Essigfabrik im Deutzer Hafen„Als Kaufmann könnte man mich aufhängen“

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Sergio und Sanja Sotric

Sergio und Sanja Sotric auf dem Gelände der Essigfabrik in Köln-Deutz. 

  • Die Essigfabrik im Deutzer Hafen hat ein Fassungsvermögen von ungefähr 700 Personen in der Haupthalle, dazu gibt es einen Club im Keller und inzwischen auch einen kleinen Open-Air-Bereich auf der Rückseite.
  • In den Venues der Stadt steht die Essigfabrik mit dieser mittleren Größe neben der Live Music Hall relativ alleine da.
  • Das Unternehmen Mostar Promotions ist 1997 gegründet worden und betreibt die Essigfabrik.
  • Sergio Sotric ist Geschäftsführer des Familienunternehmens.

Köln – Herr Sotric, die Essigfabrik ist mit ihrer eher kleinen bis mittleren Größe eine Besonderheit in Köln. Ist das ein Vorteil?

Wir befinden uns in einem Mittelfeld, wonach es wirklich großen Bedarf gibt. Obwohl wir hier im Wettbewerb stehen, würde ich mich persönlich freuen, wenn es noch ein paar Locations dieser Größenordnung in Köln geben würde.

Es treten hier dennoch große, weltbekannte Bands, wie demnächst die brasilianischen Metal-Giganten „Sepultura“ auf. Auch „Oomph!“, eine der bekanntesten Bands der Neuen Deutschen Härte, und die Punk-Legenden „Die Kassierer“ waren schon zu Gast. Was macht die Essigfabrik so besonders?

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Wir haben regelmäßig ganz große Namen hier. Ellie Goulding war hier, Sunrise Avenue waren regelmäßig hier, bis sie irgendwann Stadien füllen konnten und haben hier auch Videoclips gedreht. Wir haben vieles, was sehr authentisch ist. Eines davon ist, dass wir vor vielen Jahren unser Hobby zum Beruf gemacht haben. Natürlich müssen unsere Bilanzen am Ende des Jahres stimmen, aber für uns steht der Profit nicht im Vordergrund, sondern die Diversität der kulturellen Veranstaltungen. So sind wir immer daran interessiert, dass in unserem Veranstaltungskalender nicht nur das steht, was eine sichere Bank wäre, wie zum Beispiel „Die Kassierer“. Sondern, dass wir regelmäßig auch den jungen Künstlern eine Möglichkeit geben, indem wir sagen ‚Da werden vielleicht nur 300 Besucher kommen, wenn wir jetzt die Rechnung für Beschallung und Licht stellen, würden die vom Hocker fallen‘. Wir übernehmen dann erstmal Sound, Licht und alles was gebraucht wird. Dadurch verstehen viele Künstler die Essigfabrik als ‚Family Base‘.

Stehen Sie nicht sehr in Konkurrenz zu anderen Hallen?

Wir verstehen sie eigentlich als Partner. Klar ist man auch im Markt, aber nicht selten raten wir bei Anfragen: Bitte überleg dir das gut, vielleicht wäre diese Veranstaltung besser im E-Werk zu platzieren. Wir arbeiten zudem viel zum Thema Integration, wir kommen als Unternehmer aus einem ganz anderen Land und wissen zu schätzen, wie wichtig Kultur und eine Spielwiese für Jugendliche sein kann. Das unterscheidet uns auch von einem klassischen Betreiber, der – und das ist auch legitim – nur schauen muss, wie seine Bücher aussehen. Kaufmännisch gesehen würde man mir als Geschäftsführer kein gutes Zeugnis ausstellen…

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Wie steht es um die Zukunft der Essigfabrik, die ja im Bebauungsgebiet des Deutzer Hafens liegt?

Wir haben immer für die Identität des Deutzer Hafens gestanden, und das ist auch gesehen worden. Wir bleiben hier. Die Planer haben uns als ‚kulturell identitätsstiftend‘ erkannt. Als wir hier 2005 angefangen haben, war hier eine große Brache…

Die Essigfabrik wird, wenn der Ausbau einmal fertig ist, weniger abgelegen sein als jetzt. Machen Sie sich Sorgen, dass es dann doch zu Beschwerden kommt? 

Hier nebenan war lange ein Wohnhaus, da haben fünf oder sechs Familien gewohnt und wir haben nie Beschwerden gehabt. Wenn es so weit ist, dann werden wir uns damit beschäftigen, ob es in irgendeinem Punkt angepasst werden muss. Entweder das Dach noch besser isolieren, oder eine gewisse Lautstärke nur bis 22 Uhr. Wenn es schnell geht, ist das in drei Jahren erst ein Thema. Wie wird die Essigfabrik dann aussehen?

Im hinteren Teil des Außenbereichs wird die Mauer geöffnet und es kommt ein Kulturplatz hinzu, sodass die Leute auch den Hafen genießen kommen. Neben uns wird es eher gewerbliche Nutzung geben. Wir arbeiten mit der „Moderne Stadt GmbH“, die für die Entwicklung des Deutzer Hafens verantwortlich sind, hervorragend zusammen. Schon seit 2016. Was für uns spannend war: Als es diesen Wettbewerb für die Planungsbüros gab, haben die sofort gecheckt, wie wichtig es ist, dass die Essigfabrik als kulturelle Identität bleibt. Da musste niemand überzeugt werden.

Wenn Sie mal zurück- statt vorausblicken: Wie ist die Corona-Zwangspause an Ihnen vorbeigegangen?

Wir haben recht konservativ gewirtschaftet, das heißt, wir hatten Rücklagen. Relativ schnell wurde ja ein Hilfspaket geschnürt und bei dessen erster Auflage – jetzt kann man mich als Kaufmann wirklich aufhängen – haben wir gesagt: ‚Danke, aber wir machen keinen Antrag.‘ Es gab einen begrenzten Topf und andere, denen das Wasser schon bis zum Hals steht. Beim zweiten Programm, als wir gesehen haben, dass das alles länger dauern wird, haben wir dann einen Antrag gestellt. Wir haben keinen unserer Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und auch keine Probleme mit Personalmangel, die Mitarbeiter sind uns treu geblieben. Für mich persönlich war es nicht schön festzustellen, dass Kultur in diesem Land der Dichter und Denker nicht systemrelevant ist. Wir hoffen, dass diese Zeit hinter uns liegt.

Jetzt steigen die Gaspreise enorm, es wird ohnehin schon alles teurer. Ist das für Sie bedrohlich?

Ich würde sagen, die globale Entwicklung ist bedrohlich. Wenn wir es runterbrechen auf die lokale Ebene, ist es auch für uns existenzbedrohlich. Die Produktionskosten steigen. Wir haben jetzt für einen hohen sechsstelligen Betrag alles im Konzertlichtbereich auf LED umgerüstet, damit sparen wir bei Konzerten ungefähr die Hälfte des Stroms. Wir müssen aus dieser Situation das Beste machen. Es wird ein Kampf, und es wird nicht die prominenten Künstler treffen, sondern wieder die Kleineren. Aber für uns sind Probleme da, um gelöst zu werden.

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