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„Only Lovers Left Alive“Jarmuschs Vampire in Köln-Ossendorf

Lesezeit 3 Minuten

Regisseur Jim Jarmusch (2. v. r.) mit den Schauspielern John Hurt, Tom Hiddleston und Tilda Swinton. Zusammen spielten sie in "Only Lovers Left Alive".

Ehrenfeld – Es ist dann doch nur eine ganz gewöhnliche Fender Stratocaster, die Jim Jarmusch aus dem Instrumentenkoffer holt. Es ist gleich halb ein Uhr nachts, trotzdem tragen einige Menschen im Konzertsaal des Ehrenfelder Herbrands noch Sonnenbrillen.

Das sah bei Tom Hiddleston und Tilda Swinton definitiv cool aus – die beiden Schauspieler  verbinden Massenappeal  geschickt mit  gegenkultureller Ausstrahlung, wie einst Johnny Depp. Im echten Leben sollte man freilich keine Sonnenbrillen in der Nacht tragen, außer man ist fanatischer Anhänger von Corey Harts gleichlautender Single von 1983. 

In Jim Jarmuschs neuen Film „Only Lovers Left Alive“ spielen sie das jahrhundertealte Vampirpärchen Adam und Eve als aristokratische Rockstars. Einmal fährt die Kamera mit voyeuristischer Genugtuung über alte E-Gitarrenmodelle, eine Gibson Supra von 1959, eine Gretsch Chet Atkins.  Ja, so eine habe er Eddie Cochran spielen sehen, flüstert Tom Hiddleston mit atemloser Bewunderung. Und fügt, zur Beruhigung seines ahnungslosen Zwischenhändlers hinzu: „Auf Youtube.“

Diese und andere Szenen von  „Only Lovers Left Alive“ spielen zwar in Hiddlestons Unterschlupf in Detroits schönen, aber von allen guten Geistern verlassenen Brush-Park-Viertel, wurden aber in den Ossendorfer MMC-Studios gedreht. Weshalb Jarmusch am Dienstagabend im Kölner Cinenova  zur Galapremiere geladen hat, mit anschließendem Konzert.

Zu dessen spätem Höhepunkt der Regisseur selbst mit seinem Bandprojekt Sqürl auftritt. Ohne Retro-Fetisch-Gitarre, wie gesagt. Immerhin, Jozef van Wissem, verantwortlich für den Soundtrack des Films, spielt eine schöne Gretsch, zusammen gniedeln sich die beiden Männer in den besten Jahren am Erbe von Television und Velvet Underground ab, Lieblingsbands aus einer stilsicheren Jugend, denen Jarmusch einen Gutteil seines grüblerischen Minimalismus verdankt. 

Mit wobbelndem Bariton singt der schlaksige Mann seine Version von „I’m So Lonesome I Could Cry“, das klingt, als hätte man  die Hank-Williams-Single auf 33 Umdrehungen abgespielt.

„Onyl Lovers“ beginnt mit einer sich drehenden 45er in Draufsicht, dann dreht sich die Kamera selbst 360 Grad – und ebenfalls in Vogelperspektive – um die Zimmer des   getrennt lebenden Vampirpaares, sie in Tangier, er in Detroit, und die restliche Handlung des Filmes ist auch in Single-Länge erzählt, man besucht sich, liebt sich, die ungeliebte, wilde Schwester schaut vorbei und saugt ihr menschliches Date aus. Adam und Eves Empörung beschränkt sich aufs Ästhetische. Vampire, die in Hälse beißen, das sei ja dermaßen  15. Jahrhundert, peinlich. Nachdem Vampire in den vergangenen Jahren für alles mögliche herhalten mussten, was man im eigenen Leben nicht klar kriegt, für den leidigen Sextrieb („True Blood“) wie für die heroische Verleugnung desselben („Twilight“), zeigt Jarmusch  sie als zerquälte Feingeister. Nicht ganz von dieser Welt, und doch als einzige dazu in der Lage, diese mit allen Sinnen zu genießen.

Mit Blutcocktails zum Rausch

Also murmeln Swinton und Hiddleston bewundernd die lateinischen Gattungsnamen der Tiere und Pflanzen, die ihnen im verwilderten Detroit begegnen, schwärmen von Weißen Zwergensternen, die man sich als Diamanten am Nachthimmel vorstellen müsste und die Schallwellen ausstrahlten, die denen eines großen Gongs entsprächen.

Wenn sie verreisen packen sie nur Bücher ein, schöne Erstausgaben in ihren jeweiligen Originalsprachen, wenn sie Pseudonyme benutzen, sind es Romanfiguren von F. Scott Fitzgerald und James Joyce. Und wenn sie dann doch mal Blut trinken müssen, dann nur den besten, reinsten Stoff aus kleinen Kristallkelchen . Anschließend sinken sie wie im Absinthrausch in die Plüschkissen. 

Die Premierengäste bekommen auf dem kurzen Weg ins Herbrands ebenfalls Blutcocktails gereicht, doch diese Kelche sind aus Plastik und das berauschende Blut entpuppt sich als weihnachtsmärklicher Glühwein. Das Leben kann mit Jarmuschs Kinoversion nicht mithalten.