Personalnot in KitasKölner Eltern: „Das schlimmste Kindergartenjahr aller Zeiten“

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Immer wieder gab es in Kölner Kitas Einschränkungen und verkürzte Öffnungszeiten.

Köln – Ein Kita-Jahr, von dem viele Kölner Eltern sagen, dass es besonders nervenaufreibend war,  neigt sich dem Ende zu. „Wir haben noch nie so viele E-Mails von verzweifelten Eltern bekommen wie in diesem Jahr“, sagt Heike Riedmann, Vorsitzende des Jugendamtselternbeirat (JAEB) Köln. Der JAEB ist die gewählte Elternvertretung von knapp 700 Kitas aller Träger in Köln. „Es ist das schlimmste Kindergartenjahr aller Zeiten“, sagt Sara Orth (Name geändert), vierfache Mutter. Ihre jüngste Tochter ist im vergangenen Sommer in die Kita gekommen. Die Dreijährige war allerdings zeitweise mehr zu Hause als in der Kita. „Ihr Eingewöhnungsjahr war eine totale Katastrophe!“

Corona sorgte immer wieder für Einschränkungen und Ausfälle. Durch die Streiks der Erzieherinnen und Erzieher in städtischen Kitas blieben einzelne Gruppen oder ganze Kitas tageweise geschlossen – auch die von von Sara Orths Tochter. Aufgrund der allgemeinen Personalnot kam es immer wieder zu Schließungen oder verkürzten Betreuungszeiten. In manchen Wochen war die Dreijährige bloß an einem einzigen Tag in der Kita. „Nur die Kinder von Eltern, die beide berufstätig sind, dürfen ihre Kinder abgeben“, berichtet Orth. Die vierfache Mutter fühlt sich diskriminiert: „Mein Kind darf nicht in die Kita, weil ich ja nicht arbeite. Ich musste deshalb schon drei Bewerbungsgespräche absagen.“

Kölner Kita: „Bitte nehmen Sie ihr Kind wieder mit“

In Gesprächen mit Eltern von Kita-Kindern wird deutlich, dass verkürzte Betreuungszeiten und kurzfristige Ausfälle eher die Regel als die Ausnahme sind. Eine Mutter schildert, wie sie mehrfach morgens mit ihrem Sohn vor der Tür der Kita in Nippes per Aushang darüber informiert wurde, dass nur eine sehr eingeschränkte Betreuung möglich sei: „Bitte nehmen Sie ihr Kind wieder mit oder holen Sie es so früh wie möglich ab.“ An anderen Tagen erhielten die Eltern eine WhatsApp-Nachricht mit der Information, dass nur ein Teil der Kinder wegen Personalmangel betreut werden könne und Gruppen zusammengelegt werden müssten.

Fälle wie diese sind Riedmann zufolge keine Seltenheit: „Bei Personalengpässen werden Betreuungsstunden gekürzt oder die Anzahl der betreuten Kinder reduziert. Das führt zu einem Hauen und Stechen unter den Eltern, die ihr Kind unterbringen möchten.“ Manche Kitas handelten nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, kann sein Kind bringen“, andere Einrichtungen richteten sich nach der Berufstätigkeit der Eltern. „Beides ist absolut kein geeignetes Kriterium. Es geht in der Kita um frühkindliche Bildung. Der Bedarf darf nicht von der Berufstätigkeit oder der Schnelligkeit der Eltern abhängen“, kritisiert Riedmann.

Kölner Eltern fordern System für Quereinsteiger

Vielmehr fordert der JAEB eine kreativere und flexiblere Bedarfsabfrage. Eltern könnten sich untereinander mit der Betreuung ihrer Kinder abwechseln. Zudem müsse gewährleistet sein, dass Kinder, die zu Hause nicht ausreichend gefördert werden können – aus welchen Gründen auch immer – die Kita regelmäßig besuchen. Das betreffe unter anderem Kinder aus sozial schwachen Familien oder solche mit Zuwanderungshintergrund. „Sonst werden diese Kinder später in der Schule sprachliche oder soziale Defizite zeigen.“

Oberste Priorität müsse für alle Beteiligten – Bund, Land, Kommune, Träger – allerdings sein, gemeinsam dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, so Riedmann. Der JAEB fordert unter anderem ein System für Quereinsteiger in den Beruf zu entwickeln, sowie finanzielle Anreize und Aufstiegsmöglichkeiten zu schaffen. Sara Orth schlägt indes ein Springersystem vor: Bei Personalmangel könnten Erzieher aus anderen Kitas vertretungsweise aushelfen.

Stadt Köln plant keinen Springerpool für Erzieher

Diesem Vorschlag erteilt eine Stadtsprecherin eine Absage: „Springerpools“ seien für Fachkräfte „unattraktiv“. Die meisten wollen demnach einer Kita fest zugeordnet werden, um Beziehungen zu Kindern, Familien und Kollegium aufzubauen. Vor einigen Jahren habe die Stadt über eine Springerpool verfügt, aber die Springer hätten sich für einen dauerhaften Einsatz in den Kitas entschieden, in denen sie temporär ausgeholfen haben, sobald es dort freie Stellen gab.

„Freie Stellen gibt es derzeit viele. Bei allen Trägern und in vielen Kitas. Die Fachkräfte auf dem Markt haben freie Auswahl“, so die Sprecherin. Aktuell seien allein bei den rund 200 städtischen Kitas 150 Stellen unbesetzt. Zum Vergleich: Im vergangenen Juli waren es noch etwa 100. Und der Fachkräftemangel spitzt sich zu: Die Stadt rechnet mit 1220 bis 1800 fehlenden pädagogischen Fachkräften bis zum Jahr 2025.

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