Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

GanztagsgrundschulenEltern befürchten schlechtere Qualität

Lesezeit 5 Minuten

Wenig Platz in Dellbrück: Manchmal knubbelt es sich in den Räumen der Regenbogenschule.

Köln – Es wird richtig eng in der Dellbrücker Regenbogenschule, wenn viele Schüler gleichzeitig ihre Jacken holen wollen. Viele Kinder, wenig Platz – und ab dem kommenden Schuljahr wird es noch ein bisschen enger. Auch in der Dellbrücker Grundschule werden neue Plätze für die Ganztagsbetreuung geschaffen. Der Stadtrat wird dem Ausbauprogramm auf stadtweit 26 500 Plätze am Dienstag mit breiter Mehrheit zustimmen.

Köln setzt trotz Finanznot neue Maßstäbe beim Bildungsangebot, was viele Familien freuen wird. Doch mancherorts, wie in Dellbrück, bringt der Ausbau auch Probleme mit sich: „Die Räume wurden für 150 Kinder gebaut. Inzwischen sind es 250“, sagt die Vertreterin der Eltern in der Regenbogenschule, Martina Dietrich. „Die Qualität der Betreuung muss leiden, wenn zu viele Kinder auf engem Raum zusammen sind.“ Alle Räume seien voll, es gibt keine Differenzierungsräume für Computer AGs oder individuelle Förderung mehr, gegessen wird in mehreren Schichten.

Wer Qualität will darf nicht sparen

Deshalb hätte sich die Schulkonferenz fast der Erweiterung verweigert. Wer mehr Quantität will, dürfe nicht an der Qualität sparen, so die Forderung. Die Stadt soll ein Gebäude in der Nachbarschaft kaufen, um irgendwann neue Räume schaffen zu können. Die Sorgen der Eltern in Dellbrück stehen für ein grundsätzliches Problem an allen Schulen. Immer mehr Kinder nutzen die gleichen Räume: Mit der Erweiterung der Platzzahlen ist kein Aus- und Neubau der Gebäude verbunden. Den könne es erst geben, wenn Bund und Land ein neues Investitionsprogramm ermöglichten, so Schuldezernentin Agnes Klein. Die Stadt allein hat dafür kein Geld.

Die Organisation des Offenen Ganztags an 157 Kölner Grundschulen ist kompliziert: Freie Träger der Jugendhilfe sollten die Nachmittagsbetreuung für die Kinder anbieten, deren Familien das wollen. Die Politik zwang zwei Welten an einen Tisch, die sich bis dahin selten grün waren. Das hat sich geändert: Schule und Jugendhilfe sind in vielen Schulen mittlerweile so verzahnt, dass es keine klare Trennung – weder räumlich noch zeitlich – zwischen den Aufgabenfeldern mehr gibt. In einigen Schulen nutzen mittlerweile alle Kinder einzelner Klassen das Ganztagsangebot, so dass eine ganz andere Organisation des Schulalltags möglich wird.

Geblieben ist eine bunte Landschaft an Trägern. An 25 Schulen gibt es Partner, die sich nur um diese eine Schule kümmern. Teilweise sind sie von Eltern und Förderern gegründet worden. Andere arbeiten mit großen Anbietern zusammen, die Verträge mit mehreren Schulen haben. Größter Träger ist der katholische Sozialverband „In Via“ mit 26 Schulen. Der Verein „Netzwerk“ ist mit 23, die Arbeiterwohlfahrt mit 13 und das Kolping-Bildungswerk mit zwölf Schulen verbunden.

