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Das Experiment als TheaterstückWärter schwingen den Schlagstock

Lesezeit 3 Minuten

Nummer 12 protestiert entschlossen gegen die demütigende Behandlung.

Chorweiler – Ein ungutes Gefühl beschleicht Christina Maslach von Anfang an. Die Psychologin ist eigentlich sogar froh, vorzeitig aus Stanford abreisen zu müssen, wo sie an einer Tagung teilgenommen hat. Philip Zimbardo, ihr Verlobter, ist ebenfalls Psychologe. Mit seinem Forschungsteam bereitet er ein spektakuläres Experiment vor; er will untersuchen, inwieweit es die äußeren Verhältnisse sind, die in Menschen niedere Triebe wecken. Häftlinge werden in einem simulierten Gefängnis leben, zwei Wochen lang. Beobachtet von Kameras, bekommen sie unsinnige Aufgaben gestellt. Wärter – auch sie Versuchspersonen, die sich freiwillig gemeldet haben – führen die Aufsicht. „Passt auf, dass ihr nicht zu weit geht“, sagt Maslach zu Zimbardo, gespielt von Clara Mestwerdt und Fabian Kaps. Er nickt, verspricht, sie telefonisch auf dem Laufenden zu halten.

Diese Szene stand am Anfang des Theaterstücks „Das Experiment“, das die 12. Klasse der Freien Waldorfschule in der Aula aufführte. Die jungen Schauspieler bewiesen dabei den Mut, die Abgründe des Bösen offenbar werden zu lassen.

Es trudeln die Probanden ein, alle in aufgekratzter Stimmung. Häftling ist eindeutig die beliebtere Rolle als Wärter. Wer will schon freiwillig der Bösewicht sein? Der Grund, mitzumachen, ist der übliche: „Um schnelles Geld zu verdienen.“ Der Vorhang geht auf. Es wird ernst. Aufgebaut ist ein zweistöckiger, offener Kasten. Unten befinden sich drei vergitterte Zellen mit Etagenbetten, mit Neonlicht ausgeleuchtet. Oben erstreckt sich ein Büro mit Aktenschränken und Schreibtisch – das Arbeitszimmer von Zimbardo, von wo aus er das Experiment im Blick hat.

„Gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor!“ Die Häftlinge kringeln sich erst einmal vor Lachen: Lustiges Spiel! Sie bekommen Handschellen umgelegt, müssen sich ausziehen und in ein kartoffelsackähnliches Gewand schlüpfen, bedruckt mit einer Nummer. Mit der werden sie ab sofort angesprochen. Ab in die Zelle. „Gar nicht so einfach, die unter Kontrolle zu kriegen“, seufzt eine Uniformträgerin beim Wachwechsel. Schnell aber finden die Wärter Gefallen an ihrer Rolle. Schwingen den Schlagstock, schreien im Kommandoton. „Das Bettlaken muss straff sein! Das nennst du ordentlich, Nummer 12!?“ Gruppendynamik wirkt auch unter den Häftlingen, es zeigen sich die verschiedenen Charaktere. Nummer 96 erstarrt in Anpassung, 66 gibt den Provokateur. Und 12 protestiert gegen die demütigende Behandlung. Da rasten die Wachhabenden aus, stecken die junge Frau unter Schlägen in eine Holzkiste – doch sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht, es ist der Startschuss zur Revolte...

Regie führte Deutschlehrer Markus Schulze, er schrieb auch das Stück. Orientierte sich dabei zunächst am Film „Das Experiment“ von Oliver Hirschbiegel, um dann festzustellen, dass der seinen Ansprüchen nicht genügte.

„Die Wissenschaftler sind wie Pappfiguren dargestellt.“ Also zog er weitere Quellen hinzu. Schließlich ist das reale Stanford-Prison-Experiment von 1971, das auch für Hirschbiegel Inspiration war, gut dokumentiert.

„Wir werden nach der Aufführung die Thematik im Unterricht noch mal intensiv behandeln“, so Schulze.