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Die OptimistinKöln hat laut Studie ein geringes Einsamkeitsrisiko - Warum wir das als Appell verstehen sollten, jetzt zu liefern

3 min
Köln: Ein Mann und eine Frau sitzen im Kölner Grüngürtel auf einer Parkbank.

Zusammen ist man weniger allein - das trifft auf jeden Fall auf den Kölner Grüngürtel zu.

Könnte man sich schön einrichten neben diesem Ergebnis. Aber nein - Handlung ist gefragt, denn Einsamkeit kann man nur gemeinsam begegnen.

Der Spätsommerabend im Kölner Grüngürtel leuchtet golden. Um die Tischtennisplatten sausen drei Achtjährige und üben sich im Schmetterball. Auf der Bank daneben fläzen drei Jugendliche, lauschen dem hohlen Klackern, und lachen, wenn sie mal den Ball abkriegen. Einer jungen Mutter ist ihr Kleinkind abhandengekommen, das fast in das Turnier crasht, aber in letzter Sekunde noch abgefangen werden kann und dann leicht torkelnd die Richtung ändert. Ein paar Meter weiter bugsiert ein Senior einen Ring durch einen Seilparcours, eine Frauengruppe übt sich im Herabschauenden Hund.

Man schrammt natürlich stark an einem kitschig hingepinselten Wiesenidyll aus dem Biedermeier vorbei, wenn man das so schreibt. Aber es gibt dennoch diese Stunden, da durchströmt die Besucherin des Kölner Grüngürtels ein Gefühl des Glücks. Hier, wo Wiese und Bäume die Innenstadt umarmen, wohnt die soziale Nachhaltigkeit. Wenn die Gemeinschaft irgendwo ein Zuhause sucht, dann könnte sie auf diesem Streifen jedenfalls fündig werden. Natürlich ist nicht alles perfekt. Natürlich kommt es auch hier zu Ausgrenzung oder gar Gewalt. Manch einer fühlt sich vor allem des Nachts nicht sicher. Und dennoch kommt es mir so vor, als lungerte hier Chancengleichheit genauso zwischen den Bäumen herum wie soziale Teilhabe. Im Kölner Grüngürtel darf jeder sein. Ohne dafür Eintritt zu bezahlen. Alle sind erlaubt, niemand hat ein Recht auf Exklusivität. Das verbindet. Und macht diesen Ort zwischen Inneren Kanalstraße und Innenstadt zu einer städtischen Ressource gegen die Einsamkeit.

Im Kölner Grüngürtel darf jeder sein. Ohne dafür Eintritt zu bezahlen. Alle sind erlaubt, niemand hat ein Recht auf Exklusivität. Das verbindet

Es ist nicht belegt, dass die Macher des World's Loneliest Cities Index 2025 sich hier zu Forschungszwecken auch mal ins Gras gelegt hätten. Aber die Vorstellung gefällt mir gut und würde auch zum Ergebnis ihrer Studie passen. Schließlich ist Köln unter 25 untersuchten internationalen Metropolen als Siegerin in der Kategorie „geringstes urbanes Einsamkeitsrisiko“ hervorgegangen. Heißt: In Köln besteht die Chance, vergleichsweise wenig allein zu sein.

Das mag jetzt den ein oder anderen überraschen, schließlich steigt auch in Köln die gefühlte Einsamkeit, noch vor knapp zwei Jahren offenbarte eine Einsamkeitsstudie im Auftrag der Landesregierung, dass sich jeder fünfte Jugendliche in NRW stark einsam fühlt. Aber man kann ja mal die Chancen sehen und manchmal hilft auch der Blick auf Orte, an denen es noch schlechter läuft, die gegebenen Verhältnisse schätzen zu lernen. Denn natürlich sind deutsche und auch europäische Großstädte allein wegen ihrer überdurchschnittlich guten Gesundheitsversorgung Mitbewerbern in den USA auch im Kampf gegen die Einsamkeit meilenweit voraus.

An dem Studienpokal sind durchaus Schrammen zu entdecken

Die gute Studien-Nachricht ist also weniger als Pokal zu sehen, den man sich jetzt in die städtische Vitrine neben die Karnevalsorden stellen sollte. Dafür sind bei näherem Hinsehen eh zu viele Schrammen zu entdecken. Aber warum nicht optimistisch sein und sie als Stipendium betrachten für ein Talent, das aber jetzt erst noch liefern muss. Ideen des Anpackens gäbe es da viele: Kostenlose und niedrigschwellige Tanz- oder Sportveranstaltung auf der Domplatte oder am Rheinufer zum Beispiel, bei denen jeder mithüpfen und tanzen darf. Konsumfreie Zonen der Begegnung wie Kulturinstitute oder Bibliotheken, die in jedem Veedel in den schönsten und einladendsten Immobilien untergebracht sein müssten. Bezahlbare Wohnprojekte, die auch Gemeinschaftsräume für alle Generationen mitdenken. Aber natürlich darf sich auch jede Bürgerin und jeder Bürger einbringen.

Vielleicht ist das ja die beste Nachricht überhaupt: Dass man Einsamkeit nur gemeinsam begegnen kann. Gelegenheiten dafür bietet Köln zahlreiche: Den Karneval, den Christopher Street Day, das Fußballstadion, den Dom, aber eben banalerweise auch den Flur eines Mehrfamilienhauses oder den Kiesweg im Schrebergarten. Zeigen Sie also, dass wir der Auszeichnung würdig sind! Gehen Sie doch mal rüber und sagen Sie Hallo! Bieten Sie Ihre Hilfe an! Vielleicht sogar mit einer Packung Kekse.