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Wieder auf der Venloer StraßeWarum fünf Schwestern die Ramadan-Beleuchtung nach Köln bringen

Lesezeit 5 Minuten
Zum muslimischen Fastenmonat Ramadan leuchten wieder Motive über einem Abschnitt der Venloer Straße.

Zum muslimischen Fastenmonat leuchten wieder Ramadan-Motive über einem Abschnitt der Venloer Straße.

Zum zweiten Mal leuchten die Motive über der Venloer Straße. Diesmal sogar in Eintracht mit der Karnevalsbeflaggung. 

Seit Freitagabend leuchten sie wieder: An Lichtmasten auf der Venloer Straße hängen Ramadan-Motive, Halbmonde, Laternen, Triangeln. Fünf in Köln geborene Schwestern mit türkischen Wurzeln haben die Aktion zum zweiten Mal zum muslimischen Fastenmonat gestartet. Kam die Privatinitiative im vergangenen Jahr für alle noch etwas überraschend, hatten sie diesmal Zeit, dem Ganzen einen offiziellen Rahmen zu geben. Am Freitagabend sprach Bürgermeister Andreas Wolter ein Grußwort. Und in diesem Jahr wird es eine Besonderheit geben: Weil am Dienstag der Ehrenfelder Veedelszug über die Venloer Straße rollt, haben sich die Schwestern mit dem Festausschuss Ehrenfelder Karneval getroffen („Alles Herren“) und sich nach ersten vorsichtig-neugierigen Fragen schnell verständigt.

An einigen Straßenlaternen werden nun bis zum 6. März einträchtig nebeneinander die Ramadan-Motive und die blau-goldenen Vereinsfahnen hängen. „Am Ende haben alle gesagt: Den Ramadan kann man nicht verschieben und Karneval auch nicht, dann machen wir es gemeinsam“, erzählt Hacer Bektas (40), die älteste der Schwestern. „Von jemandem zu hören ist etwas anderes, als mit jemandem selbst zu sprechen.“

Hacer (l.) und Saliha Bektas und ihre drei Schwestern haben die Ramadan-Beleuchtung mit ihrem Verein finanziert.

Hacer (l.) und Saliha Bektas und ihre drei Schwestern haben die Ramadan-Beleuchtung mit ihrem Verein finanziert.

Miteinander sprechen, das sei überhaupt das Hauptanliegen der Aktion, sagt sie. In Köln leben 120.000 Muslime. „Dahinter stecken 120.000 Menschenleben und für viele ist der Ramadan die wichtigste Zeit im Jahr.“ Doch das spiele sich bisher eher im Verborgenen ab. „Unser Ziel ist es, den Ramadan als verbindendes gesellschaftliches Ereignis sichtbarer zu machen, denn Heimat setzt Sichtbarkeit voraus“, sagt Saliha Bektas (23), die jüngste, von der auch die Idee zur Aktion stammt.

Die Jurastudentin war 2023 für ein Praktikum bei der deutschen Botschaft in London und sah dort die Ramadan-Beleuchtung auf dem Piccadilly Circus. „Ich war begeistert, habe viele Fotos gemacht und sie meinen Schwestern geschickt.“ Und dann hat sie nach und nach alle gefragt, ob sie einen Verein gründen wollen und das auch in Köln möglich zu machen. Und so waren die Kölner Ramadan-Lichter zeitgleich mit der Beleuchtung in Frankfurt, die dort von Stadt organisiert wurden, die ersten in Deutschland. „Wir wurden von den Reaktionen überwältigt. Es gab Anfragen aus ganz Deutschland und sogar aus Italien.“

Diesmal gibt es eine offizielle Zustimmung der Stadt Köln

Und es gab auch die Frage, ob man das so einfach darf und was überhaupt die Stadt dazu sagt. Um Weihnachtsbeleuchtungen aufzuhängen, braucht es nur eine Absprache mit der Rhein-Energie, die für die Elektrik in den Masten zuständig ist. Bei „politisch und gesellschaftlich relevanten Themen“ muss aber die Stadt zustimmen. Die Stadt und auch die Oberbürgermeisterin seien 2023 angeschrieben worden, sagen die Schwestern. Sie vermuten, dass eine Reaktion ausblieb, weil man sich die Sache einfach nicht recht vorstellen konnte. Diesmal gibt es eine offizielle Zustimmung. Die Reaktionen in Ehrenfeld seien im vergangenen Jahr in persönlichen Gesprächen positiv, zumindest interessiert gewesen. Im Internet habe es auch Kritik und Beschimpfungen gegeben. „Aber das ist wie beim Essen. Da ist es ja auch normal, dass es nicht jedem schmeckt“, sagt Hacer Bektas.

