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Flaute in Kölner Bioläden„Am Essen sparen die Menschen zuerst“

Lesezeit 3 Minuten
kraut

Ingrid Seger und Jürgen Opper stehen im Bioladen „Kraut und Rüben“.

Köln – Den Laden mit dem schönen Namen „Kraut und Rüben“ in der Balthasarstraße im Agnesviertel gibt es schon seit 1984. Inhaberin Ingrid Seger hat schon so manches erlebt. Doch die derzeitige Krise trifft den Bioladen mit aller Wucht. „Es ist zurzeit absolut schwer. Es kommen weniger Kunden und sie kaufen weniger.“

Die Stammkunden sind zwar weiterhin treu, doch auch sie geben nicht mehr so viel aus.Mit frischen Lebensmitteln könne man ohnehin nicht viel verdienen, sagt Seger. „Und in der Krise sparen die Menschen immer zuerst am Essen. Unser Umsatz ist 20 bis 30 Prozent heruntergegangen.“

Bioläden boomten während Pandemie

Allerdings kam man auch von einem hohen Niveau, denn während Lockdown und Pandemie, als die Menschen sich auf das Selbstkochen mit guten Produkten besannen, boomten die Bioläden. „Aber jetzt mit Krieg und Energiekrise geht es ganz schnell wieder abwärts.“ Umweltbewusstsein hin oder her.

Die Erfahrung hat auch Sammy Porath gemacht, der an der Neusser Straße den Biosam Bio Supermarkt betreibt. „Seit März sind die Umsätze deutlich eingebrochen.“ Er hatte seit der Gründung 2013 jedes Jahr eine Umsatzsteigerung von bis zu 15 Prozent, die Pandemiejahre waren außergewöhnlich gut. „Da haben wir mehr Personal eingestellt und nachts gearbeitet, um die Regale zu füllen.“

Biokunden gehen zum Discounter

Doch nun sinken die Einkünfte unter die von 2019. „Die Leute kaufen zurückhaltender, nehmen die kleinere Flasche Olivenöl oder verzichten auf Kosmetik.“ Eine Stammkundin habe fast entschuldigend gesagt: „Ich kann jetzt einfach nicht mehr wie sonst einkaufen, ich muss einiges beim Discounter holen.“ Dabei gebe es zum Beispiel bei Gemüse kaum einen Preisunterschied, sagt Porath. „Da können wir gut mithalten.“

Doch viele wandern trotzdem ab und darunter leiden die kleinen Läden. Nach Zahlen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft haben die Deutschen in den ersten fünf Monaten 2022 rund 35 Prozent mehr für Bio-Frischeprodukte ausgegeben als im gleichen Zeitraum 2019. Aber offenbar greifen sie verstärkt zu den Bio-Eigenmarken in Bio-Supermärkten und vor allem im konventionellen Lebensmittelhandel. Die großen Ketten haben ihr Angebot an Bio-Produkten hochgefahren und haben inzwischen einen Marktanteil von 62,3 Prozent.

Auch die vergleichsweise großen Naturata-Läden an der Krebsgasse in der City und auf der Berrenrather Straße in Sülz sind betroffen. „Wir spüren Verunsicherung und Kaufzurückhaltung“, sagt Matthias Latz, einer der Geschäftsführer des Kölner Unternehmens, das auch in Burscheid, Siegburg und Recklinghausen Filialen hat. Das hat nun zu dem Entschluss geführt, die beiden Kölner Läden eine Stunde früher zu schließen.

Bioladen an Kölner Krebsgasse schließt früher

Bei der Filiale in der Krebsgasse kommt erschwerend hinzu, dass der Umsatz auch während der Pandemiezeit schon schlechter war – weil die Frequenz in der Innenstadt im Vergleich zu den Veedeln sehr viel stärker zurückging. Die Menschen kommen vor allem zum Klamottenshoppen in die Stadt, doch die Modeläden waren lange geschlossen. Und fürs Lebensmittelkaufen fährt kaum jemand eigens in die City.

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Außerdem gebe es noch immer das Vorurteil, Bioläden seien grundsätzlich teurer. „Dabei sind die Preise aktuell in Bioläden weniger stark gestiegen als im übrigen Lebensmittelhandel“, sagt Latz. Doch das gehe in der großen Krisendiskussion etwas unter.

Trotz allem: In der kommenden Woche eröffnet eine neue Filiale der Darmstädter Kette Alnatura am Neumarkt. Der Laden war natürlich lange vor der Krise geplant worden. Aber die Ansiedlung an so prominenter Stelle zeigt, dass Köln grundsätzlich ein gutes Pflaster für Bioläden ist.