„Die Teile gehören verboten!“Debatte über Lastenräder in Kölner Parks entbrannt

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Oft konfliktreich: ein Weg für Läufer und Lastenradfahrer   

  • Immer mehr Spaziergänger fühlen sich durch den zunehmenden Zweirad-Verkehr in Parks gefährdet.
  • Selbst Eltern, die ihre Kinder mit dem Rad transportieren, bemängeln, dass vielfach zu schnell gefahren wird.
  • Kölner Verwaltung: Inwieweit Regeln geändert werden müssen, hängt von der weiteren Entwicklung ab.

Köln – In Kölner Parks wird plötzlich nicht nur gejoggt und flaniert, sondern auch heftig debattiert. Seitdem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über den wachsenden Unmut von Spaziergängern berichtet hat, die sich von Fahrradfahrern insgesamt, insbesondere aber durch die zunehmende Zahl an Lastenfahrrädern gefährdet fühlen, ist eine kontroverse Diskussion sowohl in den sozialen Netzwerken als auch in den Grünanlagen entbrannt.

„Ich find’ das zum Kotzen!“, sagt Heidi Keifler über den morgendlichen Verkehr im Beethovenpark. „Die haben die Teile nicht unter Kontrolle!“, glaubt die Kölnerin und schildert, wie kürzlich eine Lastenradfahrerin mit voller Geschwindigkeit den Hügel heruntergekommen sei, aus irgendeinem Grund plötzlich abbremsen musste, „und dann ist die volle Möhre ins Gebüsch gekachelt!" Aus Keiflers Sicht sind solche Fahrräder eine Waffe, und „deshalb gehören diese Teile verboten!“

Elena Kravtstav nennt den neuerlichen Verkehr „eine große Katastrophe“. Die Lastenfahrräder seien sicherlich super komfortabel, „aber für alle hier zu schnell“. Die Frau läuft mit ihren beiden kleinen Zwergspitzen an der Leine auf die Kita von St. Bruno zu, während ein sein Smartphone bedienender Lastenradfahrer den Hügel herabbraust. „Könnten Sie bitte mal kurz anhalten?“ – „Da hab’ ich keine Zeit zu!“, brüllt der Mann zurück und ist bereits außer Rufweite. 

„Die Dinger sind ja halbe Autos"

Wenn sich alle im Schritttempo bewegen würden, gäbe es kein Problem, meint ein junger Vater, der von der Neuenhöfer Allee kommt und langsam mit seinem Lastenrad in den Park einbiegt. Er habe keinen Elektromotor und könne deshalb nicht schnell fahren, erklärt der Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte. Problematisch sei, dass sowohl die Räder als auch die E-Scooter „immer mehr aufgerüstet“ würden.

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„Es ist eine Katastrophe“, findet auch Klaus Michels. „Die Dinger sind mit ihrem breiten Vorbau ja halbe Autos. Ich hab‘ selber ein Lastenrad, das ist schnell wie Sau“, unterstreicht der Kölner, der an diesem Morgen mit seinem jungen Hund an der Leine unterwegs ist. Aus seiner Sicht sollten Lastenräder nicht durch Einbahnstraßen fahren dürfen und durch Parks nur mit angepasster Geschwindigkeit. „Aber hier sind auch die normalen Räder oft zu schnell.“ Letztlich, meint Michels, müssten alle Rücksicht nehmen: Spaziergänger, Hundebesitzer, Fahrradfahrer. „Aber wenn jeder den Rambo spielt, ist kein entspanntes Miteinander möglich.“

Es wird zu wenig zur Seite geschaut

Er könne den Unmut teilweise verstehen, räumt Jens Michalski ein. Der junge Vater steht mit seinem Urban Arrow am Rande der Hundefreilauffläche. Das Rad wiege bestimmt „40 Kilo und mehr“, das sei bei der Masse mit entsprechendem Tempo schon ziemlich gefährlich. Auch er beklagt, dass zu wenig nach rechts und links geschaut werde und berichtet von einer Situation, wo es an einer Weggabelung „echt geknallt hätte, wenn ich zwei Sekunden eher da gewesen wäre“.

