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„Draußen feiern ist Lebensqualität“King Georg Büdchen zeigt Kölns neue Ausgehkultur

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Hermes Villena vor dem King Georg Büdchen, in unmittelbarer Nähe zur Bar.

  • Die Jazzbar „King Georg“ bietet mit seinem Büdchen vor der Tür am Wochenende ein Musikprogramm draußen an.
  • Das kommt gut an: Vor dem Büdchen wird Musik gehört und gemeinsam gefeiert. Im Interview erzählt Programmchef Hermes Villena, warum das Feiern unter freiem Himmel so beliebt ist.
  • Außerdem spricht er über Köln als Partystadt und warum man im King Georg lieber ein gemischtes Publikum hat, als ein Szeneladen zu sein.

Köln – Worauf achten Sie bei der Programmplanung für das King Georg?

Villena: Die Musik steht für mich absolut im Vordergrund. Bei uns wird viel gespielt, was man eben gerade nicht im Radio hört. Aber das heißt nicht, dass wir auf Teufel komm raus ein klassischer Szeneladen sein wollen, der vor allem jüngere Leute anspricht. Uns ist es wichtig, dass wir eine gute Mischung haben: Sowohl von der Musik, als auch vom Publikum. Hier läuft Soul, Disco, Salsa, Jazz bis hin zu experimenteller Musik, fast ausschließlich von Schallplatten.

Die Qualität der Musik ist uns sehr wichtig. Wir haben während der Pandemie auch drei Podcasts ins Leben gerufen, die sich mit den Geschichten und Menschen hinter den Schallplatten beschäftigen: Klubcast, Jazzcast und Zehnerkarte. Unsere Gäste am Wochenende sind Leute zwischen 18 und über 60. Andere Läden sind sehr daran orientiert, Jüngere in ihren Laden zu bekommen. Das schließt viele andere aber von vornherein aus.

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Zur Person

Hermes Villena, 37, ist seit über zehn Jahren mit dem King Georg verbunden. Zu Beginn legte er im Laden seine Platten auf. Seit zwei Jahren verantwortet er das Wochenendprogramm des King Georg. Villena ist außerdem künstlerisch aktiv, hat an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert und verantwortet den Kunstraum „Ungefähr 5“ am Ebertplatz.

Warum ist Ihnen ein gemischtes Publikum so wichtig?

Ich glaube, das Nachtleben profitiert davon, wenn eine Bar die Gesellschaft widerspiegelt. Auch Menschen über 60 gehen gerne aus – das soll im King Georg koexistieren können. Wir sehen oft, dass sich die Gruppen hier mischen. Bei einem der DJ-Abende am Büdchen neulich kam eine Gruppe älterer Menschen, hat sich von 18 bis 22 Uhr dazugesetzt und mit Musik gehört.

Und wie das in Köln so ist, ist man schnell miteinander ins Gespräch gekommen. Das muss aufrecht erhalten bleiben. Die Akzeptanz für Andersdenkende hat durch die Anonymität des Internets abgenommen. Am Tresen oder auf einer Bierbank kommt man schnell mit den unterschiedlichsten Leuten ins Gespräch und Diskussionen sind persönlich respektvoller.

Sie haben die Musik draußen gerade angesprochen. Was hat es mit dem King Georg Büdchen, vis-a-vis mit dem eigentlichen King Georg, auf sich?

Das Büdchen gibt es schon länger, vorher haben „Dublab“ (ein Kölner Ableger eines internationalen Webradios, Anm. d. Red.) dort viel gemacht, mit denen ich auch verbunden bin. Seit Corona da ist haben wir das Büdchen verstärkt bespielt, weil es uns eine Möglichkeit gegeben hat, Musik zu hören und dabei draußen zu sein. Wir wollen das jetzt auch weiter durchziehen und immer von Frühling bis Herbst, je nachdem, wie das Wetter es erlaubt, am Wochenende von 18 bis 22 Uhr ein Programm dort anbieten.

