Ehrengarde„Wir sind keine Bespaßungsgesellschaft“

Frank Remagen
Copyright: stefan worring Lizenz
Herr Remagen, Sie haben stets gesagt, Präsident der Ehrengarde sei eines der schönsten Ämter im Karneval. Warum hören Sie dann in diesem Jahr damit auf?
FRANK REMAGEN: Weil es jetzt am schönsten ist. Ich bin seit acht Jahren Präsident, seit 16 Jahren Sitzungspräsident. Die Ehrengarde feiert ihr 111-jähriges Bestehen, und ich leite an diesem Mittwoch meine 200. Sitzung. Was soll denn danach noch kommen? Gut, mit 51 Jahren ist man im Karneval vielleicht noch etwas jung, um abzutreten. Aber ich hab lange genug Verantwortung getragen. Jetzt dürfen auch andere mal ran.
Die Königin von England tritt auch nicht zurück. Die hält durch.
Frank Remagen (51) ist seit 1997 Geschäftsführender Gesellschafter in der Hardy Remagen GmbH. Das im Gewerbegebiet Hürth-Kalscheuren ansässige Familienunternehmen (Fleisch- und Wurstwaren) mit zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen führt er in der neunten Generation. Seit 1980 ist er Mitglied der Ehrengarde, seit 2005 deren Präsident. Remagen ist verheiratet und hat fünf Töchter im Alter von 15 bis 24 Jahren.
REMAGEN: Will ich aber nicht. Außerdem bin ich weder König noch Königin. Präsident der Ehrengarde ist ein Job auf Zeit. Da sympathisiere ich mit dem amerikanischen Wahlrecht. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich, und nach spätestens acht Jahren ist Schluss.
Es gab Vorgänger von Ihnen, die sich wie Könige aufgeführt haben.
REMAGEN: Och, kenne ich die? Aber das war auch eine andere Zeit. Die Zeit der Alleinherrscher in den Traditionskorps ist doch vorbei. Ohne Teamwork läuft da nichts. Oft wird nur der Präsident gesehen, weil der im Scheinwerferlicht steht, aber ohne die anderen Vorstandsmitglieder, die oft im Hintergrund arbeiten und deren Job viel zu wenig gewürdigt wird, könnte man das nicht machen.
Im Hauptberuf leiten Sie eine Fleisch- und Wurstwarenfabrik. Das haben Sie gelernt. Kann man auch Präsident lernen?
REMAGEN: Ich bin da vor 16 Jahren nach dem Tod von Friedel Haumann schon ins kalte Wasser geworfen worden. Eine Sitzung hatte ich zuvor ja noch nie geleitet, aber das kann man sich schon aneignen. Ich hatte mich auf einem Rhetorikkurs fit gemacht, einige Tricks und Kniffe sowie ein paar lockere Sprüche gelernt. So hab ich damals bei dem Trainer im Garten gestenreich die Grabrede von Julius Cäsar vortragen müssen. Davon gibt es noch ein Video. Wie unterschiedlich die einzelnen Sitzungen auch sind, entscheidend ist, dem Künstler ein Bett zu bereiten, auf dem er getragen wird.
Wenn ein Redner oder Sänger nicht beim Publikum ankommt, liegt das dann am Präsidenten?
REMAGEN: Manchmal ja. Da muss man selbstkritisch sein. Es gibt Veranstaltungen, da kriegt man einzelne Tische nicht geregelt. Die sind einfach zu laut oder feierwütig. Zuhören ist ein bisschen aus der Mode gekommen.
Diese Leute kann man aber nicht einfach rauswerfen, oder?
REMAGEN: Haben wir einmal gemacht. Einmal bei meinen 200 Sitzungen. Im Kristallsaal haben wir einen ganzen Tisch hinauskomplimentiert. Die haben in der Pause ihr Eintrittsgeld zurückerhalten, und das war's.
Warum sind Sie als junger Mann zur Ehrengarde gegangen?
