Bettina Isken drohte unverschuldet ihre Wohnung zu verlieren. Es stellte sich heraus, dass die Mieter in der Leyendeckerstraße 6 illegal wohnen.
Genossenschaft hilftMieterin in Köln-Ehrenfeld vor drohender Zwangsräumung gerettet
Bocklemünd ist nicht Ehrenfeld: Die 60er-Jahre-Wohnsilos der „Trabantenstadt“ am Görlinger Zentrum verbreiten Plattenbau-Tristesse, während rund um den Heliosturm Altbauten und kleine Lokale für ein charmantes Wohnambiente sorgen. Das ist der Ehrenfelderin Bettina Isken egal. Sie freut sich auf ihren anstehenden Umzug nach Bocklemünd. Für sie ist er eine Rettung. Die Retterin ist die Ehrenfelder Genossenschaft. Sie hat der 53-Jährigen eine Wohnung am Görlinger Zentrum 1 angeboten.
An der Leyendeckerstraße 6, wo sie bislang wohnt, droht ihr unverschuldet der Rauswurf. Vor einigen Wochen flatterte der 53-Jährigen ein Brief der Bauaufsicht ins Haus, mit dem das Amt sie darauf hinwies, dass sie illegal wohne, weil es für die neun Wohnungen in dem ehemaligen Gewerbegebäude keine Baugenehmigung in Gestalt einer Nutzungsänderung gebe.
Zwangsräumung für Mieter in der Leyendeckerstraße möglich
Abgesehen davon, so steht es in dem Brief, der der Redaktion vorliegt, fehle der für den Brandfall zwingend nötige zweite Rettungsweg. Deswegen würde das Bauaufsichtsamt den Erlass einer „Ordnungsverfügung“ erwägen, mit der es Isken und die anderen Mieter auffordern würde, ihre Wohnungen zu räumen. Das könne auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, also mit einer Zwangsräumung.
Isken habe nachgefragt, innerhalb welcher Frist nach der Verfügung sie die Wohnung verlassen müsste. „Die Mitarbeiterin sagte mir in zwei bis vier Wochen“, schildert Isken. Sie geriet in Panik und habe nicht mehr schlafen können. Ihr chronisches Asthma habe sich verschlimmert, erzählt sie. Aufgrund ihrer Krankheit sei sie frühverrentet und beziehe zusätzlich Grundsicherung. Eine teure Wohnung könne sie sich also nicht leisten.
Hilfe von Ehrenfelder Genossenschaft
Eine bezahlbare Unterkunft ist in Ehrenfeld und anderen Kölner Stadtvierteln zu finden, schien unmöglich. Isken suchte verzweifelt, rief zahlreiche Genossenschaften an, erfolglos. Ein Anruf bei der „Fachstelle Wohnen“ des Amts für Soziales, Arbeit und Senioren, das Hilfe bei drohender Wohnungslosigkeit leiste, beunruhigte sie zusätzlich: „Ein Mitarbeiter sagte mir, man könne mich in einer Notunterkunft unterbringen“, so Isken.
Doch jetzt steht unverhofft die Tür zu einer neuen Wohnung offen – dank der Unterstützung einer sehr guten Freundin. „Ihre Familie ist schon in der dritten Generation Mitglied in der Ehrenfelder Genossenschaft. Sie hat dort für mich vorgesprochen“, erzählt Isken. „Die Genossenschaft hat sich das Schreiben des Bauaufsichtsamtes angesehen und mir ein Mietangebot gemacht. Sie hat die Notlage erkannt und sofort gehandelt.“
Die neue Wohnung befinde sich am Görlinger Zentrum in Bocklemünd, sei 45 Quadratmeter groß, günstiger als ihre Wohnung in Ehrenfeld und – für sie als Asthmatikerin sehr günstig – mit einem Aufzug erreichbar. Es gab allerdings wieder einen Haken: Erneut habe eine Behörde beteiligt werden müssen: „Die Wohnung ist eigentlich für einen Senioren oder Seniorin vorgesehen, also für Menschen im Alter von 60 Jahren und älter“, sagt Isken. Das Wohnungsamt muss die Fehlbesetzung durch die 53-jährige Frührentnerin genehmigen. Und das ist wohl geschehen: „Gerade hat die Ehrenfelder Genossenschaft mir mitgeteilt, dass die Genehmigung vorliegt“, freut sich Isken.
Ob sich die Situation an der Leyendecker Straße für die anderen acht Mietparteien entspannt oder der Rauswurf droht, ist noch unklar.
Die Vermieterin, die „Kaiser Generalbau GmbH“, versucht laut eigener Auskunft seit Jahren, eine Baugenehmigung zu erwirken. Laut Stadtverwaltung ist nun eine Lösung in Sicht: „Das Bauaufsichtsamt konnte mit dem Eigentümer die Einrichtung eines provisorischen zweiten Rettungsweges abklären“, schreibt eine Sprecherin der Stadt. „Damit bleibt nun einige Monate Zeit, den Eingang eines vollständigen neuen Bauantrages abzuwarten.“
Vorerst drohe den Mietern und Mieterinnen noch keine Räumung. Sie können am Ende vielleicht sogar bleiben. Isken wird das nicht tun: „Mein Vertrauen ist zerstört“, sagt sie. Sie freut sich nun auf eine Genossenschaftswohnung in Bocklemünd.