Was vielen Eltern nicht bewusst ist: Die Verträge mit den Trägern werden jedes Jahr neu abgeschlossen. Doch ein Konkurrenzkampf ist bislang ausgeblieben. Nach Angaben der Stadt habe es in neun Jahren gerade mal drei Trägerwechsel gegeben. Die Träger arbeiten unterschiedlich, die Zahl an fest angestelltem Fachpersonal variiert genau wie Inhalte, Konzepte und Kooperationspartner. Schuldezernentin Agnes Klein glaubt, dass die Qualitätsunterschiede nicht in erster Linie mit der unterschiedlichen Arbeitsweise zu erklären sind. Entscheidend für gute Qualität sei eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule, den Lehrern und der Schulleitung auf der einen und den Trägern der Jugendhilfe auf der anderen Seite. (fra)

Die Raumnot ist nicht das einzige Problem, mit dem sich Schulen, Kinder und Eltern zum nächsten Schuljahr konfrontiert sehen: Um Lohnsteigerungen beim Personal und politische Sparbeschlüsse aufzufangen, haben Stadt und die Träger der Ganztagsangebote in den Schulen verabredet, für alle neuen Schüler die Zahl der Schließungstage zu erhöhen. An 30 Tagen pro Jahr kann in Zukunft das Ganztagsangebot ausfallen. Bisher waren es maximal 20 Tage, üblicherweise eine Woche um Weihnachten und drei Wochen in den Sommerferien. Einige Eltern haben schon Post von den Partnern der Schulen ihrer Kinder bekommen: Sie kündigen an, nun auch in den Oster- oder Herbstferien schließen zu wollen. Das bringt berufstätige Eltern in große Schwierigkeiten.

„Das Kölner Ganztagsangebot hat ein hohes Niveau sowohl bei der Quantität wie auch bei der Qualität“, sagt die Schuldezernentin. Köln baue sein Angebot – im nächsten Schuljahr wird eine Betreuungsquote von 75 Prozent erreicht – aus und zahle im Landesvergleich der Großstädte den höchsten Zuschuss pro Kind. Die Träger der Offenen Ganztagsangebote verweisen dagegen darauf, dass sie seit Jahren mit dem gleichen Geld auskommen müssen, obwohl die Kosten, aber auch die Anforderungen immer weiter steigen. Beide haben Recht.

Kürzungen von 16 Prozent

Rechne man alles zusammen, müssten die Träger eine reale Kürzung von 16 Prozent wegstecken, verteidigt Friedhelm Meier vom Träger „Netzwerk“ die mögliche Ausweitung der Schließungszeiten. „Dass die Eltern deshalb in Not geraten, wissen wir. Aber wir haben kein anderes Instrumentarium mehr, um Kosten zu senken“, sagt Georg Spitzley von der Katholischen Jugendagentur. 43 Träger machen in Köln Ganztagsangebote. Abgestimmt darüber, ob und wann sie schließen, haben sie sich nicht. Die Schulverwaltung will, dass sie ihre Entscheidung vom Wunsch der Eltern abhängig machen. Von Schließungen in den Herbst- oder Osterferien halten Dezernentin Klein und ihre Mitarbeiter nicht viel. Ihre Rechnung: 30 Schließungstage müsste man mit den Weihnachtsferien (elf Tage), drei Wochen Sommerferien (15) sowie beweglichen Ferien- und Karnevalstagen (drei bis fünf) zusammen bekommen. Dann müsste keiner Ostern oder in den Herbstferien schließen.

Entscheidungshilfen für Eltern gibt es nicht

Mit verbindlichen Vorgaben wolle man sich zurückhalten, so die stellvertretende Leiterin des Amts für Schulentwicklung, Rita Gorklo-Blameuser. Es müsse Spielräume geben, um passende Regelungen vor Ort zu ermöglichen, mit denen möglichst viele leben können. Man werde aber „genau hinschauen“, damit nicht irgendwo von Trägern durch die Hintertür mehr als 30 Schließungstage durchgedrückt werden.

Bei der jüngsten Sitzung des Schulausschusses haben die Grünen transparentere Qualitätsvergleiche zwischen Anbietern gefordert. Obwohl alle das gleiche Geld bekommen und unter ähnlichen Bedingungen arbeiten, gebe es in den Schulen Qualitätsunterschiede. Wer hier einen Überblick gewinnen will, hat es schwer. Man diskutiere oft mit den Trägern über Qualität und Standards, so die Schulverwaltung. Eine Entscheidungshilfe für Schulen und Eltern bei der Wahl des Trägers für den Ganztag gibt es aber bislang nicht.