Frauen, die Frauen stark machen

Die Mitarbeiterinnen von agisra mit Elfi Scho-Antwerpes und Serap Güler (5. u. 6.v.l.)
Copyright: Claudia Mund
Innenstadt – Vor einem Jahr wurde der „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung“, kurz „agisra“, der Mietvertrag für ihr Büro am Heumarkt gekündigt. Alternative Räumlichkeiten in ähnlich zentraler Lage waren schwer zu finden, mehrere potenzielle Vermieter sagten der Informations- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen ab. Auch als geeignete Räume gefunden waren, hing der Einzug noch für einige Zeit in der Schwebe, die Miete für das neue Objekt überstieg den bisher veranschlagten Betrag bei weitem. Dass sich die Oberbürgermeisterin, der Sozialausschuss und die Parteien solidarisch erklärten, machte den Umzug an den Salierring dennoch möglich.
„Wir dachten schon, wir würden obdachlos und müssten die Frauen im Zelt beraten“, verrät die Pädagogin und Politologin Behshid Najafi am Tag der offenen Tür. Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und Integrations-Staatssekretärin Serap Güler demonstrieren ihre Unterstützung, eine dreiköpfige Abordnung der Polizei stellt sich der Organisation und den geflüchteten Frauen vor, die Ratsmitglieder Marion Heuser, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Jörg Detjen von Die Linke, sind ebenfalls bei der Einweihung dabei.
Als Mitstreiterin der ersten Stunde ist Behshid Najafi schon seit 1993 für agisra tätig, ihre positive Energie repräsentiert die Grundeinstellung aller Mitarbeiterinnen. Betroffene verschiedener Formen von Gewalt suchen und finden hier Hilfe, Zwangsverheiratung, Frauenhandel, Genitalverstümmelung, häusliche und sexuelle Gewalt sind zentrale Themen in den Beratungsgesprächen.
„Wir sind froh, dass wir durch das Strafgesetz unterstützt werden“, merkt Diplom-Pädagogin Shewa Sium zum sensiblen Thema der weiblichen Genitalverstümmelung an. Über Aufklärung und Beratung versucht agisra, Familien von einem Vollzug des folgenschweren Eingriffs abzubringen. Gegen das über Jahrtausende tradierte Ritual sei allerdings langfristige Überzeugungsarbeit nötig, meint Shewa Sium, die selbst aus Eritrea stammt, einem der Länder, die dem grausamen Brauch über religiöse Grenzen hinweg verhaftet sind. Der verbreiteten Praxis, die Mädchen während der Sommerferien in das Ursprungsland zu bringen, um sie dort beschneiden zu lassen, begegnet die deutsche Gesetzgebung mit Strafen bis hin zur Ausweisung. Manchmal sei das Gesetz das letzte Mittel, um die Familien von der Beschneidung abzuhalten, weiß Shewa Sium.
Traumatische Fluchterfahrungen haben die meisten Frauen und Mädchen gemacht, die sich an agisra wenden. Luisa Kabbaa erzählt von ihrer Flucht aus Syrien, 2016 kam sie mit ihrer Mutter nach Deutschland, mit verschiedenen Verkehrsmitteln und zu Fuß hatten sie die beschwerliche Reise hinter sich gebracht. In verschiedenen Städten und zuletzt in Köln warteten weitere Hürden auf Mutter und Tochter.
Anschaulich beschreibt Luisa die schwierige Situation nach ihrer Ankunft, spricht über Verständigungsschwierigkeiten, Kommunikationsversuche auf Englisch und dem Ringen um gültige Papiere. Sechs Monate dauerte es, bis sie eine spezielle Deutsch-Klasse besuchen konnte. In der Zwischenzeit wollte sie selbst etwas zur Verbesserung ihrer Lebensumstände tun, paukte mit dem Google-Übersetzer Vokabeln und fing an, Sätze zu bilden. Mittlerweile spricht sie fließend Deutsch und hat in ihrer neuen Regelschule viele Freunde gefunden. „Alle hier sind super“, sagt sie über die Mitarbeiterinnen bei agisra. Für jedes Problem, egal ob behördlicher oder persönlicher Natur, versuche man hier eine Lösung zu finden. Ihre Beraterin Halima Abdul hat sie besonders ins Herz geschlossen. Individuelle Beratung und Gruppenangebote machen die Frauen stark. Dabei geht es vor allem um Unterstützung in Rechtsfragen, die Beschaffung von Papieren, Konversation auf Deutsch, Anleitung zu Renovierungsarbeiten oder Informationen zu beruflichen Perspektiven. Durch Streetwork erreicht agisra Frauen auch außerhalb des Büros. „Agisra ist ein Ort von Empowerment“, erklärt Behshid Najafi zum Konzept, das den Frauen den Zugang zu einem eigenständigen und eigenverantwortlichen Leben ermöglichen will.
Agisra, Salierring 48, 50676 Köln, telefonische Sprechzeiten : Mo, Di und Do 10-15 Uhr, Tel: 0221 / 124019
Behshid Najafi, Agisra
Luisa Kabbaa, Geflüchtete