Fotoautomat im DuMont CarréSelfies aus dem vorigen Jahrhundert

Das Gelächter beim Betrachten des Fotostreifens ist groß.
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Köln – Es gibt nur diesen einen Versuch. Der muss klappen, der muss gut aussehen. Einfach löschen und noch mal abdrücken geht nicht. Nun ja, genau genommen sind es vier Versuche. Vier Versuche, ein gutes Fotos hinzubekommen.
Die ersten Fotoautomaten wurden Ende des 19. Jahrhunderts auf amerikanischen Jahrmärkten und in den Straßen New Yorks aufgestellt. Die Leute nutzten sie, um schnell und günstig Passbilder für ihre Ausweisdokumente zu machen.
Erst in den 20er Jahren begannen die Surrealisten in Frankreich damit, den Fotoautomaten auch künstlerisch zu nutzen. (mer)
Der Fotoautomat im DuMont Carré an der Breite Straße ist der einzige in Köln, der noch analog fotografiert und die Bilder an Ort und Stelle entwickelt. Und obwohl die Geschäfte in der oberen Etage des Einkaufszentrums derzeit wegen des laufenden Umbaus des Carrés fast alle leer stehen und es zahlreiche digitale Automaten in Köln gibt, zählt dieser zu den meistgenutzten in der Stadt.
Ganz am Rand, zwischen Fahrstühlen und Rolltreppen, wo man sie leicht übersehen kann, steht die silberne Box. An der Außenseite hängt ein Spiegel, um noch mal die Frisur zu richten, den Lippenstift nachzuziehen oder den Hemdkragen aufzustellen, bevor es in die Kabine geht. Man zieht den Vorhang zu, wirft die Münzen in den Schlitz und ist für einen kurzen Moment allein. Allein mit sich, der Kamera und eventuell dem Fotopartner. Ein Stück Intimität für zwei Euro. Vier grelle Blitze lang.
In Zeiten, in denen jeder ein Smartphone in der Tasche hat, rund um die Uhr Selfies knipsen, wieder löschen, neu machen und auf Facebook posten kann, stellt sich die Frage: Warum entscheiden sich immer noch regelmäßig Menschen für die enge Kabine, das aggressive Gegenlicht und den überraschenden Auslöser? Eine Spurensuche am Fotoautomaten.
Schön alt bitte!
Ellen und Tinka (beide 16) sind zum Shoppen in der Breite Straße unterwegs. „Ich bin öfter hier und mache Fotos. Manchmal ist der Automat auch kaputt, so wie heute. Da nimmt er plötzlich nur noch die Zwei-Euro-Münzen und keine Einer mehr“, sagt Tinka. Ob sie den Streifen abfotografieren und auf Facebook posten? Nein. „Diese Aufnahmen sind nur für uns.“ Ihrer Freundin Ellen gefällt das Alte an den Fotos gut. „Dass die Bilder nur in Schwarz-Weiß gedruckt werden, ist voll cool. Das sieht nach Vintage-Mode aus.“ In der Tat ist nicht nur die Idee eines Fotoautomaten antiquiert, sondern auch die Box selbst ist einem Modell aus den fünfziger Jahren nachempfunden. Der rote Schriftzug „Photoautomat“ folgt in seiner Schreibweise ebenfalls den Rechtschreibregeln der Fünfziger. Wenn schon ein altes Modell nachbauen, dann auch konsequent.
Spontaner Spaß
Seit anderthalb Jahren sind Laura (16) und Roberto (18) ein Paar. Manchmal machen sie Ausflüge in die Großstadt und fahren mit der Bahn von Königswinter nach Köln – so wie heute. Im Schlepptau ist Lauras kleiner Bruder Lukas, der das Pärchen in den Zoo begleiten darf. „Wir wollten uns hier schnell etwas zu essen und zu trinken kaufen. Da habe ich diesen Automaten entdeckt“, sagt Laura. Vielleicht möchte sie nur Bilder mit ihrem Freund machen, mal einen Moment ohne den kleinen Bruder sein. Doch schwups – beim letzten Blitz streckt der Zwölfährige seinen Kopf durch den Vorhang in die Kabine. Das Ergebnis: Ein süßer Fotostreifen mit Knutschbildern, lässigen Teenager-Posen und Grimassen.
Weniger ist mehr
Auch Aline (20) und Dylan (19) besitzen Smartphones und Digitalkameras. „Auf einer Feier oder einer Reise mache ich so viele Fotos, dass es meistens zu viele sind, um sie auszudrucken. Und zum Aussortieren habe ich oft auch keine Lust“, sagt Aline. Weniger ist manchmal mehr, die Bilder im Fotoautomaten sind auf eine Stückzahl von vier begrenzt. Außerdem hat man sie direkt in der Hand, auf Papier, total real und oft zum Totlachen. Meistens klebt noch etwas Entwicklungsflüssigkeit an den Streifen. Eine Erinnerungen zum Mitnehmen und Aufhängen, jedenfalls nicht zum Löschen. So eine Erinnerung wollten sich auch die beiden Architektur-Studentinnen schaffen. Beide sind zum Studium nach Köln gezogen und erst seit einem halben Jahr miteinander befreundet. „Diese wichtige Phase wollen wir festhalten.“
Das Festival „Internationale Photoszene Köln“ bietet parallel zur Photokina zahlreiche Ausstellungen und weitere Veranstaltungen. Eine Auswahl:
Nostalgisch wirkt das Projekt „Dark Room Red Light – Kontrastlabor“ in Zeiten digitaler Fotografie. Im Photobook Museum im Carlswerk wird live vor Publikum Fotopapier belichtet und entwickelt. Mitglieder des Schauspiel-Ensembles stellen sich als Motive zur Verfügung. Los geht es am Freitag, 19. September, von 17 bis 22 Uhr. Weitere Aktionen finden am Samstag (11 bis 21 Uhr) und Sonntag (11 bis 19 Uhr) statt.
Die Galerie Lichtblick, Steinberger Straße 21, zeigt unter dem Titel „Ladies Only #1“ Bilder von Aline Smithson, Joanna Black und weiteren Fotografinnen. Black stammt aus Edinburgh, fotografiert ihre Landsleute mit Nationalsymbolen und eröffnet damit interessante Perspektiven auf die Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands.
Wie sieht jemand aus, der Sex kauft? Die Fotografin Bettina Flitner hat Freier abgelichtet und befragt. Die Bilder und Statements der Fotografierten zeigt Flitner in der Photogalerie Laif, Merowinger Straße 5-7.
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Photographie, Ditmar Schädel, hält am Sonntag, 21. September, ab 17 Uhr einen Vortrag über die Fotografie-Bestände der Kunst- und Museumsbibliothek (KMB) der Stadt Köln. Veranstaltungsort ist der Lesesaal der KMB im Museum für Angewandte Kunst.
Der Festivalpass, der den Eintritt zu allen Photoszene-Veranstaltungen beinhaltet, kostet 5 Euro und ist erhältlich im Photobook Museum und im Museum für Angewandte Kunst. (asp)