Gastbeitrag des Infektiologen Gerd Fätkenheuer„Die nächsten Tage sind entscheidend“

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Mediziner im Infektionsschutzzentrum auf dem Gelände der Uniklinik. Hier wird der Ausnahmezustand von Tag zu Tag spürbarer.

  • Der Ort, an dem die Coronakrise vorrangig stattfindet, ist das Krankenhaus.
  • Gerd Fätkenheuer, Teil unseres Experten-Teams und Infektiologe an der Kölner Uniklinik, kämpft dort jeden Tag gegen die Ausbreitung von Covid-19 an. „Das geht nicht!“ – diesen Satz habe er in den letzten Wochen kaum gehört.
  • In seinem Gastbeitrag schreibt er über die Haltung des medizinischen Personals, über das, was ihm in der Krise Hoffnung macht. Und erklärt, worauf es seiner Meinung nach in den nächsten Tagen ankommt.

Köln – In den letzten Tagen erreichen mich häufig Zuschriften von Mitmenschen, die sich bei mir bedanken für meine Arbeit als Arzt und Wissenschaftler während der aktuellen Sars-CoV-2 Epidemie. Das freut mich natürlich sehr, und es hilft, die anstrengenden Tage besser zu bewältigen. Gleichzeitig erinnern mich diese Aufmunterungen aber auch an die vielen Menschen, die deutlich weniger Beachtung finden und die einen unschätzbaren Beitrag leisten, damit wir mit der gegenwärtigen Situation umgehen und hoffentlich schlimmste Szenarien verhindern können.

Besonders deutlich geworden ist mir dies, als wir in der Uniklinik Köln gemeinsam mit dem Gesundheitsamt der Stadt Köln die Notwendigkeit erkannt haben, ein Infektionsschutzzentrum einzurichten, in dem wir möglicherweise betroffene Personen auf die neue Erkrankung testen können. Praktisch über Nacht wurde ein leer stehendes, zum Abriss bestimmtes Gebäude wieder funktionsfähig gemacht. Dies konnte nur gelingen durch den großen Einsatz unterschiedlichster Berufsgruppen und Bereiche: Planer, Gebäudetechniker, Maler, EDV-Spezialisten, Reinigungskräfte, Pfleger, Schwestern – die Aufzählung ist sicher unvollständig. Besonders ist aber nicht nur der unermüdliche Einsatz so vieler Menschen, sondern auch ihre Haltung. Den Satz: „Das geht nicht!“, habe ich in den letzten Wochen kaum je gehört.

Wie stark uns Covid-19 treffen wird, ist weiter unklar

Mit dieser Einstellung werden Dinge erreicht, die vor wenigen Wochen noch niemand für möglich gehalten hätte. Dies ist genau die Haltung, die wir jetzt so dringend benötigen. Dass sie mir so häufig in meinem beruflichen Umfeld, aber auch in der Öffentlichkeit begegnet, lässt mich Hoffnung schöpfen bezüglich der Bewältigung der Epidemie und ihrer Folgen.

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Noch können wir nicht genau abschätzen, wie sehr uns die Erkrankungswelle mit Covid-19 in Köln und in ganz Deutschland treffen wird. Die Bilder, die aus Italien zu uns kommen, lassen Schlimmes befürchten, und sie gemahnen uns, alles Menschenmögliche zu tun, damit solch eine Katastrophe bei uns vermieden wird. Die Bundeskanzlerin hat es in ihrer Ansprache letzte Woche klar formuliert: Es kommt auf jeden Einzelnen von uns an. Als Ärzte und Wissenschaftler ist es unsere vordringliche Aufgabe, mögliche Wege zur Eindämmung der Epidemie aufzuzeigen und diese gemeinsam mit allen Verantwortlichen im Gesundheitswesen umzusetzen.

Wir haben großes Glück

An schwierige Situationen und Entscheidungen sind wir gewöhnt. Die Neuartigkeit und der Umfang der Sars-CoV-2-Pandemie stellen aber die meisten von uns vor völlig neue Aufgaben. Indem wir die Erfahrung vieler Experten zusammentragen, uns fortlaufend innerhalb der unterschiedlichen Bereiche beraten und die neuesten wissenschaftlichen Daten zur Kenntnis nehmen, versuchen wir, richtige Lösungen für die vielen Probleme zu finden. Das ist anstrengend, aber das ist unsere Aufgabe als Ärzte und das darf die Bevölkerung von uns erwarten.

Die nächsten Tage und wenigen Wochen werden sehr entscheidend dafür sein, wie die Epidemie weiter verlaufen wird. Ich appelliere an jeden Bürger, die Aufforderung zur sozialen Distanzierung, also Abstand voneinander zu halten und zu Hause zu bleiben, sehr ernst zu nehmen. Wir haben das große Glück, dass ältere Menschen, insbesondere die Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen, bisher weniger stark betroffen sind. Deshalb müssen wir alles daran setzen, diesen Zustand zu erhalten. Der Schutz der Menschen, die älter als 65 oder 70 Jahre sind, hat oberste Priorität. Vielfach ist das sehr belastend für die Betroffenen, wenn Besuchsmöglichkeiten in Heimen eingeschränkt werden oder wenn Großeltern nicht mehr von Kindern und Enkeln besucht werden können. Aber das ist zur Zeit notwendig, um die Gesundheit der Bewohner zu erhalten.

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Noch etwas anderes ist in der nächsten Zeit von großer Bedeutung. Personen, die positiv auf das Virus getestet wurden, müssen 14 Tage in Quarantäne bleiben. Dies teilt das Gesundheitsamt den Betroffenen mit, und dies ist unbedingt einzuhalten. Aber auch alle Kontaktpersonen einer positiv getesteten Person müssen die 14-tägige Quarantäne einhalten, da sonst die Gefahr besteht, dass sie möglicherweise das Virus weitergeben, ohne selbst Symptome zu haben. Die umfassende Kontaktisolierung ist also eine wesentliche Maßnahme zur Eindämmung der Virusausbreitung, und sie wird es auch weiter bleiben – auch dann, wenn die Einschränkungen des öffentlichen Lebens wieder gelockert werden können. Es sollte für jede und jeden, auf den dies zutrifft, selbstverständlich sein, sich daran zu halten.

Eine weitere wichtige Maßnahme wird die Ausweitung der Testkapazitäten sein. Mit der zunehmenden Ausbreitung des Virus ist die Zahl der Untersuchungen auf Sars-CoV-2 stark angestiegen. Der Test ist arbeitsaufwendig und die notwendigen Chemikalien sind nur sehr begrenzt verfügbar. Daher arbeiten viele Ärzte in den Laboren mit Hochdruck an neuen Lösungen. Auch hier erlebe ich die Einstellung, dass: „Was ist nötig?“, und nicht: „Mehr geht nicht“, die Richtschnur des Handelns ist. Ich glaube fest daran, dass diese Haltung – das Notwendige in Angriff nehmen und sich dabei an den bisherigen Erkenntnissen orientieren – eine entscheidende Grundlage dafür ist, dass wir diese Krise meistern werden. Dass sie mir in diesen Tagen so häufig begegnet, macht mir Hoffnung. Wir werden all unser Wissen, unsere Einsatzbereitschaft, unsere Empathie und unsere Fantasie bei der Lösung schwierigster Aufgaben noch über lange Zeit benötigen. 

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