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So wohnt KölnDer Turm von Köln-Bickendorf bietet ein Wohnerlebnis der etwas anderen Art

Lesezeit 5 Minuten
Straßenansicht mit Turm als zentralem Blickfang

Der Turm an der Subbelrather Straße in Bickendorf bietet zwischen Wirtschaft und Weinhandlung eine ganz besondere Wohnlage. 

Mit ICE aus Wien und Klapprad kam Johannes Herpell vor zwei Jahren zu seinem Wohntraum. Dass er den Zuschlag bekam, freut ihn noch immer. 

„Manchmal komme ich mir vor wie ein Opa, der von seinem Fenster aus die Straße im Blick hat und verfolgt, was vor sich geht.“ Johannes Herpell hat gleich 21 davon und einen besonders guten Überblick: Er wohnt in dem Turm an der Subbelrather Straße in Bickendorf. Von dort hat er den besten Blick auf die Straße und den Kreisel, an dem sich Subbelrather Straße, Sandweg und Rochusstraße treffen, es ist der Knotenpunkt in Bickendorf. Auch der Blick in den Hinterhof des ehemaligen Gutshofs ist charmant, wissen doch nur wenige, dass sich dort ein gepflegtes Teich-Ensemble und ein Künstleratelier befinden. 

Ein junger Mann mit Strickmütze und Bart sitzt auf der Kante eines hölzernen Küchentischs.

Johnny Herpell in seiner Küche, die die mittlere Turmebene darstellt.

Der Turm ist 16 Meter hoch und schmiegt sich an das Gebäude-Ensemble, das bis zur Ecke Rochusstraße reicht. Es ist ein altes Gasthaus, das Eigentümer Michael Schmitz vor 25 Jahren um ebenjenen Turm erweiterte. Das vor kurzem neu eröffnete Zimmermann's war damals noch die Rock-Kneipe Wutzstock. „Die Hausbewohner bezeichneten das alte Gebäude immer als Schloss, das zugehörige Häuschen an der Rochusstraße 62 als Gesindehäuschen und kamen so zu der Überzeugung, dem Ensemble fehle noch ein Turm“, erinnert sich Schmitz. Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Nach seinen Zeichnungen fertigte ein Architekt die Baupläne. Trotz kleinerer Unstimmigkeiten wegen Höhen und Abständen zu Nachbargebäuden dauerte es von der Idee bis zur Fertigstellung nur zwei Jahre. Seitdem ragt er weithin sichtbar zwischen Weinhandlung und Wirtschaft in die Höhe.

Mit dem Klapprad im ICE von Wien zur Besichtigung nach Köln-Bickendorf

Nach dem Auszug der damaligen Mieterin wurde vor zwei Jahren ein neuer Turmbewohner gesucht. Michael Schmitz stellte das Inserat damals nur für ein paar Stunden bei Immoscout ein, denn erfahrungsgemäß fluten binnen kürzester Zeit vielfache Anfragen sein Postfach. „Ich war der elfte Kandidat, der zum Besichtigungstermin eingeladen wurde“, erinnert sich Johannes Herpell. „Eigentlich machen Michael und seine Frau Sonja bei zehn Kandidaten Schluss, für mich machten sie eine Ausnahme“.

Eine Ausnahme, die er sich mit vollem Einsatz erkämpfte: „Ich lebte damals noch in Wien und lag dort im Krankenhaus. Mir waren die Mandeln herausgenommen worden.“ Wegen der Dringlichkeit des Termins hatten die Ärzte ein Einsehen und entließen den promovierten Pflanzenforscher, den es zur Fortsetzung seiner mikrobiologischen Forschungsarbeit ans Kölner Max-Planck-Institut zog, vorzeitig aus ihrer Obhut. 

Ein Couchtisch aus Holz steht vor einem grünen Über-Eck-Sofa in einem Zimmer mit vielen Fenstern.

Unter dem Turmdach ist das Wohnzimmer, das Sofa musste Johannes Herpell für den Transport zersägen.

Der Besichtigungstermin fand an einem August-Samstag um 17 Uhr statt. „Mit meinem Klapprad stieg ich also morgens in den ICE in Wien, um nachmittags in Köln zu sein“. Dass er die Wohnung dann bekam, lag wohl auch daran, dass er einige Interessen mit seinen Vermietern teilte. „Ich hatte einfach ein Bedürfnis nach Holz, hatte ja auch in Wien schon in einer schönen Altbauwohnung gelebt.“ Als neben der geteilten Vorliebe für den Werkstoff Holz dann auch noch im Gespräch eine gemeinsame Rum-Leidenschaft zutage trat, die der Molekularbiologe bei seinen Forschungsreisen nach Costa Rica und Nicaragua entdeckt hatte, war die Sache klar: Herpell und sein Klapprad würden fortan in Bickendorf residieren.

