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Jugendprojekt in EhrenfeldAus dem Boxkeller nach oben

4 min

Kleines Kraftpaket: Christopher Goman im Boxring der Trainingshalle am Neptunplatz

Ehrenfeld – Wer Christopher Goman zum ersten Mal sieht, fühlt sich an den jungen Macaulay Culkin erinnert, den Hauptdarsteller aus der Komödie „Kevin – Allein zu Haus“. Christopher wirkt ähnlich schmächtig wie der Kinderstar der frühen 90er Jahre. Aber der Eindruck täuscht gewaltig, denn der 14-Jährige nahm erst jüngst an den Deutschen Meisterschaften der Junioren-Boxer teil.

Der Nachwuchs-Boxer trainiert im Herzen von Ehrenfeld am Neptunplatz im Stützpunkt der Faustkämpfer Köln-Kalk. Der traditionsreiche Verein betreut hier vor allem Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Vierteln, um ihnen durch den Sport bessere Chancen in Beruf und Alltag zu vermitteln. Das Projekt heißt „Kids for Future“.

Viel Anerkennung

Von der Insel Rügen, wo die Kämpfe ausgetragen wurden, brachte er zwar keinen Siegergürtel mit, aber dafür viel Anerkennung und eine Einladung zum Kadertraining für den deutschen Box-Nachwuchs. Sein Trainer Mehmet Hendem von den Faustkämpfern Köln-Kalk ist daher stolz auf seinen Schützling. „Er hat schon im ersten Kampf ausgerechnet den Titelverteidiger zugelost bekommen“, berichtet Hendem. Deswegen war das Abenteuer der ersten Titelkämpfe für den Papiergewichtler schon nach drei Runden beendet. Mehmet Hendem, ehemaliger Boxprofi und Mitinitiator des Jugend-Boxprojekts, sagt anerkennend: „Obwohl er wesentlich weniger Kampferfahrung hatte als sein Gegner, hat er sich sehr gut präsentiert.“

Die Boxtrainer Mehmet Hendem und Mehmet Aksu initiierten 2007 zusammen mit der Förderschullehrein und Kampfrichterin Daniela Otten im Verein Fauskämpfer Köln-Kalk 1951 e.V. das Projekt Kids for Future. Im Vordergrund stehen Integration und Förderung von Jugendlichen aus Problemvierteln.

Der Gewinn von Meistertiteln bei Turnieren durch die Sportler sowie die Anerkennung durch den Kölner Ehrenamtspreis (2010) und den Rheinischen Integrationspreis (2011) bestätigen die erfolgreiche Arbeit. Prominente Paten sind die Boxer Julia Sahin und Felix Sturm. (Rös)

www.kids-for-future-fk-kalk.de

„Mit Niederlagen muss man immer rechnen“, sagt der junge Boxer selbst – und das wirkt gar nicht abgedroschen oder aufgesetzt. Über die Einladung zum Kadertraining hat er sich mindestens genau so gefreut als wenn er es aufs Siegertreppchen geschafft hätte. Der blonde Junge mit den braunen Augen weiß nur zu gut, dass er nun ein Level höher gekommen ist und neue Perspektiven hat. „Wenn man im Nationalteam boxt, kann man in meiner Gewichtsklasse noch am ehesten Geld verdienen als durch Profikämpfe“, erklärt er. Im Papiergewicht gibt es kaum Kämpfe vor großem Publikum, folglich bekommen die Profis keine sonderlich hohen Kampfbörsen.

Die ruhige Art, mit der der Schüler das alles erzählt, verblüfft. Eine Erklärung dürfte sein Sport sein, der viel Selbstdisziplin erfordert. Und das alles hat der Sechstklässler, der in Leverkusen eine Hauptschule besucht, schon kennengelernt bevor er in die Grundschule kam. Vater Janek Goman ist ebenfalls Boxer. Unter anderem war er Sparringspartner von Ex-Weltmeisterin Julia Sahin, einer der Patinnen des Jugend-Boxprojekts. Der Bantamgewichtler schätzt die Atmosphäre bei den Faustkämpfern: „Das ist wie eine Familie hier und deswegen auch gut für den Jungen. Das ist nicht in allen Clubs so“, sagt Janek Goman. Der Stolz auf den Sohn ist nicht zu übersehen. „Aber die Schule kommt trotzdem an erster Stelle“, sagt er bestimmt. Am liebsten wäre es ihm, wenn Christopher das Abitur schaffen und studieren würde.

Respekt und Anerkennung

Vom Zuschauen am Boxring bekam Christopher schnell selbst Lust auf die Kampfsportart, in der die Juniorenklasse mit zehn Jahren beginnt. Bei Klassenkameraden und Freunden genießt der sportlich erfolgreiche Hauptschüler Respekt und Anerkennung. Das hat er sich vor allem durch gute Leistungen in der Schule erarbeitet. Dass er die Fäuste außerhalb des Boxrings nicht sprechen lassen darf, ist für ihn selbstverständlich. Es ist die erste Grundregel, die Teilnehmer des Kids for Future-Projekts vermittelt bekommen.

Viel Zeit mit Gleichaltrigen zu verbringen, hat Christopher aber nicht. Schließlich steht mehrmals pro Woche das Training in der Ehrenfelder Halle der FK Köln-Kalk an. Nun kommen die regelmäßigen Besuche im Bundesstützpunkt Boxen in Müngersdorf hinzu sowie noch weitere Boxturniere.