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Deutsche MeisterschaftenWarum das Boulespiel gerade im Rheinland so beliebt ist

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Männer und eine Frau spielen Boule.

Ziel des Spiels: Die Kugel so nah an die Zielkugel werfen wie möglich.

In Düsseldorf fliegen am 17. und 18. Mai die Silberkugeln über den Sand. 25 Teams kommen aus NRW. Die Anfänge des deutschen Boulesports liegen im Rheinland.

Metall stößt gegen Metall. Auf das Klacken folgt anerkennendes Raunen, wenn eine Kugel zielsicher aufgekommen ist. Ein Werfer wütet, eigentlich könne er das besser. Bäume werfen ihre löchrigen Schatten auf das Spielfeld – terrain libre, feste Bahnen gibt es nicht. Beim Nippeser Boule Clubs (NBC) am Heinrich-Pachl-Platz ist jeder willkommen.

Ein Mann in sportlicher Hose und T-Shirt hat eine Boule-Kugel geworfen, die beim Aufprall Sand und Steinchen in die Luft schleudert.

Andreas Meyer, Vorsitzender des Nippeser Boule Clubs: Mitglieder kämen aus allen Altersklassen, allen Berufsgruppen, allen Nationen.

Wer über Boule oder Pétanque spricht, hat sofort diese Klischeespieler vor Augen: Ältere Herren in Sandalen, die in Parkanlagen gemütlich auf eine Kugel zielen. Doch der Sport, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch vom Rheinland aus in Deutschland verbreitet hat, ist vielschichtig. Er hat Geschichten parat über einen integrativen Ursprung, ein West-Ost-Gefälle und natürlich den Wettkampf, inklusive stundenlanger Konzentration.

Aus dem Rheinland heraus ist Boule in Deutschland groß geworden.
Sandra Pahl, Landespräsidentin des Boule und Pétanque Verbandes Nordrhein-Westfalen

„Das landläufige Bild aus Frankreich mit alten Herren, die Zigarette rauchend und Rotwein trinkend Boule spielen, ist mit dem sportlichen Aspekt nicht zu vergleichen“, stellt Sandra Pahl am Telefon klar. Die Landespräsidentin des Boule und Pétanque Verbandes Nordrhein-Westfalen (BPV NRW), hat selbst schon auf Meisterschaften geworfen. Boule sei eher als Freizeitsport zu verstehen, Pétanque mehr auf Wettbewerbe ausgerichtet. Die Begriffe verwende man trotzdem oft bedeutungsgleich.

„Aus dem Rheinland heraus ist Boule in Deutschland groß geworden“, erläutert die Gründerin der Boulefreunde Wermelskirchen weiter. Demnach wurde der erste eingetragene Verein in Deutschland 1963 in Bonn gegründet. „Allein in Köln gibt es zehn Vereine, die Mitglied beim Deutschen Pétanque-Verband sind.“

Hierzu zählt auch der Club in Nippes. „Wir haben hier die ganze Bandbreite“, sagt der erste Vorsitzende Andreas Meyer. Zwölfjährige genauso wie Senioren mit fast 80, Tunesier ebenso wie Italiener, Anwälte, aber auch Handwerker. Etwa die Hälfte der 120 Mitglieder beteiligt sich aktiv am Wettkampfsport, für den Rest ist es Freizeit. „Es kommt auch schonmal vor, dass ein Landesligaspieler mit einem Neuling spielt“, sagt Meyer. Die NBC-Spieler Adama Nana, Mesut Uluocakli und Jörg Alshut konnten sich für die Deutsche Meisterschaft am Wochenende qualifizieren.

Der Konkurrenzdruck in NRW war enorm. 300 bis 400 Menschen hätten um die 25 Startplätze gespielt, sagt Sandra Pahl. Die Qualifikationsturniere strecken sich wie die Meisterschaft über mehrere Tage. Das verlange den Sportlern stundenlange Konzentration ab, so Pahl: „Ich habe hohen Respekt davor.“

In Köln gibt es integrative Turniere

Insgesamt treten bei der DM 128 Duos an, die meisten (35) kommen aus dem größten Landesverband Baden-Württemberg. So auch das Siegerteam aus 2024, Christophe Riff und Anjaratiana Rabearisoa, die im Folgejahr ihren Titel verteidigen wollen. Zehn Landesverbände gibt es, NRW ist der zweitgrößte von ihnen.

Gemäß der Boule-Expertin seien die Kugelsportarten in den östlichen Bundesländer weniger stark vertreten. Ein möglicher Grund: Die russische statt der französischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg. Pahl: „Es gibt ein eindeutiges West-Ost-Gefälle. In Köln waren Belgier nach dem Krieg stationiert, dadurch ist Boule in die Region gekommen.“

Weil ein Werfer mit Rheuma in der Nähe von Marseille bei einem anderen Wurfspiel einst keinen Anlauf nehmen konnte, entwickelte man laut Pahl das Spiel „les pieds tanques“ (die Füße kleben am Boden), sodass er mitspielen konnte. „Hieraus entwickelte sich später Pétanque mit der klaren Regel, dass die Füße nicht den Boden verlassen dürfen, bevor die Kugel den Boden berührt.“ Nicht nur in Köln wird der integrative Ursprung des Pétanque heute noch hochgehalten. Als Füße gelten auch die Rollen von Rollstühlen oder Rollatoren. Die Boule-Vereine richten regelmäßig Turniere gegen Rassismus aus. Zudem will der NBC nun ein Turnier für Gehörlose ausrichten.


Das Ziel: Boule (französisch „Kugel“) ist der französische Oberbegriff für Kugelspiele. Ziel ist bei allen Spielformen, dass man die eigenen Kugeln näher an einer Zielkugel platzieren muss als der Gegner.

Die Disziplinen: Das „Tete-a-tete“ (Einzel), heißt wörtlich Kopf an Kopf. Hier spielt eine Person gegen eine andere. Bei „Doublette“, „Doublette Mixte“ oder in NRW auch „Doublette Feminin“ treten Duos gegeneinander an. Die unterschiedlichen Namen zeigen an, ob es egal ist, welches Geschlecht spielt, ob das traditionelle gemischte Doppel gespielt wird oder nur Frauen spielen dürfen. Sandra Pahl zufolge wird im inklusiven Grundgeist des Kugelsports daran gearbeitet, die gemischte Kategorie auch auf den Geschlechtseintrag divers zu erweitern. Als Königsdisziplin gilt oft das Triplette. Hierbei werfen drei Spieler pro Mannschaft.

Die Regeln: Es wird mit sechs Kugeln gespielt. Bei 13 Punkten gewinnt man, die Punkte errechnen sich nach dem Vorsprung der Kugeln in Nähe der Zielkugel pro Durchgang. Außerdem kann man sich im Präzisionsschießen „Tir de précision“ messen, wobei zwischen Männern und Frauen unterschieden wird.