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„Das Tollste am Beruf sind die Kinder“

Lesezeit 4 Minuten

Amina, Lulu, Dorit Steiger, Susanne Dresbach-Heister, Michael Strücker, Barbara Dreyer, Emil, und Berkay (v.l.) beim Gespräch.

Buchheim – Auf die Frage, was denn die Eltern von Beruf sind, habe ihr Sohn geantwortet: „Meine Mutter ist Lehrerin und mein Vater geht arbeiten“, berichtet die Leiterin der Gemeinschaftsgrundschule „Ahl Wipp“ Barbara Dreyer. Es scheint doch einige Missverständnisse über den Lehrerberuf zu geben, erst Recht wenn aus den Lehrern Schulleiter geworden sind. Was tun sie bloß den lieben langen Tag?

Emil, Berkay, Amina und Lulu haben sich gut vorbereitet für das Interview mit den amtierenden und ehemaligen Schulleitern der beiden Buchheimer Grundschulen an der Alten Wipperfürther Straße. Für die Festschrift zum 150. Schuljubiläum soll ein Text entstehen, der die sonst üblichen Grußworte der Schulleitung ersetzt. Auf dem ersten Platz ihrer Überlegungen, was denn Barbara Dreyer und ihre Kollegin von der Katholischen Nachbarschule St.Mauritius, Susanne Dresbach-Heister so zu tun haben, ist „Sich um den Kakao kümmern“ gelandet. Auch „Viel Papierkram unterschreiben“ steht auf der Liste.

Die Dritt- und Viertklässler fragen nach. Michael Strücker, Schulleiter an der Gemeinschaftsgrundschule von 1990 bis 2018, bringt es auf den Punkt: „Ein Schulleiter muss eine Schule leiten.“ Und was heißt das? „Er muss dafür sorgen, dass genug Lehrer an der Schule sind und der Unterricht so erteilt wird, wie es das Gesetz vorsieht. Außerdem muss er dafür sorgen, dass die Gebäude und das Schulgelände in Ordnung sind.“

Das klingt einfacher, als es an vielen Kölner Schulen ist. Sie klagen über marode Gebäude, eine schlechte Ausstattung oder den größer werdenden Lehrermangel. Da ist es überraschend angenehm, wenn wie in Buchheim die Verantwortlichen nicht in die allgemeinen Klagen einstimmen. Dreyer und Dresbach-Heister sagen beide: Ihre Grundschulen sind gut in Schuss, die Lehrerstellen sind besetzt – sogar ausschließlich mit dafür ausgebildetem Personal.

In den aktuellen Debatten ist oft die Rede davon, dass Schulen in rechtsrheinischen Stadtteilen, in denen der Wohlstand magerer ausfällt als anderswo, schlecht ausgestattet sind. Ihnen fehle die Lobby; gutes Personal suche sich freie Stellen in gut situierten Stadtteilen.

Hier in Buchheim scheint das nicht zuzutreffen. Natürlich gibt es auch hier ein paar Dinge, die besser laufen könnten: Eine neue Turnhalle wäre gut, genauso wie frisches Essen, am besten vor Ort mit den Kindern gekocht.

Wie fast an allen Schulen fehlen auch hier Räume. Das Angebot der Offenen Ganztagsbetreuung wurde aufgebaut, ohne das dafür neu gebaut wurde. Nun droht mit dem Aufbau von Containern eine Verkleinerung des Schulhofs. Da müssen Schulleiter dicke Bretter bohren, erfahren Lulu, Amina, Berkay und Emil. „Ist die Schulleitung Ihr Traumberuf gewesen?“, wollen die vier wissen. Die Gefragten zögern. Ja, Grundschullehrerin und -lehrer zu sein – das sei ein Traumberuf. Doch Schulleitung? „Das hat sich so ergeben“, sagt Dresbach-Heister. Es gebe sehr viel zu tun, „aber Spaß macht es trotzdem“. Viel Schönes, das man im Alltag mit den Kindern erlebe, sei eine tolle Bestätigung. Spannend sei der Beruf, sagt Dreyer: „Man weiß morgens nie, was der Tag bringt.“ Die Arbeitstage seien lang gewesen, erinnert sich Dorit Steiger, die die Katholische Grundschule bis 2008 leitete.

Die Grundschüler wollen von den Ehemaligen wissen, wie sie Beruf und eigene Familie unter einen Hut bekommen haben und was sie heute vermissen. „Ich vermisse Euch“, sagt Strücker. „Das Tollste am Beruf sind die Kinder.“ Und da er die nach der Pensionierung nicht mehr jeden Tag sehe, sei es ein Glück, zehn Enkel zu haben.

Viel Erfahrung ist am Tisch bei Plätzchen und Getränken versammelt. Die Anforderungen ans Schulsystem und die Herausforderungen für die Lehrerschaft haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten massiv verändert. Digitalisierung, Globalisierung, die Veränderung der Arbeitswelt – die großen weltweiten Trends spiegeln sich auch in der überschaubaren Welt der Grundschulen. Die meisten Kinder und Familien brauchen mehr als ein Halbtags-Schulangebot, wie es früher üblich war. Eigentlich müsste man allen Schülern die Ganztagsbetreuung ermöglichen, findet Strücker.

Neben dem Ausbau des Ganztagsangebots ist der Umgang mit einer bunten Schülerschaft eine weitere große Veränderung. Die Grundschulen gehen heute anders mit der Vielsprachigkeit um, die dadurch entsteht, dass Kinder mit so vielen verschiedenen kulturellen und sprachlichen Hintergründen gemeinsam lernen. Auch die Aufgaben zu stemmen, die mit der Inklusion verbunden sind, sei nicht leicht gewesen, erinnern sich die Befragten. Man habe damit ohne ausreichende fachliche Unterstützung beginnen müssen. Ähnlich war der Start in die digitale Welt. Auch das sei nur mit Eigenmitteln und eigenem Engagement gelungen. Steiger erinnert sich daran, wie sie verzweifelt auf den erste PCs ohne Festplatte herumtippte.

Zum Abschluss des Gesprächs werden die Rollen getauscht: Die Kinder sollen sagen, was sie sich für die Schule zum Jubiläum wünschen. „Ein paar Spielgeräte mehr“, sagt der achtjährige Emil. „Und weitere nette Lehrer, die für die Kinder arbeiten.“ Alle loben Klassenfahren oder Ausflüge.

Auch nach mehrfachem Nachfragen fällt keinem der vier Kinder ein gravierender Missstand oder ein Problem ein, für die dringend Lösungen gefunden werden müssten. Man habe „Spaß im Unterricht“, sagt die neunjährige Lulu. Und der mache „Lust am Lernen“.

Barbara Dreyer, Lehrerin