Besonders am Wochenende kann man sehen, wie die Menschen vor eurem Büdchen zusammenkommen. Geht der Trend zum Draußen-Feiern?

Auf jeden Fall. Die Menschen wollen draußen sein – auch unabhängig von Corona. Wenn die Pandemie eine gute Sache hat, dann ist es vielleicht die Möglichkeit, den Stadtraum zu verändern und ein Stück weit zurückzuerobern. In Köln hatte man früher viel mehr Gelegenheiten, draußen zu feiern – vor 15 Jahren gab es quasi noch unter jeder Brücke Partys. Das ist nicht mehr so. Dabei ist es doch Lebensqualität, draußen zu sein. Das gilt ja nicht nur für uns als Bar, sondern auch für die Bürger.

Ich würde mir zum Beispiel weniger Autos in der Stadt wünschen, oder dass einige Straßen am Wochenende für den Verkehr gesperrt werden. Als die Vogelsanger Straße dicht war, hat man gesehen, wie Kinder draußen gespielt und Leute sich mit Tischen und Stühlen auf die Straße gesetzt haben. Das fand ich super. So könnte die Kölsche-Vita immer aussehen.

Was würden Sie sich von der Stadt in Bezug auf die Kultur draußen wünschen?

Dass die Ämter schneller und flexibler reagieren. Wir warten schon eine Weile auf unsere Genehmigung, draußen auch Tische und Stühle hinstellen zu können. Die Stadt gewinnt ja auch davon, wir bieten hier immerhin über die Musik ein kulturelles Angebot, das über das reine Feiern oder Trinken hinausgeht. Köln hat sich jahrelang als Stadt für Kultur profiliert – dann muss man das auch pushen.

Vor allem in Krisenzeiten. Die Zukunft sieht gerade nicht rosig aus. Und verständlicher Weise werden viele Ängste weiterhin auftauchen. Die Politik muss erkennen, dass Kultur, sei es Kunst, Musik, Theater oder Literatur, und das Zusammenkommen von Menschen Balsam für die Seele der Gesellschaft sein kann.

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Was ist Ihr Plan mit dem Büdchen für die Zukunft?

In diesem Jahr wollen wir es noch ein, eineinhalb Monate weiter betreiben. Trotz des vielen Regens mussten wir bislang nur zwei Termine absagen. Wir hoffen darauf, bald die Sitzgelegenheiten rausstellen zu können. Mir ist aber wichtig, dass das auf Passantinnen und Passanten keinen abschreckenden Eindruck hat, indem man fest „Gast“ wird, sobald man sich hinsetzt.

Jeder soll dazu kommen können, ohne den Druck, direkt Konsumieren zu müssen. Die Spontanität muss aufrecht erhalten werden. Man soll sich einfach dazu stellen und Musik hören können. Die Nachbarschaft ist uns zum Glück sehr wohl gesonnen. Neulich kam eine rund 70-Jährige Frau, die seit 40 Jahren hier im Veedel wohnt, und hat zu mir gesagt: Es ist so toll, dass ihr das hier macht.

Perspektivisch will ich draußen auch Konzerte machen, vielleicht in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt. Wir könnten eine kleine Bühne aufbauen und akustische Konzerte spielen. Es ist aber auch schön, dass wir den Club drinnen wieder haben – dort können wir lauter sein, tanzen.

Was war es für ein Gefühl, als im King Georg das erste Konzert drinnen wieder stattgefunden hat?

Befreiend. Alle waren total aufgeregt, wir waren ausverkauft. Ich habe noch nie erlebt, dass die Leute im Publikum so mucksmäuschenstill waren, fast andächtig, „endlich gibt es wieder Live Musik und Drinks!“ (lacht) Das war der Hammer. In den Gesichtern der Leute hat man gesehen, wie notwendig das eigentlich ist.

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