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Wohnungs-Genossenschaft KölnFurcht vor dem Abrissbagger

Lesezeit 4 Minuten

Ein typischer Genossenschaftsgarten: Hinter dem Wohngebäude liegt eine Wiese mit Wäscheleinen.

Ehrenfeld – In den Wohnhäusern am Melatengürtel 82 bis 100 sowie den angrenzenden Häusern an der Weinsberg- und der Lindenbornstraße geht die Angst um. Seit die Eigentümerin, die Wohnungs-Genossenschaft Köln von 1896, angekündigt hat, dass sie den Abbruch und den anschließenden Neubau des Wohnblock plane, sind viele Bewohner verunsichert. Einige Mieter meldeten sich jetzt zu Wort. Sie wollen sich mit massivem Widerstand und juristischen Mitteln zur Wehr setzen, sollte ihnen die Wohnung gekündigt werden. Der Protest könnte das Bauprojekt, das Mitte des nächsten Jahres starten soll, erheblich verzögern.

114 Wohnungen gibt es zurzeit. Manche davon stehen bereits leer und werden nicht mehr vermietet. Für die Menschen, die noch in den Häusern wohnen, ein weiteres Indiz dafür, dass sie vielleicht bald ebenfalls ausziehen müssen. Der Sichtweise ihrer Genossenschaft, nach der sich eine Sanierung nicht lohne und daher ein Neubau sinnvoller sei, können sich viele der Bewohner nicht anschließen. Die Schäden an und in den 1930 errichteten Häusern seien so groß, dass eine Modernisierung nicht sinnvoll sei, heißt es bei der Wohnungs-Genossenschaft.

Vor allem ältere Bewohner sind besorgt

Die Bewohner der betroffenen Häuser bekamen Ende des vergangenen Jahres eine Mitteilung über das Neubauvorhaben von Genossenschafts-Geschäftsführer Norbert Kutscher. Es sind vor allem ältere Bewohner, denen das Projekt Sorge bereitet. „Was soll denn aus mir werden? Ich habe doch hier meinen Lebensmittelpunkt“, sagt Maria Gallego, die seit fast 50 Jahren am Melatengürtel lebt. Ihr Mann ist schwer krank und auf Pflege angewiesen. Erst im vorigen Jahr hat sie sich eine neue Einbauküche geleistet. Drei Monate später sei ohne Vorwarnung der Brief der Genossenschaft gekommen mit der Information über das Neubauprojekt.

Maria Gallego berichtet von Nachbarn, die noch länger hier leben und sogar die Kriegszeit mit den Zerstörungen in der Siedlung erlebt haben. „Die sind ganz arm dran, die können sich doch gar nicht wehren. Die sind doch viel zu alt dafür.“

Auch Nachbarin Gabriele Löhr ist verzweifelt. Sie wohnt seit mehr als 30 Jahren hier. Sie ist überzeugt, dass eine Sanierung möglich wäre und dass vorhandene Schäden an den Gebäuden von der Genossenschaft übertrieben dargestellt würden. „Die Keller sind überhaupt nicht feucht“, sagt Gabriele Löhr. Und erst vor wenigen Jahren seien eine Zentralheizung und neue Fenster eingebaut worden.

Dabei, so berichten Gabriele Löhr und Maria Gallego, mussten die Mieter aber selbst neue Fensterbänke einbauen lassen. Die Bewohnerinnen sind überzeugt, dass sie nur aufgrund wirtschaftlicher Interessen die Häuser werden verlassen müssen. „Dann wird bestimmt sehr viel größer gebaut. Die Vorgärten verschwinden und die Wiesen hinter den Häusern fallen sowieso der Tiefgarage zu Opfer“, fürchtet Gabriele Löhr. Einen geschlossenen Widerstand der Bewohner gibt es allerdings noch nicht.

Einvernehmliche Lösungen werden schwer

„Ich kann die Ängste absolut nachvollziehen.“, erklärt Geschäftsführer Norbert Kutscher. Er habe auch Verständnis dafür, wenn gerade die langjährigen Bewohner nicht bereit seien, in eines der angebotenen Ausweichquartiere zu ziehen. Man komme aber den Bewohnern großzügig entgegen, betont Kutscher. Bei mancher Wohnung sei vielleicht der Quadratmeterpreis höher, das werde aber bei moderneren Wohnungen durch geringere Nebenkosten aufgewogen.

Die Genossenschaft besitzt in Ehrenfeld weitere Häuser, vor allem aber in Deutz, Mülheim, Poll und Gremberg. Auch dort wurden den Ehrenfelder Mietern Ersatzwohnungen angeboten. „Was soll ich auf der anderen Rheinseite?“, fragt aber Maria Gallego. Das komme für sie schon deshalb nicht infrage, weil ihre Tochter auf dem Melatenfriedhof begraben sei.

Wie schwer es die Wohnungs-Genossenschaft haben wird, einvernehmliche Lösungen zu erzielen, verdeutlicht Jürgen Becher, Pressesprecher des Mietervereins Köln: „Ich unterstelle der Genossenschaft, dass sie nichts Böses will. Sie will ihren Bestand erneuern“, so Becher. Als Genossenschaft sei sie dabei aber auf das Wohlwollen der Mitglieder angewiesen. Weil die sich auf ein Dauernutzungsrecht berufen könnten, sei eine Kündigung nicht einfach.Wenn ein Bewohner widerspricht und Rechtsmittel einlegt, ist es Sache der Genossenschaft, die wirtschaftliche Notwendigkeit der Kündigung nachzuweisen.

Schrittweise Verwirklichung geplant

Der Mieterverein, an den sich bereits mehrere Bewohner der Siedlung am Melatengürtel gewandt haben, rät, zunächst abzuwarten und nicht vorschnell auf das Angebot einer Ersatzwohnung einzugehen. „Die Zeit ist in diesem Fall auf Seiten der Mieter“, so Becher. Im äußersten Fall müsste die Sache vor Gericht geklärt werden.

Die Genossenschaft hat vor, ihr Projekt – für das noch keine Baugenehmigung vorliegt – schrittweise zu verwirklichen. Das Eckhaus Melatengürtel 100 sowie die Häuser Lindenbornstraße 21 bis 23 würden als erste dem Abbruchbagger zum Opfer fallen. Mit den dortigen Bewohnern sei man bereits in Verhandlung über einvernehmliche Lösungen – also Umzug in andere Wohnungen.

„Wir wollen dort auch mit den Neubauten beginnen und das Projekt dann am Melatengürtel fortsetzen. Für die Häuser an der Weinsbergstraße gibt es noch gar keinen Zeitplan. Sie kämen auf jeden Fall als letzte an die Reihe“, erklärt Norbert Kutscher. Die Häuser am Melatengürtel 82 bis 98 haben noch eine „Gnadenfrist“. Sie seien, so Kutscher, „frühestens in zwei Jahren an der Reihe“.