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Brauchtum im KarnevalNarren haben keine Narrenfreiheit

Lesezeit 5 Minuten

Rainer Czakalla weiß, warum der Porzer Karneval ein bisschen anders ist.

PorzHerr Czakalla, Herr Demmer, die Porzer legen viel Wert aufs Anderssein – auch im Karneval. Hier werden ganz eigene Rituale gepflegt. Warum ist zum Beispiel im Porzer Dreigestirn die Jungfrau eine Frau und nicht, wie in Köln, ein Mann?

Stephan Demmer, Präsident des Festausschusses Porzer Karneval: Wir haben das in unseren Statuten so geregelt. Die Jungfrau ist eine Frau, die mindestens 18 Jahre am Tage der Proklamation sein muss und höchstens 35 Jahre alt sein darf. Außerdem muss sie ledig sein und darf keine Kinder haben.

Und wieso hat der FAS bestimmt, dass die Jungfrau weiblich sein muss?

Rainer Czakalla, Prinz im Porzer Dreigestirn: Das war nicht immer so, es gab in Porz auch einmal eine männliche Jungfrau. Früher hat es hier mehrere Dreigestirne und Prinzenpaare gegeben. Jeder Ort hatte praktisch sein eigenes Tri- oder Duofolium. Die weibliche Jungfrau ist wahrscheinlich dem Zeitgeist geschuldet. Früher hatten Frauen ja weniger zu sagen, vielleicht war deshalb damals die Jungfrau ein Mann. Aber der FAS ist ein Kind der 60er Jahre. Damals war die Stellung der Frau bereits eine andere. Frauen waren emanzipiert und standen selbstverständlicher neben Männern in der Mitte der Gesellschaft.

Wird deshalb in Porz auch dreimal gebützt?

Czakalla: Das hat, glaube ich, andere Gründe. Wir bützen links, rechts, links, wir fangen also mit dem Herzen an und enden auch mit dem Herzen.

Es heißt aber auch, das dreifache Bützen sei aus dem Brauchtum der französischen und belgischen Porzer Partnerstädte entlehnt.

Demmer: Davon weiß ich nichts, das gab es schon, als ich mit dem Karneval in Berührung gekommen bin. Ich vermute, es wird dreimal gebützt, weil es einfach sehr angenehm ist.

Gibt es eigentlich eine Hierarchie im Dreigestirn?

Czakalla: Der Prinz ist in der Regel die Figur, die redet. Aber wenn Bauer oder Jungfrau das Mikrofon nehmen möchten, können sie es gerne machen. Jedes Trifolium behandelt das individuell.

Gibt es denn überhaupt keine Regeln?

Demmer: Sicher gibt es die. In unseren den Statuten ist genau festgelegt, wie zum Beispiel der Orden des Dreigestirns auszusehen hat. Die Grundfarben müssen rot und weiß sein, ebenso das Ordensband. Unbedingter Bestandteil sind der Schriftzug „Porzer Dreigestirn“ sowie die Insignien Pritsche, Dreschflegel und Spiegel, das Porzer Wappen und die Jahreszahl der Proklamation.

Was ist denn tabu im Karneval, was sollte man unter allen Umständen sein lassen?

Czakalla: Im Prinzip ist alles erlaubt außer Obszönitäten und abfällige Bemerkungen in der Öffentlichkeit. Wir müssen nicht zu allem gute Miene machen, aber wir sind Botschafter des Karnevals und man darf von uns erwarten, dass wir uns benehmen.

Demmer: Strikt verboten sind Drogen und andere Rauschmittel. Ein Alkoholverbot gibt es zwar nicht, aber wir erwarten, dass Alkohol während der Auftritte nur in Maßen genossen wird.

Folgt die Vorstellung des Dreigestirns in einer festgelegten Reihenfolge?

Czakalla: Die Reihenfolge ist Prinz, Bauer, Jungfrau.

Demmer: Das ist die traditionelle Reihenfolge. Ich handle aber gerne entgegen der Tradition und stelle die Jungfrau nach dem Prinzen und vor dem Bauern vor. Das mach ich einfach aus Höflichkeit der Dame gegenüber.

Aber bei der Prinzenproklamation war die Reihenfolge beim Einmarsch doch Bauer, Jungfrau, Prinz.

Demmer: Das hat der FAS so geregelt. Der Einmarsch der Tollitäten in jeden Saal findet in dieser Reihenfolge statt.

Wer bekommt vom Dreigestirn einen Orden. Geht das nach Vorschrift?

Czakalla: Wir verteilen Orden an Menschen, die sich um den Karneval, um Porz und um das Dreigestirn verdient gemacht haben.

In Köln bekommen die eine Prinzenspange.

Czakalla: So etwas haben wir nicht. Aber wir haben den Orden „Persona di Gratissima“, der nur 33 Personen verliehen wird. Und jeder von uns hat einen eigenen Anstecker, den er verschenken kann. Ach ja, und eine Glas-Stele, mit der wir uns bei Sponsoren bedanken, gibt es auch noch.

Was bedeuten die Farben der Federn an der Mütze des Prinzen?

Demmer: Rot und weiß sind die Stadtfarben, grün steht für das Kurkölnische und gelb für die Kirche.

Und die Pfauenfeder in der Mütze des Bauern?

Czakalla: Die bedeuten Unsterblichkeit, die Unsterblichkeit der Stadt.

Der Spiegel der Jungfrau ist dann wahrscheinlich das Symbol der Schönheit.

Czakalla: Sicher, aber ist es nicht auch der Spiegel, der der Obrigkeit vorgehalten wird?

Nach jedem Auftritt wird „Alaaf“ gerufen. Mal Porz Alaaf, Dreigestirn Alaaf, Festausschuss Alaaf und so weiter. Wie ist das denn geregelt?

Czakalla: Das ist nicht festgelegt. Porz Alaaf kommt zwar am häufigsten vor, das muss es aber nicht. Mit Alaaf wollen wir auch Personen oder Gruppen, die gerade im Fokus stehen, hoch leben lassen.

Wie wird man überhaupt Prinz, Bauer oder Jungfrau?

Czakalla: Die dem FAS angeschlossenen Gesellschaften reichen ihre Jubiläums-Termine ein und fragen an, ob sie in solch einem Jahr das Dreigestirn stellen können. Als ich mich entschieden hatte, Prinz zu werden, habe ich überlegt, zu welchem Termin das am besten ginge. Meine Gesellschaft, die Blau-Wieße Funke Wahn, hat 2014 ein jeckes Jubiläum, ist 66 Jahre alt. Die Garde gibt es seit 22 Jahren, und da sind noch zwei private Jubiläen. Meine Frau wird an Weiberfastnacht einen runden Geburtstag erleben und ich ebenfalls im Oktober 2014.

Hat denn jede Gesellschaft in Jubiläumsjahren immer auch jemanden, der Prinz werden möchte?

Czakalla: Nein, das klappt nicht immer. Die Bewerber für das Trifolium müssen schon passen. Es ist schließlich nicht ganz billig, Prinz zu sein.

Was kostet das denn?

Czakalla: So teuer wie in Köln, wo jeder im Dreigestirn 30 000 Euro aufbringen muss, ist das bei uns nicht. Aber für 1000 Euro kann man es auch hier nicht machen.