Die Beleuchtung ist an den Straßenlaternen zwischen Piusstraße und Geisselstraße angebracht.

Die Beleuchtung ist an den Straßenlaternen zwischen Piusstraße und Geisselstraße angebracht.

Die Schwestern sind im Kölner Süden aufgewachsen, keine wohnt in Ehrenfeld. Die Venloer Straße haben sie sich ausgesucht, weil es hier eine ideale Mischung gebe: die Hipster-Bäckerei neben dem türkischen Haushaltswarenladen, der Bio-Supermarkt neben dem türkischen Handyhändler und dem vietnamesischen Restaurant, viel Leben auf den Bürgersteigen bis in den späten Abend hinein. Dass die Zentralmoschee hier steht, habe einen schönen Nebeneffekt. „Dann sehen auch viele Muslime, die nicht hier wohnen, die Beleuchtung.“ Die Schwestern betonen, dass sie völlig unabhängig seien und sich von keinem Verband vereinnahmen lassen wollen. Sie haben vor kurzem nach langem Überlegen sogar die Anfrage einer kleinen Moscheegemeinde abgelehnt, die rund um ihr Gebäude auch Ramadan-Beleuchtung anbringen wollte und um Vermittlung bat.

In Köln leben hier in Köln sehr privilegiert
Saliha Bektas

Ihren Eltern sei es immer sehr wichtig gewesen, dass man „über den Tellerrand hinausschaut“, erzählen die Schwestern. Nicht zu meckern, sondern aktiv zu werden. Bildung sei den Eltern sehr wichtig gewesen. Hacer Bektas arbeitet in der Finanzverwaltung, eine der Schwestern ist Zahnärztin.

Eine gewisse Distanz zu den Nicht-Muslimen sei aber zu spüren gewesen. Die Eltern seien zum Beispiel zu allen Sprechtagen in die Schule gegangen, hätten dann aber am Ende immer allein am Tisch gesessen. Und als eine der Schwestern anfing, Kopftuch zu tragen, hätten die Mitschüler sie gemobbt, Tisch und Stuhl auf den Flur vor das Klassenzimmer gestellt. Solche Erlebnisse seien eher die Ausnahme gewesen. Aber man bleibe man doch sehr oft in den eigenen Cliquen, und das träfe sowohl auf Muslime als auf Nicht-Muslime zu. Das wollen die Schwestern aufbrechen.

Sie tragen Kopftücher. Macht sie das in der derzeit aufgeheizten Stimmung zu leichten Opfern? Nein, sagen die Schwestern. Jedoch: „Der Ton ist rauer geworden. Man traut sich allgemein mehr. Aber in Köln leben wir sehr privilegiert“, sagt Saliha Bektas. Hier sei der Anteil der AfD-Wähler im Bundesvergleich niedrig und das spüre man auch im Umgang.

Mit ihrem Verein Ramadan-Project, der sich nach ihren Angaben ausschließlich durch Spenden finanziert, konnten die Schwestern in diesem Jahr zu den 13 Leuchtelementen vom vergangenen Jahr noch acht hinzukaufen und nun die Strecke von der Piusstraße bis zur Geisselstraße bestücken. Während die ersten Ornamente noch in der Türkei bestellt wurden, haben die Schwestern nun einen deutschen Weihnachtsbeleuchtungshersteller gefunden, der sie für sie anfertigt.

Die Ramadan-Elemente leuchten bis zum Ende des Fastenmonats bis zum 1. April jeweils zwischen 18.30 und 24 Uhr. Außerdem lädt der Verein alle Kölnerinnen und Kölner zum gemeinsamen Fastenbrechen ein. Die Open-Iftar-Events finden am 15. März in der Straßenkicker-Base in der Mülheimer Schanzenstraße und am 22. und 23. März (dieser Termin ist nur für Kinder von 6 bis 13 Jahren) im Rautenstrauch-Joest-Museum statt. Wegen des begrenzten Platzes ist eine Anmeldung erforderlich auf der Internetseite theramadanproject.com