Köln – Noch versperren Bauzäune die allermeisten Bahnbögen in der Ehrenfelder Hüttenstraße – hinter ihnen herrscht Leere. Herrenlose Holzplatten liegen auf dem Bürgersteig, die Wände sind mit Schmierereien übersät. Mitten in einem kulturell pulsierenden Viertel macht sich seit Jahren Verwahrlosung breit, doch nun wird dieser Zustand der Vernachlässigung durchbrochen: Der Kunstverein Artrmx hat in Kooperation mit dem Architekturkollektiv „studio orizzontale“ aus Rom einige Bahnbögen für die fünfte Ausgabe des „City Leaks“-Festivals künstlerisch gestaltet und kulturell umfunktioniert.
Am Samstag war der Startschuss des Urban-Art-Festivals. Unter dem Leitthema „Strukturwandel in Ehrenfeld“ möchte Artrmx auf die Verdrängung von kulturellen Initiativen, Wohnungsmangel und steigende Mieten aufmerksam machen, während gleichzeitig städtische Orte brachliegen und nicht genutzt werden. Bis zum 21. September füllen Künstler, Initiativen und Interessierte die Bahnbögen mit kulturellem Leben. Geplant sind Workshops, Perfomances, Diskussionen und Begegnungen.
Initiative gedenkt der verdrängten Clubs
Im ersten Bogen diskutieren Experten zum Thema „Was von der Stadt noch übrig bleibt“. Ein paar Meter weiter sitzen Menschen auf weißen Plastikstühlen, zu ihren Füßen ein Meer aus Konfetti. Drei Architektur-Absolventen der Alanus Hochschule in Alfter, haben das Innere ihres Bogens weiß gestrichen und möchten damit einen Neuanfang symbolisieren. „Wir haben den Raum auf Null gebracht, stellen ihn zur Verfügung und wissen nicht, was nun damit passiert“, sagt Daryan Knoblauch.
Die Studenten präsentieren im Rahmen ihrer Ausstellung „Coherent Existence“ Entwürfe einer zukunftsgerichteten Architektur, die aktuelle Probleme wie knappen Wohnraum berücksichtigt. Heute gibt es viele Viertel, in denen Häuser wie Ruinen sind, weil die Kinder schon ausgezogen sind und zu viel Fläche ungenutzt bleibt“, sagt der 26-Jährige. „Also haben wir einen auf Massenwohnen ausgerichteten Bau entworfen, der in einem Villenviertel in Bayenthal situiert ist und im Sinne der Share Economy mehr Gemeinschaftsflächen statt Privatraum vorsieht.“ Auch am Beispiel von Resten von Infrastruktur sowie von Schrebergärten und Parkplätzen haben die drei angehenden Architekten ihren radikalen architektonischen Ansatz, „einem Hybrid aus geplanter Architektur und Kommunikation“ angewendet, ergänzt Johannes Hoffmann.
Grund zur Klage, die dann in Kunst mündet, hat auch die 2018 entstandene Initiative „Lach- und Krachgesellschaft“, die mit ihrer Installation „Friedhof der Träume“ der aus Ehrenfeld verdrängten Clubs gedenkt. „Wir sind ein Verbund von Freunden und Bekannten und machen gemeinsam Kunst. Uns verbindet die Liebe zur elektronischen Tanzmusik“, sagt der Ehrenfelder Tobias Bergfelder.
. Der Strukturwandel gehe zu Lasten der Subkultur. „In den letzten zehn Jahren wurden uns etwa 20 Räume, darunter Bars, Clubs, Proberäume und andere soziokulturelle Orte genommen.“
Installation aus Sperrmüll und Festivalresten
Wer den Blick in diesem Bogen schweifen lässt, entdeckt bekannte Namen wie Underground, Papierfabrik und Jack Who. Die Installation besteht größtenteils aus Sperrmüll und Festivalresten – ein temporäres Kunstwerk, das zum Denken anregen soll. Die Besucher müssen die Kritik des Kollektivs nicht erst künstlerisch entschlüsseln, denn auf zwei Plakaten steht die Botschaft eindeutig: „Ein Gespenst geht um Köln. Gentrifizierung gehört leider zum Zeitgeist“ und die Forderung „Subkultur braucht Raum“.
Vom 9. bis zum 15. September entwickeln Studenten der Alanus Hochschule und der TH Köln gemeinsam mit dem studio orizzonatalle im Rahmen von City Leaks temporäre Installationen vor den Ehrenfelder Bahnbögen und auf der Straße.