Ein großes Wandbild zum Gedenken

Mit Bleistift zeichnen Benedikt Schweikert (vorne) und Sven Bormes die Konturen vor (l.). Für die Arbeit mit den Spraydosen empfiehlt sich eine Atemschutzmaske. Die Auftraggeberin Ursula Kröger ist zufrieden, Benedikt Schweikert hört es gern (r.).
Copyright: Ulrike Süsser
Weiß – Die Fassadenkünstler Sven Bormes und Benedikt Schweikert sind wieder weg, aber sie haben etwas Imposantes da gelassen: Den Dom, die Hohenzollernbrücke, die Kirche Groß St. Martin, die bunten Häuser vom Kölner Fischmarkt – ein großes Altstadtpanorama haben sie auf eine 30 Meter lange Wand gezeichnet, gesprayt und gemalt. Am Boden plätschern blaue Rheinwellen vor sich hin, über der Skyline schweben Schönwetterwolken. Ein farbenfroher, detailreicher Hingucker ist entstanden, ein professionelles, legales „Mural“, ein schon jetzt viel beachtetes Highlight im beschaulichen Dorf Weiß, das eigentlich nicht zu den Hotspots der Streetart-Szene gehört, zumindest nicht bis jetzt.
Gut eine Woche lang haben Benedikt Schweikert und Sven Bormes in der kleinen Anwohnerstraße „Auf dem Klemberg“ gearbeitet im Auftrag von Ursula und Michael Kröger. Sie hatten schon länger die Idee, die öffentliche Seite ihrer Grundstücksmauer künstlerisch aufwerten zu lassen.
Der Grund, warum es ausgerechnet jetzt dazu kam, ist allerdings ein trauriger. Das Kunstwerk ist „in memoriam“ entstanden, im Gedenken an den Sprayer und Streetart-Künstler Marc-Asobi Luig, der sich im vergangenen Jahr das Leben nahm.

Mit Bleistift zeichnen Benedikt Schweikert (vorne) und Sven Bormes die Konturen vor (l.). Für die Arbeit mit den Spraydosen empfiehlt sich eine Atemschutzmaske. Die Auftraggeberin Ursula Kröger ist zufrieden, Benedikt Schweikert hört es gern (r.).
Copyright: Ulrike Süsser
Er war ein guter Bekannter der Familie Kröger. Schon vor einiger Zeit hatten sie ihn gebeten, die kahle Grundstücks-Wand zu verschönern. „Wir haben gedacht, das würde ihm neuen Auftrieb geben“, sagt Ursula Kröger. Marc Luig war depressiv, nicht gut drauf. Im November raste der 42-Jährige mit dem Auto absichtlich gegen einen Baum. „…ich lass alles liegen, mich hält hier nichts zurück…“, schrieb er zuvor in einem Songtext. Beim Aufräumen des Zimmers nach dem tragischen Tod entdeckte Marcs Vater einen Teilentwurf für die Wandgestaltung, eben jenes klassische Kölnmotiv.
Die Krögers zögerten nicht, den Plan umsetzen zu lassen. Benedikt Schweikert und Sven Bormes waren befreundet mit Marc und übernahmen den Auftrag in „persönlicher Verbundenheit“. „Wir kannten uns aus der Jugendzeit und der Sprayer-Szene-Bewegung“, sagen die beiden Kölner und erinnern sich an ihren Freund als einen, der ein sehr bewegtes Leben hatte und „viel mit sich rumschleppte“.
„Es war eine Herausforderung, uns an den Entwurf zu halten und ihn in Marcs Style weiterzuführen“, betonen die Fassadenkünstler, die aus Nippes stammen. Ihre eigene Handschrift würde anders aussehen. „Aber wir haben uns angepasst“, sagt Sven Bormes. Eigene Gestaltungselemente seien höchstens die am Rand aufgesprayten dunkelgrauen Mauerreste. Sie wirken, als ob der Betrachter durch eine aufgebrochene Wand nach Köln hinein blickt auf das Altstadt-Panorama, von der rechten Rheinseite aus.

Mit Bleistift zeichnen Benedikt Schweikert (vorne) und Sven Bormes die Konturen vor (l.). Für die Arbeit mit den Spraydosen empfiehlt sich eine Atemschutzmaske. Die Auftraggeberin Ursula Kröger ist zufrieden, Benedikt Schweikert hört es gern (r.).
Copyright: Ulrike Süsser
Der 39-jährige Sven Bormes und der 36-jährige Benedikt Schweikert haben bereits mehrere Hausfassaden gestaltet, auch in Köln, zuletzt am Hansaring. Daneben haben sie feste Berufe; sie sind im Kunst- und Kommunikationsbereich tätig. Freilich haben sie genau wie Marc Luig spezielle Signaturkürzel, die sollen allerdings geheim bleiben.
„Das Projekt in Weiß war angenehm für uns“, erzählen sie am Ende ihrer Arbeit. Die Passanten und Nachbarn hätten die Fassadengestaltung durchweg gelobt und sich dafür bedankt, es habe viele freundliche Unterhaltungen und nette Kontakte gegeben. „Wir fühlen uns gebauchpinselt“, sagt Sven Bormes mit einem Lächeln. Meistens sei die Arbeit an der Wand einsamer und anonymer. Auch die Auftraggeber sind begeistert. „So schön hatte ich es mir nicht vorgestellt“, so die Ärztin Ursula Kröger. Die Investition bereue sie auf keinen Fall, über die Höhe des Honorars möchte sie aber öffentlich nicht reden. Normalerweise liege der Tagessatz bei 400 bis 500 Euro, heißt es. Aber weil es sich um ein Erinnerungswerk für Marco-Asobi Luig handele, sind sich beide Seiten entgegengekommen.
Ursula Kröger