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„Das wäre das Todesurteil für meine Mutter“100-jährige Kölnerin soll aus Wohnung ausziehen

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Trotz Räumungsklage einigermaßen optimistisch: Lilly Rostock (2. v. l.) im Kreise ihrer Kinder Karl-Heinz und Brigitte Rostock (r.) sowie Schwiegertochter Jildas (l.).

Trotz Räumungsklage einigermaßen optimistisch: Lilly Rostock (2. v. l.) im Kreise ihrer Kinder Karl-Heinz und Brigitte Rostock (r.) sowie Schwiegertochter Jildas (l.).

Die Kölnerin Lilly Rostock, 100 Jahre alt, soll trotz Demenz und Pflegebedarf aus ihrer langjährigen Wohnung in der Feltenstraße ausziehen.

Karl-Heinz Rostock ist wütend: „Das geht einfach nicht, das wäre das Todesurteil für meine Mutter.“ Lilly Rostock, die Ende Mai ihren 100. Geburtstag feiern konnte, soll zum 30. November aus ihrer Wohnung in der Feltenstraße ausziehen, die Kündigung hatte die Eigentümerin, die WS Immobilien Verwaltungs GmbH & Co KG (WS), Mitte Februar zugeschickt. Weil Lilly Rostock mithilfe ihrer Kinder Einspruch gegen die Kündigung eingelegt hatte, hat die WS nun ihrerseits Räumungsklage erhoben. „Meine Mutter kann wegen eines Unfalls nicht mal mehr alleine gehen, es wäre ihr unmöglich, sich in einer neuen Wohnung zurechtzufinden“, sagt der Sohn.

Schon seit Jahren wird Lilly Rostock, die auch unter Demenz leidet, aber nicht in einem Heim leben möchte, zu Hause gepflegt und versorgt. Und zwar von ihrer Tochter Brigitte Rostock, die zu diesem Zweck in die knapp 100 Quadratmeter große Wohnung im dritten Stock der Feltenstraße 4 zurückgezogen ist. Dort ist sie auch aufgewachsen, denn die Familie lebte seit 1969 in dem Haus, das in den 1950er Jahren für Offiziere der belgischen Streitkräfte errichtet worden war. Nun soll es, wie die beiden baugleichen Nachbarhäuser Feltenstraße 2 und 6, abgerissen werden.

Die drei Häuser in der Feltenstraße.

Die drei Häuser in der Feltenstraße.

Ersatzwohnung angeboten – Neubau geplant

Die WS will hier Neubauten mit 26 behindertengerechten und energieeffizienten Wohnungen hochziehen und würde „durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Mietsache gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden“, wie die Kanzlei Jacobs & Blöse Rechtsanwälte im Namen ihrer Mandantin, der WS, anlässlich der Kündigung mitgeteilt hatte.

Im Gespräch mit dieser Zeitung betont Jochen Blöse, es sei seiner Mandantin selbstverständlich klar, dass ein Umzug für eine hochbetagte, 100-jährige Frau eine „besondere Belastung“ darstelle. Deshalb habe man Lilly Rostock schon im März schriftlich eine Ersatzwohnung „wenige Schritte entfernt“, im Haus Äußere Kanalstraße 75c, angeboten.

Umzug kam für Familie nicht infrage

Dort hätten sogar zwei Wohnungen zur Auswahl gestanden, auch die Tochter hätte mit einziehen können, und die Miete wäre sogar günstiger gewesen als in der Feltenstraße: „Leider haben wir auf dieses Angebot keine Reaktion erhalten“, so Blöse. Brigitte Rostock bestätigt das: „In dem Schreiben stand ja noch nicht einmal, wie groß diese Wohnung war, oder wie teuer, und ob ich dort ebenfalls hätte einziehen können.“ Ihr Bruder Karl-Heinz stellt klar, dass man zu keinem Zeitpunkt ernsthaft über einen Umzug diskutieren wollte: „Das wäre für meine Mutter unzumutbar.“

Die beiden Wohnungen im Haus Äußere Kanalstraße 75c sind inzwischen anderweitig vermietet. Die Stadt, die das Gebäude von der WS angemietet hat, habe zwar den Hinweis des Eigentümers auf die hochbetagte Mieterin in der Feltenstraße berücksichtigen wollen, aber irgendwann die Geduld verloren, so Jochen Blöse: „Das kann man verstehen, es gibt ja genug Leute, die eine Wohnung suchen.“

Neue Wohnungen gefunden haben offensichtlich auch einige der bislang neun Mietparteien der Häuser Feltenstraße 2–6, mehrere Wohnungen stehen schon leer. „Aber das waren meist jüngere Leute, die hatten nur einen befristeten Mietvertrag“, erklärt Karl-Heinz Rostock. Seiner Kenntnis nach leben in den drei Häusern aber vier Parteien, die seit mindestens 20 oder 30 Jahren hier wohnen und ihre Wohnungen auch nicht verlassen möchten. „Die Häuser sind ja gut in Schuss, die bräuchten nicht abgerissen werden, das ist reines Profitstreben des Eigentümers“, sagt er.

Der Räumungsklage sieht Familie Rostock einigermaßen optimistisch entgegen: „Unser Anwalt sagt, dass ein Umzug für hochbetagte und körperlich behinderte Menschen eine unzumutbare Härte ist“, erzählt Karl-Heinz Rostock. An eine Niederlage vor Gericht möchte seine Gattin Jildas gar nicht erst denken: „Auf dem Wohnungsmarkt ist derzeit doch überhaupt nichts zu finden.“