In einer Küche mit vielen Fenstern sind Holzbalken in der Decke zu erkennen.

Die Küche lebt von den Holzelementen und den Rund-um-Turmfenstern.

Um in seinen Turm zu gelangen, nutzt Johannes Herpell die Eingangstür neben dem Tor, hinter dem sich einst die alte Eisentreppe zum Tanzsaal befand, der einst zum Gasthaus gehörte. Hier führt nun eine moderne Treppe ins erste Obergeschoss und zur „Tanzsaalwohnung“, wie Michael Schmitz sie nennt. Über den Treppenabsatz geht es zur Rückseite des Gebäudes, von wo aus eine Stahltreppe weiterführt zum Turm-Eingang. Wer eintritt, steht direkt in der Küche. Eine Diele gibt es nicht, eher eine Außendiele, denn eine Art Balkon mit Bank vor der Tür, gehört zur Wohnung.

Vertikales Wohnen auf drei Etagen in Köln-Bickendorf

Die Küche bildet die mittlere Ebene der drei Turmgeschosse. Eine Treppe führt von dort nach unten ins Schlafzimmer und zum kleinen Bad, eine weitere führt hoch ins Wohnzimmer. Die vertikale Architektur steht auch für die eine oder andere ungeplante Sport-Einheit. „Wenn ich im Bett liege, und mir fällt ein, dass ich etwas im Wohnzimmer vergessen habe, ist der Weg recht weit“, erzählt Herpell. Um ein permanentes Treppauf-treppab zu vermeiden, müsse er gut organisiert sein. „Ich jongliere immer alle möglichen Gegenstände die Treppen hoch und runter, um nicht zu oft laufen zu müssen.“

Die Grundfläche des Turms beträgt 22 Quadratmeter. Schlafzimmer und Küche messen je 16 Quadratmeter, das Wohnzimmer ist mit 18 Quadratmetern etwas größer. Mit dem kleinen Balkon vor dem Eingang verfügt Herpell, der in Köln-Müngersdorf das Mikrobiom von Pflanzen erforscht, über 52 Quadratmeter. Er zahlt dafür 820 Euro kalt. 

Blick in ein Treppenhaus mit schmalem Fensterschlitz

Lichtdurchflutet ist die Turmwohnung auch dank dieses schmalen Fensterschlitzes.

Beim Einzug geriet der gebürtige Hamburger an gewisse Grenzen: Das Sofa ins Wohnzimmer zu bekommen, war einfach unmöglich. „Ich musste es zersägen und dann wieder zusammenbauen.“ Doch nicht nur der Einzug stellt an Mensch und Mobiliar besondere Anforderungen. Als das Turmdach vor 25 Jahren montiert wurde, musste die Subbelrather Straße vor dem Haus für den dafür erforderlichen Kran gesperrt werden. Ein beachtlicher Menschenauflauf bildete sich damals vor der Hausnummer 543, um mitzuerleben, wie das Dach samt Wohnzimmerwänden an ihren Bestimmungsort fand. Die alteingesessene Zimmerei Menrath aus Dellbrück hatte Wände und Dachkonstruktion gefertigt, die Ossendorfer Dachdeckerei Knops die Konstruktion mit Zink beschichtet.

Die Wände, jeweils in der Größe 5x5 Meter, wurden zuerst auf das vorhandene Rumpfgebäude gehievt. Es folgte das Dach, das im 50 Meter entfernt gelegenen Antoniushof gefertigt worden war. Was Michael Schmitz zwei Jahre zuvor als Zeichnung und mit Lego-Bausteinen visualisiert hatte, wurde so am Ende mit einem veritablen Spektakel vollendet.

Heute ist der Turm von „Schloss Wutzstock“ die wahrscheinlich außergewöhnlichste Mietwohnung in Bickendorf, wenn nicht im ganzen Bezirk Ehrenfeld. Johannes Herpell schätzt an seiner Wohnlage neben dem Ausblick vor allem das gute Miteinander in Bickendorf. „Wien hat zwar die günstigeren Altbauwohnungen, aber die Nachbarschaft hier in Köln ist einfach unbezahlbar.“