Auf der Goltsteinstraße war die Hölle los

Die Perchten beschützen den Nikolaus. Ob die Kinder das auch so sehen?
Copyright: Ulrike Süsser
Bayenthal – Der Nikolaus war zwar die eigentliche Hauptperson, aber seine gruseligen Begleiter, die Perchten, stahlen ihm eindeutig die Schau. Mit lautem Geläut der Rumpelglocken kamen die Zottelgestalten mit den Riesenhörnern auf dem Kopf die Goltsteinstraße entlang, mittendrin entdeckten die Zuschauer den Heiligen Mann im roten Kostüm. Er saß entspannt im Bollerwagen und ließ sich ziehen. Die seltsame, lärmende Truppe machte Halt vor dem Lebensmittelgeschäft „Der Österreicher“, und der Heilige Nikolaus bahnte sich den Weg hinein ins Ladenlokal, wo Kinder schon auf ihn warteten. Er erzählte den braven Kindern schöne Geschichten und verteilte kleine Sackerl voll mit Lebkuchen, Nüssen und Obst.
Zuschauern stockte der Atem
Derweil trieben draußen auf der Straße die zombiehaften Perchten ihr Unwesen, erschreckten die Leute, ließen sich in ihrer ganzen Gruseligkeit bestaunen, und entsprechend der Tradition gaben sie sich alle Mühe, böse Geister zu verscheuchen – falls vorhanden. Selbst hartgesottenen Zuschauern stockte kurzfristig der Atem, wenn die Perchten allzu nah kamen – man weiß ja nie. „Die beschützen doch nur den Nikolaus“, tröstete eine Mutter ihren Sprössling, der die Maskerade nicht ganz einschätzen konnte.

Die Perchten, gruselige Gestalten aus den Bergen, waren mitten in Bayenthal unterwegs.
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Die Perchten, die auch Kramperl genannt werden, stammten von der Perchten-Gruppe „Erebos“ aus dem Kreis Konstanz am Bodensee. Auf Einladung der Geschäftsleute Seemann vom „Österreicher“ kamen sie erstmals nach Köln, „um die österreichische Kultur den Kölner etwas näher zu bringen“, sagt Sophie Seemann. Die 26-Jährige führt zusammen mit ihren Eltern Sabine und Ernst Seemann das Geschäft.
Mutter Sabine ist gebürtige Bayenthalerin, Ernst ist gebürtiger Salzburger. Eine Zeitlang lebte die Familie in Salzburg und führte dort ebenfalls mehrere Lebensmittelgeschäfte. Vor 14 Jahren eröffneten sie ihren Feinkostladen an der Goltsteinstraße 87a, in dem es in gemütlicher Atmosphäre auch einen wechselnden Mittagstisch gibt.
„Wir sind ein österreichischer Tante Emma-Laden, der in all den Jahren auch eine Art Treffpunkt geworden ist“, erzählt die 50-jährige Sabine Seemann. „Wenn der Bayenthaler etwas wissen will, geht er zum Österreicher“, sagt sie und schmunzelt.

Die Perchten, gruselige Gestalten aus den Bergen, waren mitten in Bayenthal unterwegs.
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Das Sortiment besteht aus allerhand Schmankerln aus Österreich – Brot, Wurst, Käse, Öle, Schnäpse, Kaffee. Besonders beliebt sind derzeit die hausgemachten Weihnachtsplätzchen wie Vanillekipferl, Husarenkrapferl, Kokosbusserl, Linzeraugen. „Wir verschicken auch in die USA, wenn die Leute dort hingezogen sind und Heimweh haben“, sagt die 26-jährige Tochter Sophie. Und sie erzählt, dass es in Köln immerhin 3500 Österreicher gebe. Aber nicht nur sie gehörten zum Kundenstamm. „Viele kommen aus der Südstadt, für sie ist das Einkaufen hier wie ein Urlaubstag“, meint sie.
Seit mehr als zehn Jahren veranstalten die Seemanns eine Nikolausfeier am 6. Dezember. „Wir haben mit höchstens 20 Kindern angefangen“, erzählt Sabine Seemann. Mittlerweile sei der Ansturm riesengroß. „Wir machen das aus Spaß an der Freud“, sagt die Bayenthalerin, die nicht nur das kölsche, sondern auch das österreichische Brauchtum schätzt. Für ihren Auftritt haben die Perchten Kost, Logis und Benzingeld von den Seemanns erhalten. In „echt“ waren die finsteren Gestalten freundliche junge Frauen und Männer Mitte 20, die traditionell auf gruselig machten. Den braven Nikolauspart hat wie seit sechs Jahren der Toni aus Bayenthal übernommen. Weiteres wird nicht verraten.
GEISTERAUSTREIBER

Sabine und Ernst Seemann
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Perchten oder Krampusse sind Teil des alpenländischen Brauchtums. Die ersten Perchten werden in Tirol im 17. Jahrhundert erwähnt, Krampusse im 18. Jahrhundert.
Es gibt leicht unterschiedliche Deutungen der beiden Figuren. Sie begleiten den Nikolaus und/oder treiben die bösen Geister des Winters aus. Zur Ausrüstung gehört ein Fellanzug und schwere Glocken, die an einem Gurt am Körper getragen werden. Wichtig sind die Masken, die traditionell geschnitzt oder eher modern und zombiehaft sind. (süs)
DER ÖSTERREICHER
Den wechselnden Mittagstisch beim „Österreicher“ gibt es zwischen 11.30 Uhr und 14 Uhr, die Mahlzeiten kosten zwischen vier und 7,50 Euro. Im Angebot sind zum Beispiel Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster, Ofenkartoffel mit Kräutertopfen, Backhendel mit Kartoffel-Gurkensalat, Selchfleisch mit Sauerkraut und Pürree, Griesnockerlsuppe mit Semmel, Leberkäs und Fleischlaiberl. Hausgemachte Serviettenknödel für Weihnachten gibt es auf Vorbestellung.
Der Österreicher, Goltsteinstraße 87a, 50968 Köln, Öffnungszeiten Mo-Fr 8.30-18.30, Sa 9-14 Uhr