss man natürlich an sich und das Projekt glauben.“ Hoffmann hatte aber keinen Zweifel, dass es sich in jedem Fall lohnen würde. Und auch Wagner war vom Ergebnis ganz begeistert. „Es war verrückt, ich konnte nicht glauben, dass das unser Buch ist. Meine Geschichte, die auch andere lesen“, so Wagner. Als Profisportlerin will man sich stark zeigen. Da passe es häufig nicht ins Bild, sich zu öffnen, auch über Schwächen zu sprechen. „Es ist aber kein komplettes Tabuthema, ich habe ja auch öffentlich über meine Post-Olympia-Depression gesprochen. Mit so einem Buch intime Einblicke zu gewähren, ist allerdings eine Seltenheit. Ich finde es schön, zu zeigen, dass der Weg zu so einem großen Ziel kein Spaziergang ist.“

Anna Maria-Wagner beendet Karriere in 2025

Um dem Nachwuchs etwas mitzugeben, sollen zehn Euro pro verkauftem Buch an die Organisation „Home of Athletes“ gehen, die sportpsychologische Beratung anbietet. Wagner hat sie schon selbst in Anspruch genommen: für die eigene mentale Gesundheit und um sich besser in den Modus der vollen Konzentration zu bringen. „Denn mein Kopf macht bei Wettkämpfen 80, 90 Prozent aus. Ich muss die Welt ausblenden können. Daraufhin habe ich mit Sportpsychologen hingearbeitet.“ Außerdem: Ein Buch zum Ende der aktiven Sportlerkarriere – das passt gut. „Ab Januar habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr komplett brenne, dass mein Herz sich nach etwas anderem sehnt.“

Im Oktober hat sie ihren aller letzten Kampf. „Danach möchte ich mein Studium beenden, in der normalen Welt ankommen.“ Ihr sei wichtig gewesen, den Zeitpunkt selber zu bestimmen. „Ich habe so ziemlich alles erreicht, man muss aufhören, wenn es am schönsten ist.“ Dem Judosport bleibt sie jedoch als Botschafterin erhalten und auch punktuelle Trainingsstunden gibt sie auf Anfrage.

Der Bildband ist online erhältlich und kostet 41,95 Euro.