REMAGEN: Freunde aus dem Reitsport hatten mich mitgenommen. Da war ich 19 Jahre alt. Ballettmeister Peter Schnitzler, der damals die Tanzenden Kadetten trainierte, war fast an mir verzweifelt. Ich war gelenkig wie eine Eisenbahnschwelle. Aber die Zeit hat mich geprägt. Es gab klare Regeln, eine klare Disziplin. Und es gab väterliche Freunde, die einem sagten, wo es langgeht – nicht nur im Karneval.
Von außen wird oft der militärische Ton der Ehrengarde kritisiert.
REMAGEN: Das sehe ich nicht so. Unsere Regeln sowie Disziplin und Verantwortung sind doch nicht negativ. Wir repräsentieren einen wunderbaren Verein, wir sind perfekt angezogen, wir stehen füreinander ein. Die jungen Leute heute denken noch genauso. Auch für die ist es wichtig, den Korpsgeist zu leben. Dazu zählen Ehrgeiz, Tanztraining, Reitstunden und Auftritte. Die Ehrengarde funktioniert nicht nach dem Lustprinzip, sondern fordert Einsatz und Engagement. Wir sind keine Bespaßungsgesellschaft.
Was sind für Sie die schönsten Momente im Ehrenamt?
REMAGEN: Zu spüren, wie Zusammenarbeit und Zusammenhalt im Team funktionieren, und den Zuspruch auf der Bühne zu erleben – vom Publikum, von den Elferratskollegen und von den Künstlern.
Apropos Zuspruch. Der war nach der ZDF-Fernsehsitzung ja nicht so groß. Da gab es Differenzen mit dem Festkomitee.
REMAGEN: Die haben wir vorgestern aber schon beigelegt. Diese TV-Sitzung war in den Vorjahren mit 6,5 Millionen Zuschauern schon quotenverwöhnt. Diesmal haben wir eine Million verloren. Vom Programm her war das nicht optimal. Aber die Auswahl an Rednern ist halt in dieser Session sehr begrenzt. Wir sind nachher mit Protest-E-Mails zugeschüttet worden. Dabei waren wir als Ehrengarde nicht für die Zusammenstellung des Sitzungsprogramms zuständig. Das kam vom Festkomitee. Wir haben es nur präsentiert und unser Gesicht hingehalten. Für 2014 haben wir einen vernünftigen Weg gefunden. Gleich nach dieser Session werden wir uns über das Programm austauschen.
Ohne Sie. Fällt Ihnen der Rückzug nicht schwer?
REMAGEN: Ich hab mit meiner Frau und meinen Kindern 20 Jahre lang Turnier-Reitsport betrieben. Ein Wochenende ohne Turnier kam eigentlich gar nicht vor. Doch wenn man es nicht mehr hat – nach einem Unfall meiner Tochter vor zehn Jahren haben wir uns zurückgezogen – geht es auch ohne. Ähnlich sehe ich das fürs Präsidentenamt. Allerdings werde ich eine Sitzung noch weitermachen: die Flüster-Sitzung. Da hab ich richtig Spaß dran.
Ein bisschen Remagen als Präsident bleibt also erhalten. Wie geht es in der Ehrengarde weiter? Ist die Nachfolge geregelt?
REMAGEN: Für die Sitzungsleitung ist derzeit Hans-Georg Haumann der einzige Kandidat. Für das Präsidentenamt und den Vize ist noch keiner im Gespräch. Kommandant Curt Rehfus und einige andere Vorstandsmitglieder wollen ja weitermachen. Der Verein ist gut aufgestellt. Viele neue Kameraden sind hinzugekommen. Die Hahnentorburg ist schuldenfrei und bestens saniert. Und mit der hölzernen Friedensarmee haben wir eine erfolgreiche Spendenaktion auf den Weg gebracht. Für mich ist das also der ideale Zeitpunkt für den Absprung. Ich will nicht, dass irgendwann gefragt wird: Wann hört der endlich auf?
Das Gespräch führte Norbert Ramme