Ehemaliges KinderheimgeländeWenn Steine Geschichten erzählen
- Findlinge erinnern bald an Europas größtes Waisenhaus
Sülz – Sülz. Viereinhalb Jahre Arbeit werden am 20. April belohnt. Dann wird im Wohngebiet zwischen Münstereifeler Straße, Anton-Antweiler Straße, Neuenhöfer Allee und Sülzgürtel errichtet, was die Gründung des Fördervereins Erinnerungsorte Kinderheim Köln Sülz bezweckte. Auf Initiative ehemaliger und heutiger Bewohner des Areals wird an einem Gedenkort künftig die Geschichte des Areals erzählt. Die ersten Elemente, drei große und bis zu 18 Tonnen schwere Findlinge, werden nun bald platziert, "Henry" und "Berta" auf dem Heinz-Mohnen-Platz. Der größte Findling namens "Jane" wird auf dem Gelände an der Neuenhöfer Allee stehen. Die riesigen Steine werden Besucher daran erinnern, dass sich auf dem Areal einst Europas größtes Waisenhaus befand. In 100 Jahren wurden hier 22 000 Kinder groß. 2010 wich das Gebäude-Ensemble einem Neubaugebiet. Die jungen Bewohner zogen in kleinere Wohneinheiten.
Die pädagogischen Ansätze hatten sich im Laufe der Zeit geändert. Elternlose Kinder in einem großen Heim zu betreuen, ist nicht mehr zeitgemäß. Sie leben nunmehr in familienähnlichen Kleingruppen dezentral in der Stadt. Trotzdem, für diejenigen, die ihre Kindheit im Sülzer Kinderheim verbrachten, war es ein Schock, als es bis auf wenige Gebäudeteile dem Erdboden gleich gemacht wurde. Sie verbinden Erinnerungen mit dem Ort. Je nachdem zu welcher Zeit und in welcher Gruppe sie aufwuchsen, waren es schöne oder auch schlimme Dinge, die sie erlebten, für manche Kinder gehörten sogar Schläge und drakonische Strafen zum Heimalltag.
Kurz bevor die letzten Mauern fielen, hinterließ ein ehemaliger Bewohner oder eine ehemalige Bewohnerin dort per Graffiti einen eindrückliche Botschaft: "1914 bis 2009. Segen und Fluch. Meinen Dank den Aufrichtigen und den Liebenden! Den anderen das jüngste Gericht und die Gnade der Gedemütigten und Zerbrochenen. Für uns selbst Mut und Frieden." Die Zeilen blieben im Gedächtnis der Nachbarschaft hängen. Bald werden sie wieder auf dem Gelände zu lesen sein.
Der Förderverein Erinnerungsorte Kinderheimgelände hatte einen Wettbewerb für einen passenden Gedenkort ausgeschrieben und dabei festgelegt, dass der Entwurf die Sätze des Graffiti beinhalten muss. Das Künstlerarchitekten-Duo Osa gewann mit einem Entwurf, der drei große Findlinge auf dem Gelände vorsieht, die mit Inschriften zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Geländes versehen werden. Er beinhaltet zudem eine steinerne Sitzbank, auf der die Graffitizeilen in einer ihnen nachempfundenen Inschrift zu sehen sein werden. Die Bank ist ein wichtiger Bestandteil des mehrteiligen Erinnerungsortes, zum dem auch eine Infotafel gehören wird, die über die Geschichte des Geländes informiert.
Auf sie werden die Initiatoren allerdings noch etwas warten müssen. Die Stadtverwaltung ist dafür zuständig, den Platz vor der Kirche, auf dem sie stehen soll, zu gestalten. Und sie hat andere Vorstellungen davon als der Förderverein Erinnerungsorte.
"Die Stadtverwaltung hat die Bank, die ja immerhin zwei Meter lang und 80 Zentimeter tief sein soll, so geplant, dass sie zumindest stückweise nur 30 Zentimeter hoch sein soll", sagt Harald Weiß, Vorstandsmitglied des Fördervereins. "Das ist aber nicht sinnvoll. Denn zum einen kann man auf einem so niedrigem Möbel nicht sitzen, zum anderen können wir die Inschrift dann nicht wie geplant einzeilig darauf schreiben." Sie befinde sich dann in Spritzwasser- und Hundepinkel-Höhe. Das würde der Ernsthaftigkeit der Sätze aber nicht gerecht. Über die Höhe der Bank verhandelt der Verein derzeit mit der Stadt und hofft, dass sie dieses Jahr noch errichtet wird.
Nun freuen sich die Mitglieder aber erst einmal auf die Steine, die deutlicher Hinweis auf die Vergangenheit des Areals und zugleich Schmuckstücke für die Plätze sein werden.
Insgesamt kostet der Gedenkort 80 000 Euro. Den Löwenanteil hat der Landschaftsverband Rheinland beigetragen, der Stadtrat hat Mittel bewilligt, die Stadtsparkasse hat gespendet und die Bezirksvertretung Lindenthal. Für ihre Hilfe ist der Förderverein dankbar. "Ohne die Bezirksvertretung wäre das Projekt überhaupt nicht möglich gewesen", sagt Vorstandsmitglied Utz Küpper. "Sie hat uns von Anfang an konsequent großartig unterstützt, nicht nur finanziell."