Die Unendlichkeit des angedeuteten Todes

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In den Gemälden von Peter Rutzen spielt der Tod eine entscheidende Rolle.

In den Gemälden von Peter Rutzen spielt der Tod eine entscheidende Rolle.

Buchforst –  Unterschiedlicher könnten die Werke von drei Künstlern nicht sein, als die von Jeannette de Payrebrune, Dierk Osterloh und Peter Rutzen, die in der Kulturkirche Ost in einer gemeinsamen Ausstellung zusammenkommen.

„Von der Sehnsucht nach Licht bis zur Apokalypse“ lautet der Titel des bildlichen Spektrums, das es den Besuchern nicht leicht macht. Wenn schwebende Farbwolken, schrundig-zerrissene Landschaften und Totenköpfe aufeinandertreffen, weiß das Auge zunächst nicht, wohin es den Blick richten soll. Alles zieht gleichermaßen die Aufmerksamkeit auf sich und ist zugleich verwirrend. Der von Peter Rutzen gemalte Schädel, durch dessen Augenhöhlen andere Schädel kriechen, erschreckt. Die von Dierk Osterloh mit viel Farbe und satten Hieben geschaffenen Meeresszenerien bedrücken trotz der Weite ihrer Horizonte. Und die von Jeannette de Payrebrune gehauchten Farbnebel entziehen sich, je konzentrierter man den Blick auf sie richtet. Kurz gesagt, es handelt sich um drei ganz unterschiedliche Bildwelten, deren Gemeinsames darin besteht, den Boden unter den Füßen verlieren zu lassen. Möglicherweise entscheidet der Zufall oder eine unbewusste persönliche Prägung, in welchen Erfahrungsbereich ein Besucher als erstes eintaucht, ob in die Unendlichkeit des Himmels, des Meeres oder des angedeuteten Todes. Peter Rutzen (Jahrgang 1958) konfrontiert ohne Umschweife mit der Tatsache, dass mitten im Leben Gewalt und Tod wirksam sind. Sehr dunkel, fast schwarz sind seine Bilder, die äußerst sorgfältig komponiert sind. So hat er die Struktur der Kreuze von Kriegsgräbern aufgegriffen, um all die auf den Schlachtfeldern der Geschichte getöteten Soldaten zur Mahnung für die Lebenden werden zu lassen. Auf einem anderen Gemälde ließ er malerisch aus den Falllinien von Bomben ein Ungeheuer entstehen, das nicht nur einzelne Menschen, sondern die Menschheit als Ganzes bedroht. Und die Erotik junger Mädchen zwischen Totenschädel zu malen, verweist wiederum auf die vertrackte Beziehung von Eros und Thanatos, Sexualität und Gewalt. Symbolisiert durch Atompilze, Soldatenhelme und Totenschädel malt Rutzen eine düstere Zukunft für eine Welt am Abgrund, die gerade deswegen dem Untergang immer näher kommt, weil die Menschen sich ihr Verhalten nicht bewusst machen.

Auch wenn Dierk Osterlohs kraftvolle Malerei auf den ersten Blick dem Leben bejahender gegenüber zu stehen scheint, ist sie nicht weniger erschreckend. Die schweren tiefblauen Wolken, aufgewühlten Meeresoberflächen und furchigen Erdformationen setzen die lebendige Bewegtheit der Natur in das Zeichen einer unberechenbaren Gewalt. Der Künstler (Jahrgang 1964) attackiert die satten Materialoberflächen seiner Bildlandschaften beim Malen so heftig, dass sie vor allem verletzt und vernarbt erscheinen. Man ist sich nicht sicher, ob Osterloh mehr die aufbauenden oder mehr die zerstörerischen Kräfte der Welt zeigen will. Jedenfalls hat der Mensch keinen Platz in diesen Szenerien, er ist daraus verschwunden oder vertrieben worden. Auch in Jeannette de Payrebrunes malerischen Himmelsweiten ist der Mensch abwesend, doch verbreiten ihre Bilder einen stillen Hoffnungsschimmer. Das rot-gelbe Schweben führt den Blick in einen offenen, von Energien durchfluteten Raum, der keineswegs bedrohlich wirkt, sondern stattdessen zur Ruhe kommen lässt. Wir spüren die Sonne, das Licht und das Leuchten einer Sehnsucht, die ein starkes Begehren, aber keinen fest umrissenen Gegenstand kennt. Die Gemälde lassen keinen Zweifel, dass sie nur Ausschnitte eines sich unendlich ausdehnenden Universums sind. Während mit dem Schweben der roten Wolken unser Imaginäres scheinbar ins All hinausströmt, führt es tief in unser inneres Universum hinein.

Zwei der an der Ausstellung beteiligten Künstler: Jeannette de Payrebrune und Peter Rutzen.

Zwei der an der Ausstellung beteiligten Künstler: Jeannette de Payrebrune und Peter Rutzen.

Letztlich bringt die Malerei aller drei Künstler zum Ausdruck, dass der endlose unbekannte Raum sich ebenso in unserem Innern befindet wie in der äußeren Welt.

Kulturkirche Ost, Kopernikusstraße 32/34, noch bis Freitag, 12. Juli, von 17-20 Uhr geöffnet.

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