Radfahrende sollten in Parkanlagen grundsätzlich mehr Rücksicht nehmen auf den Fußverkehr und „entsprechend langsam und mit großem Abstand um die zu Fuß Gehenden herumfahren", lautet die Auffassung von Christian Beese. Der  verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Kölner Rat hält eine Sperrung der Parks jedoch für nicht sinnvoll, „wenn wichtige Radverbindungen dort entlang führen“. Die Radstrecken sollten besser kenntlich gemacht werden, zum Beispiel durch Rad-Piktogramme auf dem Boden, wie sie auch auf einzelnen Straßen verwendet würden. „Umgekehrt sollten an anderen Wegen explizite Verbotsschilder für Räder aufgestellt werden. Letztlich geht es nur mit einem rücksichtsvollen Miteinander. Ich rege an, dass die Stadt dafür eine Kampagne entwerfen lässt“, so Beese.

„Verbannung ist nicht der richtige Ansatz“

Auch das Kölner Dezernat für Mobilität hält eine Verbannung von Lastenfahrrädern aus bestimmten Bereichen nicht für den richtigen Ansatz. „Lastenräder ersetzen bei einem Transport von Kindern oder Waren die Benutzung eines Kfz und tragen somit zu einem umweltgerechten Verkehrsgeschehen bei", so die Verwaltung. Die Stadt Köln setze vielmehr auf die gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmenden. Für Lastenradfahrende in schützenswerten Räumen für den Fußverkehr wie etwa  Parkanlagen gelte das Gebot in besonderer Weise.

Grundlage für das Verhalten in Grünanlagen bildet die Kölner Stadtordnung in einer Fassung vom 29. Januar 2017 – also vor fünf Jahren, als es noch gar keine E-Scooter in den Städten gab. Auf die Frage, ob man angesichts neuer elektrobetriebenen Verkehrsmittel, die in einem Tempo von bis zu 25 Kilometern pro Stunde unterwegs sind, nicht eventuell die Regeln für Grünanlagen erneuern oder zumindest überdenken müsse, entgegnet die Verwaltung: Man werde die Situation weiter im Auge behalten. Inwieweit Regeln geändert werden müssten, hänge von der weiteren Entwicklung ab.

Die Qualität der Radfahrstruktur steigern

Ascan Egerer, Beigeordneter für Mobilität, betont, dass Parkanlagen besonders schützenswerte Räume für den Fußverkehr seien. Deshalb sei es hier besonders wichtig, die Geschwindigkeiten entsprechend anzupassen. „Wir als Stadt sind aktiv dabei, die Qualität der Radverkehrsinfrastruktur zu steigern, z. B. durch Spurumwandlungen. Dieses Engagement werden wir in den kommenden Jahren fortsetzen und beschleunigen. Ziel ist es, auf unseren Straßen eine sichere und für schnellere Fahrten geeignete Infrastruktur für das (Lasten-)Fahrrad vorzuhalten, sodass auch der Fußverkehr davon profitiert.“

Auszug aus der Kölner Stadtordnung – KSO in der Fassung vom 29. Januar 2017

§ 24 Sport und Spiele (5) Beim Befahren der Wege in öffentlichen Grünflächen mit Fahrrädern, Rollschuhen, Inlineskates, Tretrollern, Kickboards, Skateboards und Ähnlichem ist auf andere Personen in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen. 

Da das Fahrrad vom Freizeitmittel zum Verkehrsmittel geworden ist, müssten klare Regeln geschaffen, eingeführt und vor allem kontrolliert werden, lautet die Auffassung von Helmut Schmidt, dem Vorstandvorsitzenden von Stadtmarketing Köln. „Wir können uns nicht auf ein respektvolles und umsichtiges Verhalten aller Verkehrsteilnehmer verlassen und sehen, wie die Zahl der Radunfälle und vor allem die Schwere der Verletzungen auch aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Radfahrer und des Gewichtes der Lastenräder zunehmen.“  Aus Sicht von Stadtmarketing Köln müsse es eine Trennung der Wege zwischen den unterschiedlichsten Verkehrsteilnehmern geben. Parks dienen der Erholung und sind weder für Radfahrer noch Lastenräder geeignet. Auch wenn sich viele Verkehrsteilnehmer ordnungsgerecht verhalten, zeigt die Realität ein anderes trauriges Bild und kommt leider ohne Regularien nicht aus.“

Nico Rathmann, seit März offiziell der Fußverkehrsbeauftragte der Stadt Köln, möchte sich zum Konflikt von Spaziergängern und Lastenradfahrern nicht äußern, bevor er sich kundig gemacht hat. Da, wo er herkomme, "gibt es keine Grünanlagen, nur Wald."

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