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„Stehe mit Rücken zur Wand“Acht Mietparteien in Ehrenfeld droht Zwangsräumung wegen illegaler Nutzung

Lesezeit 4 Minuten
Bettina Isken mit ihrer Katze Trudi in ihrer kleinen Dachgeschosswohnung.

Bettina Isken mit ihrer Katze Trudi in ihrer kleinen Dachgeschosswohnung.

Nach 17 Jahren im Haus Leyendeckerstraße ist Bettina Isken von Zwangsräumung bedroht. Der Grund: Illegalität und mangelnde Sicherheit im Gebäude.

Ein Brief hob Mitte August Bettina Iskens Welt aus den Angeln. Seit 17 Jahren lebt die 53-Jährige in ihrer kleinen Dachgeschosswohnung in dem zweistöckigen Haus an der Leyendeckerstraße 6 in Köln-Ehrenfeld. Sie habe, sagt sie, stets pünktlich ihre Miete gezahlt und wäre nicht auf die Idee gekommen, dass sie ihren Lebensmittelpunkt von heute auf morgen verlieren könnte – bis eine „Anhörung“ der Stadt Köln ins Haus flatterte: Isken wurde mitgeteilt, dass sie ihre Wohnung illegal bewohnt. Für die insgesamt neun Wohnungen des Hauses, das ehemals gewerblich genutzt wurde, sei nie die Nutzung zu Wohnzwecken genehmigt worden.

Abgesehen davon, so steht es laut Isken in dem Brief, fehle der für den Brandfall zwingend nötige zweite Rettungsweg. Wegen der illegalen Nutzung der Wohnung würde das Bauaufsichtsamt nun gegenüber Isken den Erlass einer „Ordnungsverfügung“ erwägen, mit der sie aufgefordert würde, ihre Wohnung zu räumen. Das könne auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

„Recht auf Stadt“ organisiert Demo

Wegen der Illegalität und der Gefahrenlage habe Isken mit einer kurzen Frist zur Einstellung der Nutzung zu rechnen. Bettina Isken erkundigte sich beim Bauaufsichtsamt, wie lang die „kurze Frist“ denn sei. Die Mitarbeiterin habe ihr geantwortet: zwei bis vier Wochen. Betroffen wären acht Mietparteien des Hauses.

Seitdem könne sie nicht mehr schlafen, erzählt Isken, und habe Panikattacken. Ihr chronisches Asthma habe sich verschlimmert. Sie ist aufgrund ihrer Krankheit frühverrentet und bezieht zusätzlich Grundsicherung. Isken ist Inhaberin eines Wohnberechtigungsscheins, sie könne keine teure Wohnung mieten.

Die Initiative „Recht auf Stadt“ sprang Bettina Isken und den anderen Mietparteien zur Seite und protestierte am Samstag, 17. August, mit einer Kundgebung vor Ort gegen die drohende Zwangsräumung.

Im Haus an der Leyendeckerstraße 6 in Ehrenfeld wohnen acht Mietparteien „illegal“.

Im Haus an der Leyendeckerstraße 6 in Ehrenfeld wohnen acht Mietparteien „illegal“.

Isken selbst sucht nun intensiv eine Wohnung. „Ich habe auch bei sämtlichen Genossenschaften angerufen“, schildert Isken, „aber man wird dort nicht einmal mehr auf eine Warteliste aufgenommen.“ Ihre Angst: obdachlos zu werden. Das Bauaufsichtsamt habe ihr, sagt sie, empfohlen, sich an die „Fachstelle Wohnen“ des Amts für Soziales, Arbeit und Senioren zu wenden, die Hilfe bei drohender Wohnungslosigkeit leistet.

Ein Mitarbeiter soll ihr gesagt haben, man könne sie in einer Notunterkunft unterbringen. „Dort lebe ich dann chronisch erkrankt mit Obdachlosen und Drogensüchtigen in einem Mehrbettzimmer“, sagt Isken. Sie ist empört und wünscht sich mehr Unterstützung von der Stadt. „Ich stehe mit dem Rücken an der Wand“, sagt Isken.

Vermieter sieht Stadt Köln in der Verantwortung

Der Vermieter sieht die Stadt Köln als Verursacherin der Situation: „Wir haben das Haus Leyendeckerstraße mit dem baurechtlichen Problem von einem Voreigentümer übernommen“, schreiben Frank und Lars Kaiser, Geschäftsführer der Kaiser Generalbau GmbH, auf Anfrage dieser Zeitung. Seit Jahren würden sie versuchen, das Problem zu beseitigen. „Leider hat die Stadt die beiden bisherigen Bauanträge aus formellen Gründen abgelehnt und keine Nachbesserung der von ihr verlangten Unterlagen zugelassen“, so die Geschäftsführer.

Inzwischen seien alle Unterlagen vorhanden, so dass in den nächsten zwei Wochen ein genehmigungsfähiger Antrag eingereicht würde, sagen die Vermieter. Nach altem Baurecht hätten alle Wohnungen über einen zweiten Rettungsweg verfügt. Inzwischen liege aber auch die verbindliche Stellungnahme eines Brandschutzsachverständigen auf der Grundlage des neuen Rechts vor: Dieser zufolge könne die Feuerwehr die Wohnungen (einschließlich Dachgeschosswohnung) mit Leitern erreichen – der zweite Rettungsweg sei also vorhanden, so Kaiser.

Dieser Bericht sei der zuständigen Sachbearbeiterin zur Verfügung gestellt worden. Sie habe nicht geantwortet, sagen Frank und Lars Kaiser. Die Stadt habe sich stattdessen ohne eigene Ermittlung vor Ort entschlossen, die Ordnungsverfahren gegen die Mieter zu beginnen.

Die Stadtverwaltung sagt auf Nachfrage dieser Zeitung, dass sie gesetzlich verpflichtet sei, einzuschreiten: „Hier geht es vor allem um die Sicherheit der Bewohner und Bewohnerinnen“, schreibt eine Sprecherin der Stadt. Die Mieter und Mieterinnen seien nicht aufgefordert, ihre Wohnungen zu räumen, die Zwangsräumung auch nicht angekündigt worden. Die Stadt habe lediglich mitgeteilt, dass dies möglich sei, dafür eine Frist genannt und damit wie gesetzlich vorgeschrieben ein Verfahren gestartet.

„Ob und wie es in jedem Einzelfall tatsächlich zu einer Ordnungsverfügung kommt, muss nun im Rahmen des Ermessens entschieden werden“, schreibt die Sprecherin. „Ziel des Verfahrens ist aber ganz klar, dass der Wohnraum den gesetzlichen Anforderungen entspricht, damit die Mieter und Mieterinnen in ihren Wohnungen bleiben können.“

Man befinde sich in einem konstruktiven Austausch mit den Eigentümern. Eigentümer Frank und Lars Kaiser sagen, dass sie für eine Lösung offen sind: „Wir stehen für einen Ortstermin jederzeit zur Verfügung.“