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Das Grauen hinter dem sanften Blau

Lesezeit 4 Minuten

Loris Behanzin aus Benin lebt seit 13 Jahren in Köln.

Nippes – Harmlos erscheinen die viele blauen Strichfiguren in der sanftblauen Bildfläche. Doch die Harmlosigkeit zerbricht, wenn man die Phantasie entwickelt hat, dass es sich bei diesem Blau um die Weite des Mittelmeers und bei den vielen Strichfiguren um Menschen aus Afrika handelt, die über das Meer fliehen – und darin versinken.

Die Gemälde, die der Künstler Loris Behanzin in der Galerie Sichtarten präsentiert, erscheinen in ihrer Vielfarbigkeit für einen kurzen Moment beschwingt und heiter. Der aufmerksame Blick führt in die dramatische Dimension des Lebens, in der Gewalt, Angst, die Zerstörung von Traditionen und Flucht die Erfahrung bestimmen. Das blaue Flüchtlingsbild hat er im Jahr 2015 gemalt, als Hunderttausende Geflüchtete Deutschland erreichten. Warum sie kommen, bringt der im Jahr 1982 im westafrikanischen Benin geborene Behanzin im Gemälde vom „König, der sein Volk schlecht behandelt“ zum Ausdruck. Ein großer schreiender Afrikaner mit einem vergitterten Mund steht in roten Blut- und Feuertaumel in der linken Bildhälfte, während ängstliche Geckos auf der rechten Bildseite in Massen ins Blaue fliehen.

Im Bild vom „Diktator“ veranschaulicht Behanzin, wie in den Ländern Afrikas „der Sohn die Herrschaft vom Vater übernimmt“. Behanzin wählt einfache Zeichen und Symbole, um malerisch zu erzählen, was ihm wichtig ist. Er malt seit seiner Jugend, hat allerdings nie eine Kunstakademie besucht. „Ich habe mir alles selbst beigebracht,“ sagt er. „Malen ist für mich ein Akt der Freiheit. In Benin muss man schöne Menschen malen, wenn man offiziell Kunst studiert. Ich aber wollte immer Menschen malen wie ich sie empfinde.“ Das bedeutet für ihn auch, dass die Bilder nicht fertig in seinem Kopf sind, bevor er mit dem Malen beginnt. Vielmehr entwickeln sie sich während des Malprozesses. Viel Intuition ist dabei ihm Spiel. Die wichtigsten Inspirationen sind für ihn die alten Masken aus der Tradition Benins und die Geister und Symbole des Voodoo-Zaubers. Im Alter von 25 Jahren begann er, sich damit zu beschäftigen.

Der Maler greift in seinen Bildern auf traditionelle Masken und auf Symbole aus dem Voodoo zurück.

Das war der Zeitpunkt, als er begann, sich ernsthaft mit der bildenden Kunst zu beschäftigen, nachdem er eine Ausbildung zum Aluminiumschreiner absolviert hatte. Eigenwillig verbindet Behanzin traditionelle Elemente aus der Kultur Benins mit den freien Ausdrucksformen der modernen europäischen Kunst. So lässt er menschliche und tierische Gestalten in einer erdigen Farblandschaft zusammen kommen. Er führt darin eine komplexe Mythologie vor Augen, in welcher die Menschen als ein kleines Element in einem großen geheimnisvollen Wirkungszusammenhangs erscheinen. „Körper und Seele“ heißt das Bild „Mein Körper ist da, meine Seele woanders,“ erläutert er. „Ich habe das Bild gemalt, als ich mich sehr schlecht fühlte.“ Grundsätzlich habe das Malen immer auch eine heilsame Wirkung für ihn. So verkörpern einzelne malerische Gestalten oft besondere Kräfte. „Aziza“ ist zum Beispiel ein Waldgeist, den die Männer anbeten, bevor sie auf die Jagd gehen. „Das ist heute in Benim so wie vor tausend Jahren,“ erklärt Behanzin. „Leigba“ heißt die Figur, die jede Familie als Schutzgeist in ihrem Haus stehen hat. Er hat sie als malerische Assemblage mit Fundstücken gestaltet. Auf die Idee, „Kunst als ein Recycling“ aus Abfallmaterialien zu entwickeln, kam er in Madagaskar, wo er für einige Jahre lebte. „Dort liegt ungeheuer viel Abfall herum,“ erläutert er. Und dass er froh gewesen sei, nach einem mehrjährigen Intermezzo „wieder in Deutschland zu sein“ Inzwischen lebt Behanzin seit dreizehn Jahren in Köln. Dass er der Enkel des letzten Königs von Benins ist, erwähnt er ebenso beiläufig wie die Tatsache, in den verschiedenen Ländern Europas ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht zu haben.

„Vieles kann man nicht vermitteln“, sagt er, aber alles, was man vermitteln könne, stecke auch in seiner Malerei. Dazu gehört gleichfalls, dass sein Selbstporträt nur einen Arm hat. „Haben wir nicht alle eine Behinderung“, meint er dazu. Die künstlerische Tätigkeit ist für ihn eine Möglichkeit, sich mit allem auseinanderzusetzen, was das Leben an einen Menschen heranträgt, äußere Einflüsse ebenso wie innere Regungen. Und er stellt fest: „Malen, das ist wie Therapie. Es ist wie Trommeln. Etwas ist da und muss heraus.“

Galerie Sichtarten, Sechzigstraße 3, geöffnet Di, Do,Fr 15.30-18 Uhr, bis 28. März.